Treibt AfD die Union vor sich her?

Foto: Olaf Kosinsky / Skillshare.eu | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Berlin (KNA). Mit ihrem am ersten Maiwochenende auf dem Parteitag in Stuttgart verabschiedeten Grundsatzprogramm hat die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) eine Debatte über die Rolle von Religion entfacht. Der Zentralrat der Muslime sprach mit Blick auf den ins Programm aufgenommenen Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ von demagogischen Tendenzen. Derartige Parolen lösten keine Probleme, sondern spalteten das Land, sagte der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Führende Politiker der Partei verteidigten das Programm. Der stellvertretende Bundesvorstandssprecher Alexander Gauland bezeichnete die Kritik des Zentralrats der Muslime im Deutschlandfunk als pure Verleumdung. Die Beschlüsse richteten sich nicht gegen einzelne Muslime, sondern gegen politische Ansprüche des Islam. „Wir wollen nicht, dass die Scharia die Regeln für das Zusammenleben vorgibt.“
Gauland rechtfertigte auch die geforderten Verbote von Minaretten und Muezzinrufen: Sie seien Ausdruck des Herrschaftswillens des Islam. „Es muss doch möglich sein, eine Religion so auszuüben, wie wir das seit Jahrhunderten von Kirchen gewohnt sind“, sagte er. Bestehende Minarette, die rechtlich genehmigt worden seien, sollten aber bestehen bleiben.
Mit Blick auf die Kritik des Zentralrats der Juden sagte Gauland: „Das jüdische Leben in Deutschland wird von uns begrüßt und geschützt“. Das von der AfD geforderte Schächtverbot verteidigte er. Das Schächten gehöre anders als die Beschneidung nicht zentral zur jüdischen Religion.
Meuthen vermutet Gewaltnähe
Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen hat den Islam als „die tendenziell gewaltaffinste Religion“ bezeichnet. Bei einem Streitgespräch in einer Moschee im schwäbischen Weil der Stadt betonte er laut dem Magazin „Focus“, dass er die fünf Millionen in Deutschland lebenden Muslime für „überwiegend absolut friedliche Menschen“ halte. Der Islam aber sei „durch und durch politisch“.
Meuthen bekräftigte laut „Focus“ zudem die Forderung der AfD, unter anderem den Bau von Minaretten und den Ruf des Muezzin zu verbieten. „Ich persönlich habe kein Problem mit dem Minarett“, so der Politiker. Dafür aber mit dem Muezzinruf: „Ich bin ein konservativer Christenmensch. Und ich möchte, dass meine Kinder das Geräusch von Kirchenglocken als den normalen Grundsound sakraler Töne vernehmen. Und nicht den Ruf des Muezzin, fünf Mal am Tag.“ Die AfD wolle „ein friedliches Miteinander aller hier existierenden Religionen – aber in einem Deutschland, das sich zu seinem christlich-abendländischen Kern bekennt“. Die dominante Religion müsse das Christentum bleiben.
Kritik aus der Politik
Nach dem Programmparteitag der AfD haben Politiker von Union, SPD und Grünen den Kurs der rechtspopulistischen Partei scharf kritisiert. Als „Angriff auf fast alle Religionen“ bezeichnete der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Armin Laschet, die religionspolitischen Beschlüsse der AfD. Im ARD-Morgenmagazin erklärte der Politiker am Montag: „Vier, fünf Millionen Muslime leben im Land. Insofern weiß jeder, sie sind Teil dieser Gesellschaft.“
Nach den Worten von Laschet will die AfD den christlichen Religionsunterricht in seiner heutigen Form abschaffen. „Sie haben andere Regeln, die Juden und Muslime betreffen. Sie haben quasi den Islam als Fremdkörper in Deutschland bezeichnet und gesagt, der gehört nicht in diese Gesellschaft. Und das spaltet, und das muss gerade eine christdemokratische Partei, für die der Glaube eine gewisse Bedeutung hat, aufschrecken.“
Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) erklärte im Deutschlandfunk, die Afd sei eine Angstmacherpartei. Ihre Aussagen zum Islam seien brandgefährlich. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete das Grundsatzprogramm der AfD als „reaktionär“ und die Haltung der Partei zum Islam als „irrsinnig“. Der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ sagte sie: „Die AfD hat sich ein tief reaktionäres Programm gegeben und betreibt mit Rassismus und Islamfeindlichkeit eine Spaltung unserer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft.“
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf der AfD in der Zeitung „Die Welt“ plumpen Populismus vor. Die Partei sei gegen den Islam, den Euro, die EU, bleibe konstruktive Vorschläge aber weitgehend schuldig. SPD-Vize Ralf Stegner bezeichnete die AfD als „zerstrittene und wirre Rechtsaußen-Partei“. „Ihr Prinzip ist es, Sündenböcke zu benennen, aber keine Lösungen anzubieten.“
Gibt sich CDU beeindruckt?
Unterdessen überlegt die CDU offenbar, verstärkt auf konservative Wähler zuzugehen. Laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung vom 3. Mai regte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Präsidiumssitzung vor diesem Hintergrund auch eine neue Strategie im Umgang mit der AfD an. Es sei nicht sinnvoll, auf die Partei und ihre Wähler immer weiter einzuprügeln. Das schaffe nur Solidarisierungseffekte.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach begrüßte in der „Saarbrücker Zeitung“ vom 4. Mai den Ansatz Merkels. Der bisherige Kurs sei, „zurückhaltend formuliert“, nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Stattdessen müsse die AfD nun in der politischen Debatte gestellt werden. „Nur so wird deutlich, dass sie zwar Probleme beschreibt, aber keinerlei Kompetenz zur Problemlösung hat.“
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet im TV-Sender Phoenix. Ein Kurswechsel sei dafür allerdings nicht nötig, betonte Laschet. „Wir würden ja unsere Grundsätze, unsere europäische Orientierung verraten.“ Der religionspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), bekräftigte im Deutschlandfunk, dass die CDU weiter für die Religionsfreiheit einstehen werde. (sw)

Ein Kommentar zu “Treibt AfD die Union vor sich her?

  1. Ich teile die Auffassung von Wolfang Bosbach nicht, dass die AfD Probleme beschreibe. Meiner Meinung nach erfindet sie Probleme. Tatsächlich sind Frauen, die Burka tragen auf Deutschlands Straßen wohl kaum ein Problem. Eben sowenig sollten Minarette oder Gebetsrufe ein Problem sein. Sie werden lediglich von Populisten zu Problemen gemacht. Und das schürt natürlich auch Ängste bei den Menschen. Die wahrscheinliche Strategie der CDU (aber auch der SPD) wird wohl sein, dass sie Wähler dadurch zu gewinnen sucht, in dasselbe Horn zu blasen, wie die AfD, anstatt die Ängste aufzugreifen und aufzuzeigen, dass diese unbegründet sind.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.