
Taqwa ist ein Schlüssel zur islamischen Lebenspraxis und eine unverzichtbare Eigenschaft. Heutige Übersetzungen wie „Gottesfurcht“ werden ihr kaum gerecht.
(iz). Jede Woche, bei jeder Freitagspredigt, werden die Leute daran erinnert, Taqwa zu haben. Kein besserer Rat könnte einer Frau oder einem Mann gegeben werden.
Denn diese Anweisung Allahs gilt für alle, die jemals auf der Erde gingen. Er sagt in Seinem Edlen Buch: „Und Wir haben bereits denjenigen, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, und euch anbefohlen: Fürchtet Allah!“ (An-Nisa, Sure 4, 131)
Dies ist der erste Befehl, den ein jeder Prophet seinem Volk geben musste. Er edelt den Menschen und erhebt ihn über seine Zeitgenossen. Der Prophet sagte: „Wenn ihr der edelste unter den Menschen sein wollt, habt Taqwa vor Allah.“ Und Allah sagt: „Gewiss, der Geehrteste von euch bei Allah ist der Gottesfürchtigste.“ (Al-Hujurat, Sure 49, 13)
Was aber ist diese Taqwa, auf die so viel Wert gelegt wird? Um welche Eigenschaft handelt es sich dabei? Zumeist wird sie als „Gottesfurcht“ übersetzt. Diese ist tatsächlich ein zentraler Bestandteil.
Aber Furcht vor Allah ist keine paralysierende Angst, sondern ein aktivierender Antrieb. Sie lässt keinerlei Raum für Faulheit oder Untätigkeit. Denn Allah zu fürchten heißt, Ihn zu kennen. Allah sagt hierzu: „Nur diejenigen unter Seinen Dienern mit Wissen fürchten Allah.“ (Fatir, Sure 35, 28)
Kenntnis von unserem Herrn bedeutet, dass wir Ihn durch Seine Namen und Seine Eigenschaften kennen. Wir wissen, dass Er uns erschaffen hat und uns Rechtleitung und Gesandte schickte.
Wir wissen, dass Er der einzige Richter ist und dass Ihm alle Attribute der Herrschaft gehören sowie die der Gnade und der Schönheit. Bei Ihm ist alle Macht. Er bestimmt, was ist und was sein wird.
Unser Schicksal und unsere letzte Heimstätte liegen in Seinen Händen. Und Er hat keine Verpflichtungen uns gegenüber. Wir können nicht annehmen, dass wir sicher sind und dass uns ein Platz in Seiner Zufriedenheit gewiss ist.
Tatsächlich benötigen wir Furcht (arab. khauf), die durch Hoffnung (arab. raja) balanciert wird. Denn Furcht ohne Hoffnung ist Verzweiflung. Sie lässt uns aufmerksam bleiben, macht uns vorsichtig und achtsam in allem, was wir tun. Menschen, die mit gefährlichen Tieren umgehen, werden bestätigen, dass ein gewisses Maß an permanenter Furcht und Respekt nötig sind. Verliert man sie, wird man rücksichtslos und es kommt zu Unfällen.
Das gilt umso mehr mit einem Herrn, der vollkommene Macht über uns hat. Sobald Nachlässigkeit zuschlägt und wir unsere Furcht verlieren, befinden wir uns in größter Gefahr. Allah sagt in einem Hadith Qudsi:
„Bei Meiner Macht, keiner Meiner Diener wird zwei Befürchtungen oder zwei Gefühle der Sicherheit verbinden. Wenn er Mich in dieser Welt fürchtet, dann lasse Ich ihn sich sicher fühlen am Tag der Auferstehung, aber wenn Er sich vor Mir in dieser Welt sicher fühlt, dann fülle Ich ihn am Tag der Auferstehung mit Furcht an.“
Die einzige Sache, die uns am Erfolg hindert, ist Angst vor der Schöpfung. Sie ist das Gegenteil der Gottesfurcht, denn unser spirituelles Zentrum kann nicht Heimstätte von beidem sein. Und der Mensch kann nicht zwei Herzen in seiner Brust haben.
Daher sollten wir Taqwa wählen. Die Furcht, die zu Handlungen führt. Sie veranlasst eine Person, Vorkehrungen zu treffen, und Schritte einzuleiten, die sie und ihre Zukunft schützen.
In einem Gleichnis von ’Umar ibn Al-Khattab heißt es, das Leben sei ein Pfad voller Brombeersträucher und Dornen. Um zu verhindern, dass sie uns kratzen oder die Kleidung aufreißen, sollten wir gewissenhaft gehen und unsere Hosenbeine aufrollen.
Dieser Akt ist die Essenz der Taqwa. Jene Vorsicht ist es, die wir auf dem Weg von Allah praktizieren müssen. Wir müssen meiden, was Ihm missfällt, und tun, was Ihm gefällt. Dieser Pfad ist stellvertretend für das Leben. Und so sollte Taqwa unser permanenter Gefährte sein.