Vor Ort in Kenia helfen

Ausgabe 267

(WEFA). Hatice Sahin hat uns kurz vor ihrer Reise kontaktiert und bat uns um Hilfe. Sie wollte Bedürftigen und Menschen in Not helfen. Ursprünglich wollte sie nur ein afrikanisches Land besuchen, doch nachdem sie ihr Vorhaben auf Instagram teilte, entwickelte sich ihr Reisevorhaben in ein Projekt.
Hatice war einige Wochen in Kenia und innerhalb der ersten 14 Tage wurden mehr als 16.000 Euro an Spenden gesammelt. Mit WEFA hat sie mehrere Projekte verwirklichen können. Wir haben mit ihr über das Projekt und ihre Beweggründe gesprochen.
Frage: Erzählen Sie uns doch zunächst ein wenig über sich selbst.
Hatice Sahin: Ich bin 26 Jahre alt und habe in Koblenz soziale Arbeit studiert. Bis vor Kurzem arbeitete ich in einer Kindertagespflegestätte in Leverkusen. Ich war im Juli für drei Wochen Nairobi und habe mich dort hauptsächlich in einem Waisenhaus in Kibera, welches sich in einem Slum befindet, aufgehalten.
Frage: Was haben Sie dort gemacht? Und warum eigentlich Kenia?
Hatice Sahin: Eigentlich hat das ganze Projekt mit einer Partneragentur in Köln angefangen, aber das hat sich dann doch alles ein wenig verändert. Zu der Frage „Warum Kenia?”. Ich wollte unbedingt nach Afrika und im Juli ist das Wetter in Kenia ein bisschen besser als in Südafrika. Deswegen habe ich mich für Kenia entschieden.
Frage: Was können wir uns unter Ihrer Initiative vorstellen?
Hatice Sahin: Mein Projekt heißt „Insan, insana emanettir“ („der Mensch ist dem Menschen anvertraut“). Bei dem Namen, den ihr auch auf meinem T-Shirt seht, habe ich mich auch ein bisschen von einem Video von Diyanet inspirieren lassen. Da ging es hauptsächlich darum, anderen Menschen zu helfen und darum, dass wir für andere Menschen Verantwortung tragen. Demnach habe ich das schön ausformuliert und meinem Projekt diesen Namen gegeben.
Frage: Sie haben das alles ganz alleine gestartet?
Hatice Sahin: Ja, genau!
Frage: Wie hat Ihre Familie reagiert? 
Hatice Sahin: Viele fragen mich, wie meine Familie dem zustimmen konnte. Für mich war es schwieriger, die Erlaubnis für einen Urlaub einzuholen. Als ich meiner Familie sagte, dass ich unbedingt nach Afrika möchte, zögerte mein Vater keine Sekunde lang und sagte: „Wenn du das machen möchtest, dann mach es.“ Mein Vater hat mir mit seiner Zustimmung den Rücken gestärkt. Meine anfängliche Skepsis schien überwunden, doch nun warteten neue Hürden auf mich. Es wurde nun ernst. Aber mein Vater bestärkte mich in meiner Entscheidung.
Frage: Wann haben Sie das Projekt „Insan insana emanettir” gestartet?
Hatice Sahin: Das Ganze hat mit der Agentur, die ich eben erwähnte, angefangen. Ich habe im Februar meinen Flug gebucht und da war auch alles sicher, aber dann habe ich mal in Google eingegeben, dass ich sehr gerne einen Slum besuchen würde, und bin anschließend auf einen Blogpost von der lieben Katrin gestoßen, die von einer Organisation vor Ort berichtet hat. Ich erfuhr von einer portugiesischen Dame, die dort ihr Waisenhaus gegründet hat. So habe ich dann der Organisation „From Kibera with love” geschrieben, ob sie einen Tag mit mir einen Slum besuchen würden, um mir dort alles zu zeigen, weil ich weiß, dass es alleine nicht so sicher ist. Sie waren so herzlich und haben mir gesagt: „Komm nur und wir zeigen dir alles.“
Ich war neugierig und wollte wissen, ob und welche Kosten auf mich zukommen würden. Als sie sagte, dass sie sich mit einer Spende zufriedengeben würden, wurde mir klar, dass diese Frau ihre Arbeit nicht für Geld, sondern vom Herzen macht.
Infolgedessen kam es dazu, dass ich gefragt habe, ob ich drei Wochen dort im Slum verbringen könne. Da wir Afrika mit Elend und Armut verbinden und die andere Agentur, mit der ich eigentlich die Reise plante, ein kleines Dörfchen als Reiseziel hatte, wo Probleme nicht sehr zu spüren waren, habe ich mich umentschieden. Ich wollte es mir nicht einfach machen, denn es geht auch um die Entwicklung meiner Persönlichkeit. Das Waisenhaus stimmte dem Ganzen auch zu. Ich habe den Zuständigen meinen Lebenslauf geschickt und ihnen von meiner bisherigen Arbeit mit Kindern, meinen Vorstellungen, und was ich mit den Kindern dort machen würde, erzählt. Der Aspekt, wer sie dort besuchen kommt, ist sicherlich nicht unwichtig.
Frage: Sie haben auch mit WEFA einige Projekte gestartet. Wie sehen diese aus?
Hatice Sahin: Mein Anliegen war es, diesen Traum von mir zu erfüllen. Ich wollte, genauso wie ich das in den Medien und auf den Facebook-Seiten mitbekommen habe, nach Afrika reisen, um Nahrungsmittelpakete an Bedürftige zu verteilen. Für eine allein Reisende Frau ist es ziemlich schwierig, Kontakte zu knüpfen, da man niemanden kennt und nicht weiß, wohin genau. Ich habe schon vorher Organisationen durch Facebook angeschrieben sowie die Jamia-Moschee in Kenia kontaktiert. Die sagten: „Wenn du da bist, dann kannst du gerne zu uns kommen, wir werden alles dafür tun, um deinen Hilfsprojekten Unterstützung zu leisten.” Sie hatten somit ihre Hilfe zugesichert.
Mit WEFA werden wir den bereits zweiten Wasserbrunnen bauen. Dann haben wir noch das Adaq/Aqiqa Projekt, und noch so viel mehr, wie wir an Spenden bekommen.
Den Waisenkindern wollten wir eigentlich Kleidung kaufen, doch durch den Ramadan haben wir uns entschieden, Schulbedarf zu kaufen und sie damit zu beschenken. Schließlich ist mein Traum in Erfüllung gegangen: Ich werde Lebensmittelpakete AN Bedürftige verteilen. Meine Motivation, Spenden zu sammeln, wird immer größer. Ich rechnete anfänglich mit 500 Euro und jetzt sind wir schon bei einem Spendenbetrag von 20.000 Euro.
Das Ganze hat sich durch Instagram entwickelt. Dadurch habe ich sehr viele Blogger erreicht. Ich habe viele Flyer mit Informationen erstellt, unter anderem ein Foto von Kindern aus Afrika. Auf dem Foto habe ich den Fotografen markiert. Auch er hat Kontakt mit mir aufgenommen und hat mir angeboten, Fotos von mir im Slum zu machen. Dadurch, dass viele Blogger diese Aktion in ihren „Stories“ und Profilen posteten, haben mir ganz viele Menschen geschrieben. Das ist der entscheidende Punkt: Wenn man A vertraut, dann vertraut man auch B.
Die Gutherzigkeit war da, die gute Absicht. Und dadurch haben wir die ersten 10.000 Euro gesammelt. Da ist so viel Liebe und so viel Überzeugung von allen mit drin. Der eine hat 5 Euro, ein anderer hat 500 Euro gespendet. Das sind Leute, die ich nicht kenne. Es ist auch völlig egal, wie viel man spendet.
Mir war es wichtig, dass jeder ein Teil davon ist und jeder Liebe investiert. Eine große Hilfe kam von Menschen, die es weiter geteilt und darüber gesprochen haben. Mein Anliegen ist, nicht nur den Menschen vor Ort zu helfen, sondern uns selbst, in Deutschland. Leuten hier einfach nur Mut zu geben, dass sie auch ein Hilfsprojekt ins Leben rufen können.
Frage: Was würden Sie den Lesern mitgeben?
Hatice Sahin: Dass sie mutig sein sollen und dass sie ihre Gutherzigkeit nicht verlieren sollen. Dass sie immer so bleiben sollen, wie sie sind. Ich habe wunderschöne Nachrichten bekommen. Ich habe angefangen, Menschen zu lieben, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, alleine wegen einer Nachricht: „Allah’a emanetsin!“(sinngemäße Übersetzung: Gehe mit Gott), oder „Allah senden razi olsun“(sinngemäße Übersetzung: Möge Gott Wohlgefallen an dir haben).
Außerdem möchte ich mich bei meiner besten Freundin Asli dafür bedanken, mich ermutigt zu haben. Denn ich war ein bisschen im Zweifel und habe mir selbst gesagt: „Du fliegst da ganz alleine hin“. Da habe ich nachts ein wenig gegrübelt und mich gefragt, ob ich es wirklich tun soll.
Schließlich haben wir eine Pro- und Contraliste erstellt und die Pro-Liste hat mich natürlich überzeugt. Ich muss dazu sagen, dass meine Familie, meine Mama, mein Papa, vollkommen hinter mir standen. Das hat meine Motivation sehr gesteigert.
Ich denke, dass es sicherlich Menschen gibt, die den anderen um sich herum Motivation geben wollen. Man muss mutig sein und darf andere, die nicht so viel wie wir haben, nicht vergessen.
Die Grundernährung, die für uns selbstverständlich ist, ist für viele ein Traum. Was für uns Normalität ist, stellt für so viele etwas was ganz Besonderes dar. Das sollten wir nicht vergessen. (Interview: Kürsat Kaan Baki)