
Am 16. September 2025 stellte die unabhängige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats in Genf fest, dass Israel im Gazastreifen vier von fünf Tatbeständen eines Völkermords gemäß der UN-Konvention erfüllt hat.
(iz/dpa). Die dreiköpfige Kommission unter Leitung von Navi Pillay sieht Anhaltspunkte für gezielte Tötung, schwere körperliche oder seelische Schäden, vorsätzliche Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen sowie Maßnahmen zur Geburtenverhinderung unter Palästinensern.
Der Report macht die israelische Staatsspitze direkt verantwortlich und spricht von einem fortgesetzten Genozid, begangen seit dem 7. Oktober 2023. Die Sitzung und Vorstellung des Berichts fanden in Genf statt.
Navi Pillay ist eine südafrikanische Juristin und Menschenrechtsexpertin indisch-tamilischer Herkunft. Sie war von 2008 bis 2014 Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und zuvor Richterin am Internationalen Strafgerichtshof sowie am Tribunal für Ruanda.
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Untersuchungskommission: Tatbestände belegen Genozid
Israel erkennt wie die USA unter Präsident Donald Trump den UN-Menschenrechtsrat als Autorität nicht an und wirft ihm und seinen Kommissionen grundsätzlich vor, gegen Israel voreingenommen zu sein. Der Rat besteht aus 47 Ländern, die jeweils für drei Jahre von der UN-Generalversammlung gewählt werden.
Die Kommission nannte als Tatbestände: Tötung, schwere körperliche oder seelische Schädigung, vorsätzliche Schaffung von Lebensbedingungen, die auf die vollständige oder teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung abzielen, und Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten. Zivilisten würden getötet, humanitäre Hilfe blockiert, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen systematisch zerstört und religiöse Einrichtungen angegriffen.
Der Bericht bezieht sich auf die Geschehnisse seit dem Terrorangriff der Hamas und anderer Extremisten auf Israel am 7. Oktober 2023.
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Menschenrechtskommission sieht „Vorsatz“
In dem Bericht heißt es weiter: „Es gibt auch indirekte oder Indizienbeweise für einen besonderen Vorsatz (dolus specialis) im Verhaltensmuster der politischen und militärischen Behörden Israels sowie in den Militäroperationen, die unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Beweise die erforderliche spezifische Absicht zur Begehung von Völkermord belegen.“
„Es ist klar, dass es eine Absicht gibt, die Palästinenser zu vernichten“, sagte Vorsitzende. Diese Schlussfolgerung stützt sich laut ihren Angaben auf Aussagen und Verhaltensweisen politischer und militärischer Führungspersonen Israels sowie auf das Muster der Militäraktionen.
Insbesondere die Blockade und die gezielte Zerstörung grundlegender Infrastruktur hätten zu einer von Menschen verursachten Hungersnot in Gaza-Stadt geführt. Ein Bericht der Integrated Food Security Phase Classification zeigt „katastrophale Zustände“, die vollständig reversibel wären.
Israel wird zudem vorgeworfen, keine ernsthaften Ermittlungen gegen eigene Verantwortliche eingeleitet zu haben. Damit sei das Land der Pflicht zur Verhinderung und Bestrafung des Völkermords nicht nachgekommen.
Die Kommission fordert, internationale Waffenlieferungen an Israel einzustellen, solange der Verdacht auf Genozid besteht.
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Was kann der Bericht bedeuten?
Eine Feststellung von Völkermord kann nur durch ein Weltgericht erfolgen, wie auch UN-Menschenrechtsvertreter betonen. Der Report ist jedoch einer der bislang systematischsten Versuche, einen Genozidvorwurf gegen Israel zu argumentieren, und könnte weitreichende politische und juristische Folgen haben.
Der Vorwurf ist weltweit einer der schwerwiegendsten im Völkerrecht und verschärft die Isolation Israels auf diplomatischer Ebene. Internationale Beobachter wie Amnesty und Human Rights Watch hatten bereits zuvor auf Hinweise für einzelne Genozidhandlungen hingewiesen.
Die Kommission sieht in den israelischen Militäraktionen und politischen Strategien im Gazastreifen zentrale Elemente eines Genozids, darunter gezielte Tötungen, schwere körperliche und psychische Schädigungen, Lebensversagen und Maßnahmen gegen Geburten der palästinensischen Bevölkerung. Israel weist diese Vorwürfe entschieden zurück und sieht sich international zunehmend isoliert.
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CARE Deutschland über den Kommissionsbericht
Zum Report der UN-Kommission sagte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von CARE in der Bundesrepublik: „Wir erleben in Gaza eine der schwersten Menschheitskatastrophen unserer Zeit. Gaza ist heute Synonym für menschliches Versagen auf ganzer Linie. Was unsere Kolleg:innen aus Gaza berichten, wurde von den Vereinten Nationen nun als Genozid eingestuft. Wer die Lehren der Geschichte ernst nimmt, muss jetzt den Mut haben, das Unaussprechliche beim Namen zu nennen und Konsequenzen zu ziehen. Im Namen des Völkerrechts und im Namen der Menschlichkeit.“
CARE Deutschland habe den brutalen Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 sowie jegliche Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch die kriegführenden Parteien zutiefst verurteilt. Die Hilfsorganisation fordert die Freilassung sämtlicher Geiseln, die Einhaltung des Völkerrechts durch alle Konfliktparteien, einen dauerhaften Waffenstillstand, den ungehinderten Zugang von humanitärer Hilfe nach und innerhalb von Gaza sowie die Evakuierung von Kranken und Verletzten.