Kolumne junge Muslime in Deutschland: Tischgespräche

Tisch Kaffee
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Am Tisch zu sitzen und sich auszutauschen, ist die Aktivität derer, die größer als bloß individualistisch denken.

(iz). „Dein Tee wird kalt.“, das ist einer der häufigsten Sätze, die wir hören. Oder wir hören den Satz: „Dein Kaffee wird kalt.“ Warum ertönen diese Sätze so häufig? Weil Hölderlin: „Doch gut Ist ein Gespräch und zu sagen Des Herzens Meinung, zu hören viel Von Tagen der Lieb, Und Taten, welche geschehen.“

Deshalb werden unser Tee und Kaffee kalt. Entweder reden wir über große Ideen, über Menschen, welche die Geschichte prägten, über Poesie, Kunst und ihre Bedeutung und Wirkung, ein Kunstwerk, das uns inspirieren, oder wir besprechen Aktivitäten und bereiten die Gestaltung der Zukunft in der Gegenwart vor.

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Das Tischgespräch überwindet bloßen Individualismus

Am Tisch zu sitzen und sich auszutauschen, ist die Aktivität derer, die größer als bloß individualistisch denken. Manchmal überkommt uns Ablenkung, wenn wir an kleingeistigen Gesprächen teilnehmen müssen. Immer wieder dieselben Themen. Statt bloß über das Wetter zu sprechen, können wir über die Wirkung des Wetters auf das Gemüt sprechen.

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Statt über Uneinigkeit der Muslime zu lamentieren, können wir darüber sprechen, was wir denn selbst zur Einheit beitragen; wir haben es uns bequem gemacht.

Manche Ältere sitzen da, schwelgen in einer angeblich besseren Vergangenheit, aber kennen die Geschichte nicht und welche Kapitel der Geschichte für uns heute relevant sind.

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Manchmal würde ein „Ilmihal“ Zeit sparen

Sie hängen sich manchmal an banalen theologischen Fragen auf, sodass uns die Lust vergeht, daran teilzunehmen. Ein „Ilmihal“ würde Fragen manchmal beantworten, aber einige sind zu sehr im eigenen Kosmos, der auch noch als Islam verstanden wird.

Versteht uns als junge Generation bitte nicht falsch: Wir achten und respektieren unsere Älteren, wir sagen ihnen nicht ins Gesicht, dass wir gelangweilt sind von unzeitgemäßen Gesprächsthemen. Wir achten sie. Doch zu viel Zeit in angeblicher Familienbande verbracht, hindert große Ideen und Aktivitäten in ihrer Entstehung.

Jeder kann dies gerne zum Mittelpunkt seines Lebens machen, doch es von anderen ebenfalls zu verlangen, so zu leben, wie man es selbst tut und dies mit großer Selbstsicherheit als Islam zu bezeichnen, das ist ein Irrtum. Und er behindert eine aktive und bewusste Gestaltung der Zukunft.

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Was heißt es, gelebt zu haben?

Vielleicht sollten wir besser fragen, wie es der brillante Lenz tat:

„Wir werden geboren – unsere Eltern geben uns Brot und Kleid – unsere Lehrer drücken in unser Hirn Worte, Sprachen, Wissenschaften – irgend ein artiges Mädchen drückt in unser Herz den Wunsch es eigen zu besitzen, es in unsere Arme als unser Eigentum zu schließen (…) wir drehen uns eine Zeitlang in diesem Platz herum wie die andern Räder und stoßen und treiben – bis wir wenn’s noch so ordentlich geht abgestumpft sind und zuletzt wieder einem neuen Rade Platz machen müssen – das ist, meine Herren! ohne Ruhm zu melden unsere Biographie (…)

Aber heißt das gelebt? heißt das seine Existenz gefühlt, seine selbstständige Existenz, den Funken von Gott?“ – Ein Tee und Kaffee sind da, damit wir sprechen, um unser Herz zu verändern. Wir leben, „damit das Spiel der Mächte weiter besteht” und wir unseren „Vers dazu beitragen“.