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Ukraine: Mehr als 50 Krimtataren auf Halbinsel Krim festgenommen

Krimtataren

Kiew/Moskau (dpa). Auf der von Russland einverleibten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind nach ukrainischen Angaben mehr als 50 Krimtataren festgenommen worden. Sie seien teilweise mit roher Gewalt in Polizeibusse gedrängt worden, schrieb die Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments in der Hauptstadt Kiew, Ljudmila Denissowa, in der Nacht zum Sonntag im Nachrichtenkanal Telegram. Die Krimtataren hätten in der Stadt Simferopol gegen „illegale Durchsuchungen und Festnahmen“ durch den russischen Inlandsgeheimdienst FSB protestiert.

Zuvor seien fünf Aktivisten der muslimischen Minderheit von russischen Sicherheitskräften festgenommen worden, sagte Denissowa. Die Hintergründe waren zunächst unklar. Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte bei Twitter die Freilassung aller Festgenommenen. Angaben von russischer Seite lagen zunächst nicht vor.

Denissowa rief die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf Russland auszuüben, damit die Repressionen gegen die Krimtataren ein Ende hätten. Zuletzt hatten die Vereinten Nationen Moskau vorgeworfen, mit willkürlichen Verhaftungen und Razzien gegen Vertreter der Religionsgemeinschaft vorzugehen. Russland hatte sich 2014 die ukrainische Halbinsel einverleibt.

Unter der muslimischen Volksgruppe der Krimtataren sind die Vorbehalte gegen Russland nach wie vor groß. Hauptgrund ist ihre Deportation im Zweiten Weltkrieg. 1944 waren etwa 200.000 Menschen wegen angeblicher Kooperation mit den deutschen Besatzern per Zug vor allem ins heutige Usbekistan gebracht worden.

Die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine sind seit Jahren zerrüttet – nicht zuletzt wegen des Konflikts in der Ostukraine. Zu dessen Lösung hatte Selenskyj ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeschlagen. Der Kreml zeigte sich am Sonntag abermals zwar grundsätzlich dazu bereit. „Aber bis jetzt sehen wir nicht den gleichen gemeinsamen politischen Willen aus Kiew“, sagte Sprecher Dmitri Peskow im Staatsfernsehen. Anders als die Ukraine werde Russland nicht über die Frage der Krim diskutieren.

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Wutbürger und Ex-Eliten haben in den Herausforderungen unserer Zeit wenig anzubieten

(iz). Gewiss, Jugend ist vor allem auch eine Frage des Herzens und des Geistes. So mancher im Herbst seines Lebens ist im Inneren jung geblieben, während nicht wenige 20-jährige schon […]

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Ein Theaterstück rund um die Dresdner Oper sucht noch nach ihrem Autor. Hintergründe von Abu Bakr Rieger

(iz). „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“, dichtete einst Heinrich Heine in seinen berühmten Nachtgedanken. Noch immer steht unser Land unter dem Eindruck des furchtbaren nationalistischen Rassenwahns vergangener Tage. Eine Erinnerung, die in Deutschland, mehr oder weniger erfolgreich, bis heute rechtsradikale Parteien klein gehalten hat. Das Gefühl der Sicherheit vor der Verbreitung neuen Ressentiments sollte man daraus lieber nicht ziehen und wenn die deutsch-jüdische Gemeinde wieder vor der Bewegung der Straße warnt, ist dies durchaus ernst zu nehmen.

Die neuen Schweigemärsche in Dresden, mit immerhin 15.000 Teilnehmern, repräsentieren zwar keine parteiähnliche Struktur und betreiben, neben einem in technokratischer Sprache abgefassten „Forderungskatalog“, keine klare politische Agenda, dennoch sind die Demonstrationen Sinnbild von Ängsten geworden. Es ist natürlich nicht undenkbar, dass Teile der Deutschen sich wieder von einem offenen Weltbild hin zu einem dumpfen Nationalismus wenden könnten.

Natürlich gilt es auch bei diesem ernsten Thema die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Deutschen gibt es so wenig wie die Ausländer. So engagieren sich, um nur ein Beispiel zu nennen, mindestens 50.000 Deutsche bereits in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe. Für ein grobes Deutschland-Bashing gibt es angesichts verbreiteter Hilfsbereitschaft und der breiten Akzeptanz für ein humanitäres Engagement der Bundesrepublik insofern keinen Grund. Es gilt vielmehr anzuerkennen, dass ein breiter Konsens in der deutschen Gesellschaft, möglichst vielen in Not geratenen Menschen im In- und Ausland zu helfen, nach wie vor trägt.

Die in Dresden Versammelten lassen aber bewusst Raum für andere Spekulationen und dienen so Freund und Feind als willkommene Projektionsfläche. Für die Einen sind sie an sich brave Wutbürger, die aus einer Art politischer Notwehr zum letzten Mittel des Protestes greifen, für Andere sind sie gleich allesamt „Nazis im Nadelstreifenanzug“. Seit Tagen hat sich an diesen Fragen eine ganze Heerschar von Kommentatoren abgemüht, meist ziemlich eindeutig in ihrem Urteil. In Dresden manifestieren sich, so die meisten Beobachter, „diffuse Ängste“ und eine „latente Fremdenfeindlichkeit“. Das Ressentiment sei nur mühsam versteckt hinter dem skurrilen Titel der „europäischen Patrioten“, die gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes kämpfen. Ein Arbeitstitel, der wohl nicht zufällig an Spenglers Vision des „Untergang des Abendlandes“ erinnert, eine These, die in Deutschland zum Begriff der konservativen Revolution gehört.

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Natürlich ist die Angst vor dem angeblichen „Kampf der Kulturen“, wie es einst bei Huntington hieß, nicht nur in Sachsen verbreitet. Es ist eine Angst der Älteren, die spüren, dass die Bedeutung von Kulturen unter den Bedingungen der Globalisierung stetig abnimmt. Es ist auch mangelnde Bildung, die glaubt, der Islam sei selbst eine Kultur. Auch in Dresden gilt aber die Einsicht: Wo immer der Ruf nach Kultur erschallt, ist sie meist schon untergegangen. Viele jungen Sachsen, deren Eltern nun demonstrieren, würde es wohl schwer fallen, zu erklären, was es denn mit der „sächsisch-abendländischen Kultur“ genau auf sich hat. Längst hat die Kultur neuer Medien die alte Folklore der Regionen abgelöst.

Nebenbei erwähnt, sollten wir Muslime hier ein wenig vorsichtig mit Spott sein. Gibt es nicht auch in unserer Gemeinschaft ein Klientel, dass sich aus Angst vor Identitätsverlust in der Idee verlorener heimatlicher Kultur verbarrikadiert?

Rückt man ein wenig weg von dem aktuellen Geschehen rund um die Dresdner Oper, kommt man nicht umhin, sich allerdings wenig überrascht zu zeigen von der Rebellion der Straße. Sie war nur eine Frage der Zeit. Die Bewegung kommt nicht aus dem Nichts, zum Ersten, weil es in Deutschland immer Fremdenfeindlichkeit gab, die allerdings in das Stichwort „Kampf gegen den Islamismus“ politisch korrekt integriert wurde, zum Zweiten weil die Pegida-Welle ihren Ausgangspunkt auch in deutschen Redaktionsstuben hat. Leider gibt es bei letzterem Punkt noch wenig Neigung zur Selbstkritik.

Über Jahre erschienen deutsche, politische Magazine, wenn es um den Islam ging, zuverlässig in Trauerflor. Hunderte Artikel zelebrierten wilde Assoziationsketten zu einigen der schlimmsten Verbrechen der Welt und immer erschien dabei der Islam als „unheimlich, gefährlich oder dumpf“. Die Muslime in Deutschland wurden in eine Position kollektiver Verantwortung gedrängt. Der veröffentlichte Muslim erschien nun im radikalen Modus des Entweder-Oder, als fanatischer Fundamentalist oder als harmloser Esoteriker. Im besten Fall wurde im Feuilleton noch auf das Paradox verwiesen, der Islam sei allerdings in seiner Geschichte weder verantwortlich für Weltkriege, noch müsse er sich über seinen jahrhundertelangen Umgang mit Minderheiten schämen.

Natürlich kann man hier einwenden, heute ist heute. Muslimische Terroristen und Gewalttäter sind wahrlich keine Erfindung deutscher Medien. Es gibt hierzulande de facto eine sehr kleine Minderheit, im Promillebereich, die sich mit den Zielen des IS identifizieren. Es gibt, deutlich größer im Umfang, eine Sympathie für die reaktive Ideologie der Hamas. Wichtiger als diese Phänomene ist aber die Überzeugung der absoluten Mehrheit aller praktizierenden Muslime, dass die Wortkombination „Islamischer Terrorismus“ unmöglich ist.

Nur, genutzt hat dieses klare Bekenntnis in der Öffentlichkeit wenig. Die Bildersprache läuft eindeutig gegen die Muslime. Die Definitionshoheit über wichtige Begriffe der islamischen Terminologie ist längst nicht mehr bei den Muslimen selbst. Der verbreitete Begriff des „Islamisten“ hat zudem eine unbestimmte Schnittmenge ermöglicht, die Orthodoxe, Schwerverbrecher, Funktionäre, aber auch Andersdenkende in ein Lager zusammenfasst. Oft gleiten die Debatten dabei ins Irrationale ab, so wenn ein desperates Grüppchen von „Scharia-Polizisten“ zur Staatsbedrohung hochgeschrieben wird und das politische Feuilleton in dieser Art der Feindbeobachtung zur Hochform aufläuft. „Wir sind so gut, wie sie so böse sind!“, ist das Motto der schöngeistigen Überheblichkeit.

Aus diesem Sud aus Vorurteilen, Fakten und Begrifflichkeiten zieht auch das Ressentiment der Pegida-Bewegung seine Energie. Die vage Formulierung, man sei gegen die Islamisierung des Abendlandes, ist nicht nur schräg, gerade angesichts der Geschichte des europäischen Islam, sie soll vor allem als Klammer hin zur bürgerlichen Gesellschaft dienen. In einer Umfrage der BILD-Zeitung zeigen sich 58 Prozent der Bevölkerung verängstigt über den wachsenden Einfluss des Islam in Deutschland. Eine Statistik, die in den Ohren der Muslime merkwürdig klingt, kämpfen sie doch vergebens für eine profane Gleichberechtigung ihrer Religionsgemeinschaft. Die Angst der Bürger vor der „Islamisierungs-Welle“ nimmt davon wenig Kenntnis. Auch deswegen fordert kaum jemand zumindest die sofortige Umbenennung der Dresd­ner Aktion, denn, so die abgründige Logik, die zumindest im konservativen Lager verbreitet ist, sind wir nicht alle gegen die Islamisierung?

Bewusst offen bleibt in dieser Logik, was genau gemeint ist, mit dem Phantasiegebäude eines „islamischen Europa“. Ist es der Islam im Alltagsbild, sind es die Moscheen, bereits abgedrängt in die Trostlosigkeit unserer Gewerbegebiete, die Minarette, die praktizierenden Muslime? Gerade weil Pegida zu diesen Dingen schweigt und sich der politischen Vermittlung entzieht, ist hier scharfer Argwohn absolut berechtigt. Das Desaster für die Muslime und ihre Vertreter ist gleichzeitig, dass die Straße zunehmend das Klima und die Lebenswirklichkeit der Muslime definiert. So droht, dass Begriffe, Terminologie und schließlich die Rechte der Muslime, im Wege der Mehrheitsfindung definiert werden.

Die Folgen für die islamische Lebenspraxis sind fatal, wenn künftig ahnungslose Dresdner erklären wollen, was noch legitime Religionsausübung ist. Hierher gehört auch die wachsende Unkenntnis über verfassungsrechtliche Garantien, die wir Muslime als deutsche BürgerInnen, nicht etwas als Fremde, völlig zu Recht in Anspruch nehmen. Die These gar, dass die Kombination von Muslim- und Bürgersein sich ausschließt, ist nichts anderes als offener Rassismus.

Auch eine weitere Schlussfolgerung aus dem Phänomen der Pegida kann abgeleitet werden. Es wäre falsch, ähnlich wie es die Pegida versucht, als Muslime ein ebenso abgeschottetes politisches Lager zu bilden. Natürlich ist eine Querdiskussion mit anderen, auch islamkritischen Bewegungen, geboten. Durchaus denkbar, dass auf diese Weise auch das eine oder andere Vorurteil aus dem Diskurs gedrängt werden kann. Natürlich kann diese Diskussion nur auf der Grundlage unserer eigenen Überzeugungen geschehen, sodass eine „Querfront“ mit jeder rassistischen Gruppierung sich schon aus Glaubensgründen verbietet, zumal diese Gruppen wohl auch kaum gesprächsbereit wären.

Thema wäre bei der „Rettung des Abendlandes“ insofern zusammenzuwirken, als dass es uns Deutschen um die Stiftung neuer Kultur, neuer sozialer Solidarität, neuer ökonomischer Gerechtigkeit in Zeiten totalen Konsums gehen muss. Überhaupt sollte man die eigentlichen Themen unserer Zeit nicht aus den Augen verlieren. Bei aller Hysterie und verständlicher Empörung über ­Pegida lohnt es sich, hier kurz inne zu halten.

Wir leben natürlich im vorgegeben Takt der „Breaking News“, erleben auch eine inszenierte Gesellschaft, mit inszenierten Konflikten. Ohne den Strom der Medien und den Techniken der kanalisierten Aufmerksamkeit, könnte kaum eine politische Bewegung in Deutschland sich auf Dauer halten. Es gilt daher, unbeeindruckt den Fokus und die Aufmerksamkeit auf die richtigen Fragen zu lenken. Vergessen wir also nicht die Konstellation der künftigen Verteilungskämpfe, die uns alle im Kern betrifft. Sie finden rund um das kollabierende Finanzsystem statt, dem eigentlichen Bezugspunkt unserer Zeit.

Hier wurzeln auch gleichzeitig die berechtigten Ängste vor der Dynamik eines drohenden Straßenkampfes. Was passiert mit den bieder wirkenden Wutbürgern von Dresden in Zeiten echter wirtschaftlicher Verwerfungen? Wer gibt der stummen Bewegung am Ende die Sprache? Was werden pseudo-konservative Postillen wie die „Junge Freiheit“, eines Tages schreiben, fordern, wenn sie weniger entschiedenen Widerstand, als vielmehr Rückenwind verspüren?

Rudolf Augstein hat in einem Kommentar auf Spiegel-Online zu Recht darauf hingewiesen, dass Sarrazins medialer Aufstieg „zum dunklen Stern einer Philosophie des Ressentiments“ mit der globalen Finanzkrise zusammenfiel. Der Sieg des Finanzkapitalismus führt bereits zur Krise der parlamentarischen Demokratie, ohne dass die Straße dabei groß aufmuckt. Die These, der Islamismus in Deutschland sei die künftige Schlüsselgefahr für die Existenz der Demokratie, konnte nie wirklich überzeugen, sie ist eher Teil eines Ablenkungsmanövers. Alle Formen des radikalen politischen Islam, so bedrohlich sie agieren mögen, sind schlussendlich nur Garanten für die Etablierung des starken Staates unter den Augen der paralysierten Öffentlichkeit.

Kommentar der Kommunalwahlergebnisse in der Türkei

Es waren zwar nur Kommunalwahlen. Diese hatten es aber in sich. Die regierende Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat wieder einmal eine Schicksalswahl für sich entscheiden […]

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Die IZ-Blogger: Bitterer bosnischer Frühling

(iz). Immense Schäden sind das Resultat der landesweiten größten Proteste in Bosnien-Herzegowina nach Ende des Bosnien-Krieges. In mehreren Städten des Landes brannten Regierungsgebäude. Die Proteste hatten sich am Mittwoch entzündet, weil vier privatisierte Staatsunternehmen pleite gingen. Monatelang bekamen die Arbeiter keinen Lohn. Die Protestwelle, die in Tuzla ihren Anfang fand, weitete sich in den kommenden Tagen auf das gesamte Land aus.

Die Proteste in der Hauptstadt Sarajevo zeigten abermals, wie unfähig die führenden bosnischen Politiker sind, Herr der Lage zu werden. Der politischen Kaste geht es (noch) gut, da Bosnien mit Krediten des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Leben gehalten wird. Viele dieser so genannten Geldspritzen werden aber nicht für Entwicklungsprojekte verwendet, sondern landen als Gehälter bei den Bediensteten, die vom Staat ihr Salär beziehen. Somit wurde vielerorts der bosnische soziale Frieden mit IWF-Geldern gekauft. Doch auch dies wird bald ein Ende haben, wenn es an die Rückzahlung der Kredite geht.

Bei den Angriffen auf das brennende Präsidiumsgebäude in der bosnischen Hauptstadt zeigte sich auch der politische Unwille. Die SIPA (State Investigation and Protection Agency), die ihren Aufgaben her in etwa dem deutschen Bundeskriminalamt entspricht und zuständig ist für den Schutz von Regierungsgebäuden, war nicht präsent, als die ersten Scheiben zu Bruch gingen. Das bosniakische Präsidiumsmitglied Bakir Izetbegović rief die Spezialeinheit der Föderationspolizei an, um Ruhe und Ordnung herzustellen. Bei der SIPA, die von einem bosnischen Serben geleitet wird, rief er nicht an, da Izetbegović hier nicht auf schnelle Hilfe hoffen konnte.

Ebenso konnte sich der amtierende Sicherheitsminister und ehemalige Medienmogul Fahrudin Radončić nicht mit Ruhm bekleckern. Er beließ es lieber bei Parolen und erinnerte an seine Ermahnungen, in denen er letztes Jahr vor solchen und ähnlichen Taten warnte. Von Koordinierung der Polizei und Schutz der Bürger keine Spur. Radončićs Partei, die SBB, hofft weggeschwommene politische Felle im Fall vorgezogener Neuwahlen zurückzuholen. Politische Spekulationen gehen vor Bürgerschutz. Alles Resultate des Daytoner-Abkommens.

Politisches Kapital aus den Protesten schlagen primär die nationalistischen politischen Gruppierungen, die dem bosnischen Gesamtstaat nicht wohl gesonnen sind und ihrem Traum der Abspaltung beziehungsweise Loslösung vom Gesamt-Staat nun ein Schritt näher gekommen sind. Angefangen vom Präsidenten der bosnischen Serben-Republik Milorad Dodik, der schnurstracks nach Belgrad flog, um sich dort mit dem stellvertretenden serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić zu treffen. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milovanović flog nach Mostar, um dort die hiesigen kroatischen politischen Führer zu sehen. Im Chaos wäre es einfach, eine kroatische Republik in Bosnien herzustellen. Gründe gibt es zuhauf, die das System Dayton immer wieder produziert. Die serbische Republik wurde durch Dayton zementiert. Zement, der getränkt ist von Tötungen, Vertreibungen und Massengräbern über das ganze Land. Das Massengrab von Prijedor, in dem 430 bosniakische Leichen gefunden wurden, wird nicht das letzte sein, das freigelegt wird.

Dies sind nicht die ersten Proteste. Schon im Sommer wurde in Bosnien demonstriert. Demonstranten belagerten das Parlament in Sarajevo, nachdem ein krankes bosnisches Baby aus politischen Gründen gestorben war. Der Grund: Die politische Klasse hatte sich im Streit um neue Personalausweise nicht auf einen Kompromiss einigen können, weshalb die Familie des kranken Kindes keine Dokumente besaß, um es zu einer lebensrettenden Behandlung nach Deutschland zu bringen. Die damaligen Proteste verliefen sich aber rasch wieder.

Zu erwarten ist, dass die Proteste, die von der nordbosnischen Stadt Tuzla ausgingen, sich wiederholen werden. Zu groß ist der Unmut der Bevölkerung, die sich mit Problemen der Arbeitslosigkeit, sozialer Ungerechtigkeit und Armut auseinander setzen muss. Der Nachteil der Protestbewegung ist, dass sie nicht koordiniert wird und von keiner Bürgerbewegung eine Steuerung erfährt. Sie passiert im bosnischen Affekt. In der Ukraine leistet diese Aufgabe die Opposition. In Bosnien ist diese nicht fähig, den gemeinsamen Nenner zu finden. Zu tief sind die politischen Gräben, die ihnen das System Dayton bietet, gegeneinander statt miteinander zu arbeiten.

Der kroatische Ex-Präsident Stjepan Mesić forderte die Revision des Dayton-Abkommens. „Dieses Abkommen, das wir alle begrüßt haben, weil es einen blutigen Krieg beendet hat, ist mit dem Willen seiner Erschaffer zu einem Hindernis geworden, BiH in ein funktionierendes Land zu verwandeln“. Wichtig sei, dass die internationale Gemeinschaft und die Vertragsunterzeichner, darunter auch Kroatien, begreifen, dass eine unaufschiebbare Änderung es Abkommens notwendig sei, betonte Mesić. Der Ex-Präsident meinte, dass die zwei Entitäten des Landes, die sich immer mehr zu „Para-Staaten“ entwickeln würden, weder eine historische noch eine politische Berechtigung hätten.

Die Frage, die sich ebenso stellen muss, ist, welche Strategie die internationale Staatengemeinschaft verfolgt. In den letzten Jahren verwaltete sie mehr das Systemchaos, als es zu ordnen oder gar neu aufzustellen. Warnende Fortschrittsberichte der Europäischen Union in Bezug auf die Beitrittsunfähigkeit des Landes konnten weder aufwecken noch schrecken. Man hat es sich im bosnischen Chaos bequem gemacht und beobachtet den leisen Untergang des Landes. Die Amerikaner schweigen, überlassen den Europäern das Feld. Europa tut das, was es am besten machen kann. Es schreibt fleißige Berichte an und in Brüssel und lamentiert hier und da. Gut bezahlte EU-Diplomaten müssen natürlich auch irgendwelche Resultate liefern.

„Deutschland würde mit solch einer Verfassung den Laden nach vier Jahren dicht machen“, kommentierte ein deutscher Politiker das Daytoner-Konstrukt. Bosnien hat bald die Marke von 20 Jahren geknackt. Da in Sotschi die olympischen Winterspiele stattfinden, ist diese bosnische Ausdauer goldmedaillenverdächtig. Fragt sich nur wie lange.

Spontaner Ausbruch einer unterschwelligen Unzufriedenheit ein gefundenes Fressen für die PR-Maschinerie

(iz). Während einer Pause der Proteste auf meinem Weg durch den Gezi-Park erschütterte mich die festliche Atmosphäre, die über jener Zerstörung schwebte, welche die Demonstranten an der öffent­lichen Landschaft angerichtet […]

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Musliminnen in aller Welt reagierten souverän auf die Agitprop-Hooligans von Femen

(iz). Den Neo-Jakobinerinnen der Allzweckprotestmaschinerie Femen (mehr dazu in unserer kommenden Printausgabe) muss am 4. April ziemlich kalt gewesen sein. Die für das Wetter augenscheinlich unpassend (un-)bekleideten Mitglieder der Deutschland-Niederlassung des – global agierenden PR- und Medienfranchise – nutzten diesen Tag für einen so genannten „barbusigen Jihad“.

Dass sich die Deutschen Ableger des passiv-aggressiven Protestnetzwerkes [das gelegentlich recht aggressiv mit dem Gesetz aneinander gerät] dabei ausgerechnet eine Moschee im verschlafenen Berliner Stadtteil Wilmersdorf aussuchten, hat der medienwirksamen Aktion mehr als nur eine humoristische Note verliehen. Nach Medienmeldungen wollten die Frauen gegen die angebliche „Unterdrückung der Frau im Islam“ protestieren. Konkret wollten sie damit auch auf die Situation einer tunesischen Bloggerin aufmerksam machen, die sich angeblich in Lebensgefahr befinden soll. Dies wurde allerdings von ihrer Anwältin dementiert.

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Dem Happening wurde der Wind wohl auch dadurch aus den Segeln genommen, dass die betroffene Gemeinde nicht – wie es das PR-Drehbuch wohl offenkundig vorsah – wütend reagierte, sondern das Ganze schlicht und einfach verpasste. Wie der in Berlin erscheinende „Tagesspiegel“ berichtete, habe der Imam den halbnackten Auftritt „sprichwörtlich verschlafen und kann deshalb den Polizisten auch nichts erzählen“. Bisher war unklar, ob die Berliner Aktion strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Muslimische Frauen in aller Welt – und mit den unterschiedlichsten Hintergründen – haben nicht, wie Femen es möglicherweise kalkulierte, mit Begeisterung auf die „Befreiung“ von Außen reagiert. In Deutschland und im Ausland haben muslimische Frauen schnell und souverän auf die Vereinnahmung des Netzwerkes geantwortet, das sich nun allerorten im Kampf für das Gute entblößt.

In Deutschland nutzten Musliminnen unter „#MuslimahPride“ die sozialen Netzwerke, auf denen sie ihre organisierte Antwort auf Femen koordinierten. So wurde am Freitag, den 5. April, ein Gegen-Happening vor derselben Moschee veranstaltet, auf denen muslimische Aktivistinnen darauf aufmerksam machten, dass sie sich von den ukranischen Medienlieblingen alles andere vertreten fühlen.

„Gestern hat eine kleine Gruppe von FEMEN-Aktivistinnen vor der Berliner Ahmadiyya Moschee gegen die 'Unterdrückung der muslimischen Frau' demonstriert. Das finden wir insofern stark, als dass wir auch gegen Unterdrückung sind. Wir sind nur ein wenig eingeschnappt, dass die Party ohne uns stieg. (…) Gegen die BEVORMUNDUNG der muslimischen Frau“, postete das spontane Bündnis auf Facebook. Auf den Bilder finden sich Slogans wie „There is more than one way to be free“ oder „Islam is my choice“.

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Im gleichen Zeitraum wie die Frauen in Deutschland formierte sich international eine ähnliche Gruppe auf Facebook: Muslim Women against FEMEN. Sie möchte dokumentieren, dass die Aggro-Demonstrantinnen weder in ihrem Namen sprechen können, noch dass Femen überhaupt ein echtes Interesse am Leid muslimischer Frauen habe, berichtete das englischsprachige online-Medium „Huffington Post“. „Wäre es da nicht“, fragte eine Frau, „auch angebracht, gegen den tausendfachen Mord an syrischen Frauen und Mädchen zu protestieren?“

„Femen hat unsere Stimme gestohlen“ und „Femen, ich bin eine starke Frau. Sehe ich so aus, als würde ich Imperialisten brauchen, die mich von Unterdrückung befreien?“, hieß es beispielsweise auf den Plakaten, mit denen Frauen sich unter #MuslimahPride in aller Welt ablichten ließen. Die US-amerikanische Aktivisten Ilana Allazeh sagte „Huffington Post“, dass sie unter anderem den stereotypen Gebrauch von Bilder wie Turbanen und Bärten kritisiere. Für sie sei die Vorstellung eines „Internationalen Tages des barbusigen Dschihad“ rassistisch und beleidige muslimische Frauen.

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Dass Femen – wie bei anderen Aktionen gegen die Objekte ihrer Kritik – nicht an einem Dialog gelegen zu sein scheint, lässt sich auch aus der Reaktion der Femen-Führerin Schewtschenko ablesen. Ihr Kommentar auf Muslim Women against Femen war eher einfach gestrickt: „Die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch haben alle Sklaven geleugnet, dass sie Sklaven sind.“ Eine echte Begegnung zwischen Aggro-Feministinnen und muslimischen Frauen muss wohl auf später verschoben werden. (lm/ak)

Link zur Facebook-Seite der deutschen Aktivistinnen.

Die IZ wird die Aktionen der muslimischen Frauen in den nächsten Wochen mit weiteren Beiträgen verfolgen.

Trotz ausländischen Beobachtern steigen Opferzahlen dramatisch an. Ein Kommentar von Sulaiman Wilms

(iz). Syrien und sein Sturz in die Barbarei ist das Ende einer Ära in der arabischen Welt. Es steht für das Scheitern des erfolglosen arabi­schen Modernismus und seines Totali­tarismus. Es […]

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Interview: Der Journalist Nabil Chbib analysiert die aktuelle Lage in Ägypten und der arabischen Welt

(iz). Nabil Chbib ist freier Journalist und arbeitete früher für die Deutsche Welle. Im Zuge der jüngsten Entwicklungen in Ägypten ist er unter anderem als Experte im Rahmen der Berichterstattung […]

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