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Antisemitische Taten bei jeder dritten jüdischen Gemeinde

Antisemitisch

Antisemitische Taten: Seit dem 7. Oktober kommen viele JüdInnen nicht zur Ruhe. Eine Umfrage des Zentralrats fällt zwiespältig aus.

Berlin (dpa). Drohungen, Beleidigungen, Schmierereien: Jede dritte jüdische Gemeinde in Deutschland hat einer Umfrage zufolge in den vergangenen Wochen antisemitische Attacken erlebt.

Unisono sei psychischer Druck über Drohanrufe und Drohmails angegeben worden, erklärte der Zentralrat der Juden am 6. Dezember. „Das sind erschütternde Berichte“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Foto: Adobe Stock, Marcus Klepper

Antisemitische Taten: Umfrage nach dem 7. Oktober

Der Zentralrat hatte die jüdischen Gemeinden in Deutschland vom 20. bis 30. November online nach Auswirkungen des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und der israelischen Gegenoffensive seit dem 7. Oktober gefragt. Laut Zentralrat beteiligten sich Führungspersonen von 98 der 105 Gemeinden.

Fast 80 Prozent gaben demnach an, es sei seit dem 7. Oktober unsicherer geworden, in Deutschland als Jude zu leben und sich so zu zeigen. Leidtragende seien vor allem jüdische Senioren, Familien mit Kindern und Jugendliche.

Zugleich seien aber 96 Prozent der befragten Gemeinden zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. „Die Ambivalenz der Ergebnisse ist in dieser Form eine wirkliche Neuigkeit und eine wichtige Erkenntnis“, sagte Schuster.

Foto: Thomas Lohnes | Zentralrat der Juden in Deutschland

Schuster zeigt sich „enttäuscht“

In einem Interview der „Zeit“ äußerte sich der Zentralratspräsident enttäuscht, dass viele in Deutschland gegenüber Antisemitismus gleichgültig seien. „Ungefähr 20 Prozent der deutschen Bevölkerung haben antijüdische Vorurteile“, sagte Schuster. „Das heißt: Die Mehrheit denkt nicht so.“

Aber wenn die Hamas einen Tag des Zorns ausrufe und Eltern Angst hätten, ihre Kinder in jüdische Kindergärten oder zum Sport zu schicken, dann sei das vielen egal. „Sie denken nichts. Sie sagen nichts. Der Hass auf uns berührt sie nicht. Dieses Schweigen ist bitter.“

Seit dem Hamas-Angriff sehe er mit Blick auf Antisemitismus „tatsächlich mehr Probleme in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus der arabischen und aus der türkischen Welt“, sagte Schuster. Zudem erlebe man antisemitische Äußerungen und Aktionen auch verstärkt aus linken und akademischen Kreisen.

„Die Bedrohung aus dem rechtsextremen Lager ist nicht verschwunden“, sagte Schuster. „Nur haben die anderen gerade die lautere Stimme. Das benenne ich, weil es uns tangiert. Wir wollen frei leben in Deutschland, in unserem Land.“

UEM muslimfeindlichkeit

Foto: CLAIM Allianz, Twitter

Auch MuslimInnen berichteten von gestiegenen Übergriffen

Von einer gestiegenen Zahl von Übergriffen, Beleidigungen, Drohungen und Diskriminierungen berichten ihrerseits auch Muslime in Deutschland. 187 Fälle dokumentierte nach eigenen Angaben die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit Claim vom 9. Oktober bis 29. November.

Darunter seien 149 Angriffe gegen Einzelpersonen oder Gruppen wie Familien im öffentlichen Raum. 24 Übergriffe hätten sich gegen religiöse Einrichtungen gerichtet, darunter die Schändung von muslimischen Grabmälern und Angriffe auf Moscheen.

Als Beispiel nannte Claim eine Schülerin in Berlin, die wegen einer Kette mit der Aufschrift „Allah“ von Mitschülerinnen körperlich angegriffen worden sei. Ebenfalls in Berlin sei ein Mann, der als Muslim betrachtet worden sei, beim Verlassen eines Busses als Terrorist beschimpft und auf den Kopf geschlagen worden.

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Zur Zukunft der muslimischen Selbstorganisation: Muslimische Zusammenschlüsse auf der Landesebene tragen wichtige Elemente der Gemeindearbeit

Norbert Müller ist 52 Jahre alt. Er arbeitet im Hauptberuf als Rechtsanwalt. Engagiert aktiv ist er als Vorstandsmitglied bei der SCHURA Hamburg. Müller war unter anderem Mitglied der Verhandlungskommission, die […]

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Der neue Vorsitzende des Islamrats, Burhan Kesici, steht vor zahlreichen Aufgaben. Von Malik Özkan

„Unter den Muslimen in Deutschland war Kizilkaya wegen seiner bescheidenen Art und eher stillen Amtsführung beliebt, die durchaus als Gegenmodell zur einer zu offensiven Medienarbeit verstanden wurde.“

Köln (iz). Burhan Kesici (42) ist der neue Vorsitzende des ältesten Spitzendachverbands der Muslime in Deutschland. Er löst damit Ali Kizilkaya (52) ab, der nach 13 Jahren nicht mehr kandidiert hatte. Kesici ist vor allem Berliner Muslimen ein Begriff und auch Vizepräsident der Islamischen Föderation Berlin.

Der aus Berlin stammende Kesici studierte dort Politikwissenschaften. Danach wurde er Mitglied und später Vizepräsident der Islamischen Föderation Berlin. Er gehört auch dem von der nordrhein-westfälischen Landesregierung berufenen Beirat für islamischen Religionsunterricht an und unterrichtet das Fach selbst in Berlin. In verschiedenen Fernsehauftritten hat Kesici schon bewiesen, dass er sachlich und klug argumentieren kann.

Ali Kizilakya hatte über ein Jahrzehnt lang die Geschicke des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland geleitet. Unter den Muslimen in Deutschland war Kizilkaya wegen seiner bescheidenen Art und eher stillen Amtsführung beliebt, die durchaus als Gegenmodell zur einer zu offensiven Medienarbeit verstanden wurde. Seine Position war nicht immer leicht; lange Zeit war der Islamrat und sein Vorsitzender, trotz persönlich einwandfreier Integrität, wegen seiner Nähe zur oft kritisierten Milli Görüs (IGMG) in der Öffentlichkeit eher verfemt. Der Kölner Verband ist das weitaus größte Mitglied des Islamrats.

Erst in den letzten Jahren hat sich das Bild langsam verändert und Kizilkaya wurde als verlässlicher Dialogpartner stärker wahrgenommen. Er musst allerdings immer wieder gegen eine fragwürdige Assoziationslogik ankämpfen, die ihn in die Nähe eines der Milli Görüs immer wieder pauschal unterstellten Antisemitismus oder angeblicher Demokratiefeindlichkeit brachte. In der Logik von so genannten konservativ-organisierten gegen liberal-individuellen Muslime hatte er auch bei vielen Medien nicht immer einen leichten Stand.

Der Islamrat wurde 1986 gegründet und hat ein großes Potential. Ihm gehören etwa 37 Mitgliedsvereine mit schätzungsweise rund 150.000 Mitgliedern an. Viele der Mitgliedsorganisationen agieren im Umfeld des größten Mitgliedsverband, der IGMG. Der Islamrat ist auch Mitglied des im März 2007 gegründeten Koordinierungsrats der Muslime (KRM). In der öffentlichen Wahrnehmung ist der große Islamrat allerdings deutlich weniger präsent als der kleinere Zentralrat der Muslime.

Für den neuen Vorsitzenden Kesici dürften die anstehenden Aufgaben durchaus vielfältig werden. Es geht in erster Linie um ein neues, klares Profil des Verbandes. Er selbst erklärte nach seiner Wahl, für den Verband habe Priorität, den Dialog und die Einheit unter den islamischen Verbänden zu fördern. In den letzten Monaten war der Koordinationsrat allerdings nicht sehr einheitlich aufgetreten. Wie genau die künftig „Einheit der Muslime“ aussehen soll und wie er die Rolle des ZMD und der DITIB im KRM sieht, blieb noch offen.  

Der Islamrat solle sich, jedenfalls nach dem Willen Burhan Kesicis, auch künftig konstruktiv an der Deutschen Islamkonferenz beteiligen und sich der gesellschaftlichen Themen im Zusammenhang mit dem Islam annehmen. Darüber hinaus muss er sicherlich auch die ethnische Vielfalt und Offenheit des Verbandes stärken und auch dem Eindruck entgegenwirken, der Verband sei als Dachverband nicht wirklich eigenständig.

Viele Mitglieder erwarten von dem neuen Vorsitzenden einerseits eine klare Positionierung in Deutschland, ohne andererseits die traditionellen Verbindungen zur Türkei zu verleugnen.

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Vorsitzender des Zentralrats der Muslime für Islamgesetz nach österreichischem Vorbild

BONN (KNA). Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) unterstützt ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild, um den Umgang mit Muslimen umfassend zu regeln. „Wir brauchen so eine Richtung in Deutschland, um wieder Normalität und Selbstverständlichkeit in der muslimischen Community herzustellen“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek in einem Phoenix-Interview. Der Fernsehsender strahlt das Gespräch am Sonntag um 13.00 Uhr aus.

Mazyek nannte es legitim, dass sich Religionsgemeinschaften selbst finanzieren und Imame im Inland ausgebildet werden sollen. Zugleich forderte er, auf einen in der Debatte mitschwingenden „Misstrauensdiskurs“ zu verzichten. Ein Islamgesetz sei nicht dazu gedacht, die Muslime „an die Kandare“ zu nehmen, so der ZMD-Vorsitzende.

Das am Mittwoch im Wiener Parlament verabschiedete Gesetz sieht unter anderem vor, dass islamische Gemeinden nicht mehr aus dem Ausland finanziert werden dürfen. Vom Ausland bezahlte Imame dürfen in der Alpenrepublik zudem nicht mehr predigen.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, lehnte am Donnerstag ein eigenes Islamgesetz für Deutschland ab, auch wenn einzelne in den österreichischen Vorgaben enthaltene Forderungen wie ein universitärer Ausbau islamischer Theologie oder die Ausbildung von Imamen in Deutschland sinnvoll seien.

Am Freitag setzten hunderte Moscheen ein deutliches Zeichen

„Natürlich wird es von muslimischer Seite nicht genügen, sich medial als ‘die Guten’ zu inszenieren. Auch innermuslimisch gilt es, die Debatte über die unheimliche Hochzeit von Muslimen mit den Abgründen moderner Ideologie weiter fortzuführen.

Berlin (iz). Die Arbeit der muslimischen Verbände in Deutschland wird immer wieder kritisiert. „Sie seien zu phlegmatisch, je nach Sicht zu konservativ oder zu liberal und noch immer an ethnischen Trennlinien orientiert“, heißt es dann. Am Freitag erleben wir nun auch eine andere Seite.

Unter Regie des Koordinationsrates der Muslime (KRM) und nicht zuletzt Dank des Einsatzes des sehr präsenten Zentralratsvorsitzenden, Aiman Mazyek, wollen hunderte Moscheen in Deutschland ein deutliches Zeichen gegen den IS-Terror setzen. Ohne einen bestimmten Grat von Organisation geht so etwas nicht. Auch die Teilnahme prominenter Politiker zeigt, dass auch das politische Leben der Bundesrepublik den Impuls aufnimmt und parteiübergreifend keine Ausgrenzung von Muslimen oder gar eine feindliche Stimmung gegen sie will.

Natürlich hat das Projekt auch eine heikle Seite. Ob die De-Assoziierung tatsächlich gelingt oder im schlimmsten Fall die Assoziierung der Muslime mit Gewalt und Terror gerade zementiert wird, kann noch niemand genau vorhersagen. Wer mit jungen, hier in Deutschland geborenen Muslimen spricht, erfährt schnell, dass der Druck der Bilder auf sie täglich zunimmt. Erwartet werden von Ihnen Aussagen der Distanzierung von einem Phänomen, mit dem 99,9 Prozent der hier gebürtigen Muslime de facto wenig zu tun haben. Die Macht der Bilder verbindet die Gewalt mit Symbolen des Islam. Viele junge Leute fühlen sich ohnmächtig, manchmal auch überfordert, sich für Taten rechtfertigen zu müssen, die jenseits ihres Horizonts liegen.

//2//Gewiss ist diese Lage auch ein Fest der Assoziationstechniker. Mit Gegnern wie den „IS-Kämpfern“ oder „Scharia-Polizisten“ hat das Feuilleton einen idealen Feind gefunden. Die Tendenz der Argumentation läuft oft genug nach dem beliebten Motto „wir sind so gut, weil sie so böse sind“. Diese Logik, auch in der Form der Überheblichkeit, erleben wir Muslime übrigens auch im alltäglichen Gespräch.

Wir müssen beinahe selbstverständlich kollektive Verantwortung übernehmen, während das Individuum, dass uns stellt, diese genauso selbstverständlich nur für sich selbst übernimmt. Die Machenschaften von Banken, Rüstungs- und Ölfirmen sind von echter Verantwortungsübernahme ojnehin längst ausgeschlossen. Hinzu kommt eine verbreitete Geschichtslosigkeit. Wer erinnert sich beispielsweise noch – in der Atmosphäre von „Breaking News“ – an den Tod zehntausender Kinder zu Zeiten des UN-Embargos, das über den Irak verhängt wurde?

Natürlich wird es von muslimischer Seite nicht genügen, sich medial als „die Guten“ zu inszenieren. Auch innermuslimisch gilt es, die Debatte über die unheimliche Hochzeit von Muslimen mit den Abgründen moderner Ideologie weiter fortzuführen. Im Fall der Abgrenzung zur maskierten Grausamkeit der IS ist dies eher eine leichte Übung, schwieriger wird es schon, den Muslimen die Distanzierung von der Ideologie der Hamas – von ihrem Vernichtungswillen bis zu ihrer totalen Opferbereitschaft – gerade in Krisenzeiten abzuverlangen. Die völlige Ächtung von Selbstmordattentaten und selbstmörderischer Kriegsführung an jedem Ort gehört auf jeden Fall ebenso hierher. Diese Frage ist besonders akut, weil die Sorge der Sicherheitsbehörden vor heimkehrenden, verrohten Radikalen vollkommen berechtigt ist.

Wenn der „perfekte Muslim“ kein isoliertes, rechtloses Individuum ist, sondern ein sozialer und solidarischer Mensch, dann werden die Muslime immer den gemeinsamen Weg bevorzugen und auch gemeinsam den Extremen die Stirn bieten. Nötig für diesen Zusammenhalt ist eine so aktive wie auch überzeugende Lehre, die auch intellektuell die spezifischen Anforderungen unserer Zeit erfüllt. Einerseits heißt dies, die Geschichte der politische Begriffe, die wir heute anwenden, zu verstehen und andererseits die Substanz unsere Rechtslehre, zum Beispiel die Definition, wann legitimer Widerstand zum zynischen Terror wird, zu verbreiten. Hier fehlt es bei dem aktuellen KRM-Programm noch an eindeutigen Positionierungen.

Klar ist: Die Gesellschaft wird auf Dauer nicht nur wissen wollen, gegen wen wir sind, oder was der Islam nicht ist; sondern auch wissen wollen, für was wir stehen. Ohne diese Ergänzung bleibt unsere Realität von Extremisten bestimmt. Eine Lehre, die sich substantiell vom Terror abwendet, wird sich auch genauso engagiert und glaubwürdig für ihre positive Substanz einsetzen müssen. Gerade hier, wenn wir die Ganzheitlichkeit des Islam betonen und damit gerade seine völlige Politisierung der letzten Jahrzehnte ablehnen (man denke nur an das Islamische Wirtschafts- oder Stiftungsrecht), ergibt sich auch eine andere Aktualität. Nur dann bleibt für uns Muslime auf Dauer nicht nur die reaktive Rolle.

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DML-Vorsitzender Mohammed Belal El-Mogaddedi: „Die Diskussion wird verengt geführt“

„Viel wichtiger ist jedoch, wie wir Muslime in der Zukunft als integraler Teil Deutschlands nach innen und in Kooperation mit unseren Partnern in der Politik nach außen den Herausforderungen der […]

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Debatte: Ramadan erinnert auch an unsere Gemeinsamkeiten

(iz). Kurz vor Ramadanbeginn hören wir Muslime immer wieder präsidial klingende Aufrufe nach mehr Geschwisterlichkeit; wir sollen das Konkurrenzdenken überwinden und unseren Idealen folgen. Natürlich sind diese Deklarationen gut gemeinte Denkanstöße, vor allem wenn, wir uns dabei an das berühmte Bild der Offenbarung erinnern: Die Welt ist ein Spiegel.

Unsere eigenen Organisationsformen sind es, die wir zunächst prüfen müssen. „Geht es uns nur egozentrisch um Machtsteigerung oder um den Dienst an der Gemeinschaft, die Förderung echter Geschwisterlichkeit?“, heißt zunächst die allgemeine Prüfformel an uns selbst.

Neben der allgemeinen Rhetorik ergeben sich in erster Linie aus dem Islam wichtige Kriterien. Sie sind übrigens durchaus nachprüfbar. So überwindet der Islam die dauerhafte Ausrichtung an bestimmten Ethnien und propagiert dagegen eine offene, geschwisterliche Gemeinschaft, die für jeden, der Dienst an der Gemeinschaft leisten will, gleich zugänglich ist. Der Islam bevorzugt eindeutig das Modell von Stiftungen; auch weil sie der politischen Kontrolle und ­Dominanz einer Elite entzogen sind und sich so selbstlos wie zuverlässig über Generationen hinweg anerkannten Zwecken und Zielen ­widmet.

Nicht zuletzt ist es die Zakat, die uns auf besondere Weise geschwisterliche Solidarität auferlegt. Sie wird lokal erhoben, verteilt und schafft so sozialen Zusammenhalt. Echte Transparenz ergibt sich dabei aus den dezentralen Verteilungsmechanismen, die vor unseren Augen ablaufen.

Brüderlichkeit heißt also auch, dass wir bei berechtigter Kritik nicht weinerlich sind, sondern uns den nachvollziehbaren Argumenten der Anderen stellen. Zur Koordination der unterschiedlichen Beiträge sind heute Initiativen einer muslimischen Zivilgesellschaft willkommen, die – gewissermaßen zum Ausgleich der „von oben nach unten“-Hierarchie – wirklich basisdemokratisch „von unten nach oben“ agieren und von keinem bestimmten Verband dominiert werden.

Dass wir Muslime „parteiübergreifend“ zu gemeinsamen Handeln durchaus fähig sind, zeigen unsere Hilfsaktionen – wie unlängst bei der Flutkatastrophe in Bosnien. Im Ramadan sollten wir uns also Zeit nehmen – neben dem konstruktiven Streit um die Sache –, die eigenen Grundlagen, aber auch Gemeinsamkeiten unserer Rechtsschulen, wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. (Von Abu Bakr Rieger)

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Die Überwindung der alten Gegensätze hat begonnen

(iz). Wie organisieren sich Muslime eigentlich? In der jüngeren Geschichte ist die Antwort klar. Die meisten Moscheegemeinden sind heute eingetragene Vereine, oft eingebunden in große, zentral agierende Dachverbände. Die Organisationen […]

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Muslimische Verbände drängen auf Doppelstaatsbürgerschaft

Berlin (KNA). Muslimische Verbände in Deutschland drängen auf die generelle Ermöglichung einer doppelten Staatsbürgerschaft. Sie sei ein wichtiges identitätsstiftendes und damit integrativ wirkendes Signal, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Ayman Mazyek, der Tageszeitung «Die Welt» (Onlineausgabe Samstag). Das derzeit gültige Optionsmodell, bei dem sich Jugendliche mit Vollendung des 18. Lebensjahres entscheiden müssen, sollte ganz abgeschafft werden, sagte Mazyek.

Dies hält auch der Islamratsvorsitzende Ali Kizilkaya «für wünschenswert». Gerade für aus der Türkei stammende Bürger sei die doppelte Staatsbürgerschaft von großer Bedeutung, sagte er der Zeitung. «Die Türkei ist ein Teil ihrer Kultur, Deutschland ist ihre neue Heimat», so Kizilkaya. Mit dem «Doppelpass» müssten sie sich nicht für das eine oder andere entscheiden, sondern könnten ihre «Ursprungsheimat mit der neuen Heimat verbinden». Die Menschen wüssten ihre neue Heimat zu schätzen, das werde «ganz sicher nicht weniger, wenn sie einen Pass besitzen, der ihre Abstammung dokumentiert».

Kizilkaya und Mazyek erhoffen sich von der doppelten Staatsbürgerschaft auch eine positive Wirkung für die deutsch-türkischen Beziehungen. «Wenn man sich mit beiden Staaten identifiziert, hat man ein größeres Interesse daran, dass beide Staaten ein gutes Verhältnis miteinander pflegen», meinte Kizilkaya.

Neues Konzept zur Islamkonferenz bis Mitte März

Berlin (KNA). Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will bis Mitte März ein Konzept zur Fortsetzung der Islamkonferenz vorlegen. Das kündigte der Minister am Montag in Berlin nach einem ersten Gespräch mit Vertretern muslimischer Verbände an. Bei der Unterredung habe man sich auf Inhalte konzentriert „und gemeinsam diskutiert, wie wir unseren Dialog ergebnisorientiert und nach vorne schauend fortsetzen können“, sagte der Minister. Die Gespräche würden in den kommenden Wochen fortgesetzt, um sich über Ziele, Themen, Struktur und Aufbau der Konferenz verständigen.

Nach Angaben des Ministeriums nahmen sieben Verbände an dem Treffen teil, darunter die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigte sich nach dem Gespräch optimistisch. „Heute haben wir tatsächlich ergebnisoffen, auch formatsoffen und inhaltsoffen gesprochen“, sagte Mazyek der Deutschen Welle. Es gehe darum, den Islam als Teil der Gesellschaft in Deutschland zu verstehen.

Nach Ansicht des Wissenschaftlers Bülent Ucar sollte bei einer Neuausrichtung die gleichberechtigte Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Mittelpunkt stehen. „Weil diese Frage auf Landesebene zu klären ist, müssen die Bundesländer viel stärker in die Islamkonferenz einbezogen werden“, sagte der Direktor des Instituts für islamische Theologie an der Universität Osnabrück der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag). Nur durch eine rechtliche Gleichstellung der islamischen Gemeinden mit anderen anerkannten Religionsgemeinschaften in Deutschland lasse sich ein Dialog auf Augenhöhe führen.

Ucar lobte zugleich die Initiative de Maizieres, auf die islamischen Verbände zuzugehen und den Austausch zu suchen. Er appellierte an die Verbände, die sich in der Vergangenheit aus der Islamkonferenz zurückgezogen hatten, sich auf einen erneuten Dialog einzulassen. „Besonders wichtig ist es, dass der Islamrat und der Zentralrat der Muslime an der nächsten Islamkonferenz teilnehmen“, sagte der Islamwissenschaftler. „Diese beiden großen Verbände müssen die Bereitschaft zeigen, mitzuwirken.“

Die Linke bezeichnete unterdessen die Islamkonferenz als Symbolpolitik. Statt ihre gesellschaftliche Anerkennung zu fördern, habe die Konferenz Muslime bislang eher als problematische Gruppe erscheinen lassen, erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Sevim Dagdelen. „Integration ist eine soziale, keine religiöse Frage“, so Dagdelen. Es müsse um die soziale und politische Teilhabe aller hier lebenden Menschen gehen – unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder religiösen Herkunft. Dazu bedürfe es „keiner Konferenzen oder Kommissionen, sondern einer anderen Politik mit praktischen Schritten zu rechtlicher und sozialer Gleichstellung“.