Das Militärabkommen, das die Türkei und Katar im vergangenen Dezember unterzeichnet haben, birgt hinsichtlich seiner Konstitution bedeutungsschwere Implikationen symbolischer, aber auch handfester politischer Art in der Golfregion.
(Eurasianews). Einige Experten glauben, dass die in den letzten Jahren aufflammenden Konflikte in Syrien, Irak, Libyen und Jemen als auch der Aufstieg der Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ die Türkei und die Golfmonarchie zu einem Aneinanderrücken veranlassten.
Dennoch prophezeit die türkische Analystin Menekse Tokyay, dass eine türkische Präsenz am Persischen Golf auch mit Herausforderungen für Ankara einhergehe.
Unabhängig der drohenden Gefahren und Hindernisse einigten sich beide Staaten darauf, Ausbildungserfahrungen auszutauschen, im Bereich der Rüstungsindustrie enger zusammenzuarbeiten und gemeinsame Militärübungen durchzuführen.
Darüber hinaus teilen sich die Türkei und Katar künftig den Zugriff auf Marinehäfen, Flughäfen, Luftraum und Militäreinrichtungen. Teil des Abkommens ist auch eine enge Kooperation der Geheimdienste, im Zuge derer der Austausch von Informationen im Vordergrund stehe.
„Jeder Disput, der in der Umsetzungsphase oder bei der Interpretation des Militärabkommens aufkommen könnte, wird über bilaterale Konsultationen und Verhandlungen gelöst. Nationale oder internationale Gerichte oder Drittparteien sollen aus dem Entscheidungsfindungsprozess ausgeschlossen sein“, geht aus dem auf zehn Jahre abgeschlossenen Abkommen hervor.
Metin Gürcan, Sicherheitsexperte der Bilkent-Universität in Ankara und ehemaliger Offizier türkischer Spezialkräfte, befindet, dass der Rahmen des Abkommens deshalb so robust gewählt wurde, weil es nicht nur eine Reaktion auf die zahlreichen Bürgerkriege im Nahen Osten sei, sondern vor allem eine Antwort auf das potente und immer aggressiver auftretende Durchsetzungsvermögen der Islamischen Republik Iran. Hinzu kommt, dass die wachsende Rolle Chinas am Persischen Golf von den Golfstaaten mit Skepsis betrachtet wird. Ein Abkommen mit der Türkei solle das sich wandelnde Kräfteverhältnis auf Dauer ausbalancieren.
Dem englischsprachigen Nachrichtenportal Al Arabiya teilte Gürcan mit: „Diese Militärallianz wird vor allem Katar ermöglichen, seine Kapazitäten im Bereich der Verteidigungsindustrie auszubauen und den Erfahrungswert der Armee steigern.“
Türkische Ambitionen am Persischen Golf
Im Falle der Türkei scheinen sich die Experten indessen einig zu sein: Der Schritt in Richtung Katar ist Teil der türkischen Ambitionen, in der Region mittels Diplomatie, also Softpower, und des Militärs, also Hardpower, eine bedeutende Rolle zu spielen.
„Die Rückkehr türkischer Soldaten nach Katar, aus dem die osmanische Armee am 19. August 1915 abgezogen war, ein ganzes Jahrhundert später, trägt eine bedeutungsschwere Symbolik für den Machtanspruch der Türkei in sich. Allerdings geht die türkische Armee diese strategischen Schritte zwar konsequent, doch unter Berücksichtigung aller nationalen und internationalen Normen an“, so Gürcan.
Er fügte hinzu, dass es bezeichnend sei, dass türkische Militärschulen in den letzten Jahren immer mehr Studenten aus der Golfregion zu unterrichten begannen – was auf das wachsende regionale Prestige der türkischen Armee schließen lässt.
Die katarische Armee nahm aber auch erstmals am 18. Juni an der von der Türkei organisierten NATO-Übung „Anatolian Eagle“, zu Deutsch: „Anatolischer Adler“, teil. Land-, See- und Luftstreitkräfte aus der Türkei, den Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Pakistan und anderen NATO-Staaten trainierten gemeinsam in der Provinz Konya.
Das designierte Ziel der Übung war es, die Kriegsbereitschaft der Länder zu bewerten und multinationale Zusammenarbeit zu vertiefen.
„Wenn Sie eine Sicherheitskomponente zu den politischen Beziehungen hinzufügen, wird das Bündnis ein langfristiges werden […] Aber sie sollten es vermeiden, sich zu sehr in die jeweilige Innenpolitik des anderen Landes und konfessionelle Konflikte verwickeln zu lassen“, sagte Gürcan.
Mehmet Akif Okur, ein Sicherheitsexperte der Gazi-Universität in Ankara, bringt den lukrativen Exportmarkt als einen weiteren Grund für das Interesse der Türkei an Katar vor. „Die Golfregion ist von signifikanter wirtschaftlicher Bedeutung für die Welt und ihre Region. Zudem ist sie entscheidend für das politische Gleichgewicht. Der Deal wird der Türkei die Möglichkeit geben, ihren Waffenexport in die Region deutlich zu erhöhen“, so Okur.
Allerdings bezeugt auch Okur nicht unbegründete Sorgen über vor Ort herrschende Spannungen, denen sich die türkischen Soldaten dann nicht mehr entziehen können. „Obwohl die Anwesenheit des türkischen Militärs eine zusätzliche Gegenkraft zu den Bedrohungen am Golf sein wird, könnte die Türkei angesichts unvorhergesehener Herausforderungen in diese hineingezogen werden“, führte der Sicherheitsexperte weiter aus.
So wies er auf zahlreiche Grenzstreitigkeiten zwischen Katar und Saudi Arabien hin, aber auch auf die schiitische Minderheit, die zwischen 10 und 15 Prozent der Gesellschaft ausmacht, was ein Sprengpotenzial birgt, das wie in Bahrain oder noch schlimmer im Jemen in gewaltsame Auseinandersetzungen münden könnte.
Die gemeinsamen Interessen zwischen der Türkei und Katar
Michael Stephens, Vorsitzender des „Royal United Services Institute für Verteidigungs- und Sicherheitsstudien“ (RUSI) in Katar, sagte, dass Ankara und Doha durch zahlreiche regionale Interessen vereint werden, darunter insbesondere der Konflikt in Syrien oder die politische Entwicklung in Ägypten.
„Ihre Ansichten treffen sich auch in Libyen, wo sie die Tripolis-Regierung unterstützten. Generell halten beide Parteien nach islamisch-konservativen Akteuren als Vehikel für ihre Interessen in der Region Ausschau“, führte Stephens im Gespräch mit Al Arabiya an.
„Das rührt natürlich daher, dass beide Seiten verstanden haben, dass sie sich in Zeiten der Umbrüche, in der neue Akteure Staatsstrukturen zerstören, gegenseitig unterstützen müssen“, so Stephens weiter.
Letztlich glaube er aber nicht, dass die Türkei und Katar einander bei direkten Angriffen externer Akteure unmittelbar zur Hilfe eilen würden. Aber es sei dennoch ein deutliches Signal politischer und sicherheitspolitischer Solidarität, die sich angesichts der polarisierenden Wirkung des schiitischen Irans auf die Region in der sunnitischen Welt manifestiere.
„Saudi Arabien hat viel Zeit in den Versuch investiert, den bisher fragmentierten sunnitischen Block im Ansatz gegen ein expansives Iran wieder zu vereinen. Sowohl die Türkei als auch Katar bilden einen wesentlichen Teil dieser neuen sunnitischen Achse“, glaubt Stephens.
Die Allianz soll bereits erste Ergebnisse mit sich gebracht haben. Syriens Präsident Bashar al-Assad „ist derzeit auf dem Rückzug“, macht der RUSI-Chef klar. Die Zusammenarbeit zwischen Saudi Arabien, der Türkei und Katar setze den syrischen Präsidenten deutlich unter Druck.
Dieser Artikel erschien am 26 Juni auf dem Fachportal Eurasianews. Das Projekt widmet sich ökonomischen, geostrategischen und politischen Fragen aus dem eurasischen Raum und darüber hinaus. Die Redaktion bedankt sich für die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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