Zehn Tote bei erneutem Beschuß von UN-Schule im Gazastreifen durch Israel

(junge Welt). Die israelische Armee hat den 23jährigen Leutnant Hadar Goldin für tot erklärt. Er gehörte zu einem Trupp, der am Freitag morgen eine Tunnelanlage in Rafah an der palästinensisch-ägyptischen Grenze zerstören sollte. Dabei waren die Soldaten von einem palästinensischen Kampfverband überrascht worden. Zwei Soldaten wurden offenbar direkt getötet, Goldin galt zunächst als vermißt. Der Vorfall hatte der israelischen Regierung dazu gedient, die vereinbarte Waffenruhe mit der Hamas für beendet zu erklären.

Justizministerin Tzipi Livni beschuldigte die Hamas, Goldin entführt zu haben. Vertreter der Organisation wiesen das zurück. Man habe den Kontakt zu einem Kampfverband verloren, der in dem Gebiet operierte, wo der Soldat vermißt werde, hieß es in einer Stellungnahme der Al-Qassam-Brigaden der Hamas. »Möglich, daß unsere Kämpfer und der Soldat getötet wurden.« Dennoch nahmen die israelischen Streitkräfte den Vorfall zum Anlaß, ihre Angriffe auf den Küstenstreifen wiederaufzunehmen. Allein bis Samstag morgen zerstörte die israelische Armee mehr als 200 Ziele. Besonders hart traf es Rafah.

Hilfskräfte sagten, daß innerhalb von 24 Stunden 110 Menschen getötet wurden. Zehn Mitglieder der Familie Al-Ghul, darunter zwei Neugeborene, starben, als eine Rakete ihr Haus zerstörte. Am Sonntag wurden beim Beschuß einer weiteren UN-Schule nahe Rafah mindestens zehn Menschen getötet, wie der Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums, Aschraf Al-Kidra, mitteilte. Die Schule in Rafah habe rund 3.000 Menschen aufgenommen, die vor dem Krieg geflohen seien, erklärte ­UNRWA-Sprecher Christopher Gunness. Fast eine halbe Million Menschen sind im Gazastreifen auf der Flucht. Insgesamt wurden allein am Sonntag morgen nach Angaben der Nachrichtenagentur Maan News 37 Menschen getötet.

Seit Beginn der israelischen Offensive vor 27 Tagen wurden den Angaben zufolge mehr als 1750 Palästinenser getötet und rund 10000 Menschen verletzt. Auf israelischer Seite starben 66 Soldaten und drei Zivilisten, darunter ein Gastarbeiter aus Thailand. Tel Aviv rechtfertigt die Angriffe auf die zivile Infrastruktur im Gazastreifen damit, daß sich dort Stützpunkte oder Waffenlager der Hamas befänden. Am Sonntag hieß es von Seiten der israelischen Armee, daß einige Truppen innerhalb des Gazastreifens in einem »vorübergehenden Sicherheitsstreifen« gesammelt würden. Das bedeute aber nicht, daß die Bodenoffensive beendet sei, so Armeesprecher Peter Lerner: »Wir wechseln den Gang, aber es geht weiter.«

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erörterte in der Welt am Sonntag einen »Friedensplan« der Bundesregierung. Für eine »langfristige Lösung« im Gazastreifen müßten die Hamas entmachtet und die Grenzübergänge geöffnet werden. Diese könnten unter internationale Kontrolle gestellt werden, schlug Steinmeier vor. Von 2005 bis 2007 hatte es eine EU-Mission an der Grenze von Gaza zu Ägypten gegeben, dieses Modell könne reaktiviert werden. Gespräche darüber könnten aber nur mit der palästinensischen Autonomiebehörde und Mahmud Abbas geführt werden, nicht mit der Hamas.

Delegationen der Hamas und des Islamischen Dschihad sind am Sonntag in Kairo eingetroffen, wo sie mit Vertretern Ägyptens und der USA über einen Waffenstillstand sprechen wollen. Israel verweigert die Teilnahme.

Der Text erschien zuerst am 3. August in der Tageszeitung „junge Welt“.