Berlin/Doha/Abu Dhabi (GFP.com). Die Deutsche Bahn AG weitet ihre Geschäftsaktivitäten in den Diktaturen der Arabischen Halbinsel aus. Wie der Konzern mitteilt, wird er ab Oktober den Betrieb einer Transportstrecke in den Vereinigten Arabischen Emiraten organisieren. Zugrunde liegt eine „Strategische Partnerschaft“, die die DB mit „Etihad Rail“ aus den Emiraten geschlossen hat.
In Qatar will das Unternehmen eine Eisenbahn-Akademie errichten, um dort das Personal für den Zugbetrieb auszubilden. Auch in Saudi-Arabien macht die Bahn Geschäfte. Dort beteiligt sie sich am Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke von Mekka nach Medina; auch war sie in den Bau einer Hochbahn für die Frauen-Universität in Riad involviert.
Die Geschäfte mit dem Golf dienen dem erklärten Ziel der DB, „das weltweit führende Mobilitäts- und Logistikunternehmen“ zu werden. Diesem Ziel sind auch die Inlandsaktivitäten untergeordnet, die seit Jahren massive Sparmaßnahmen beinhalten – mit gravierenden Folgen. Aktuell ruft Proteste hervor, dass die Bahn einen wichtigen regionalen Verkehrsknotenpunkt, die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz, nach 20 Uhr nicht mehr anfahren kann – wegen Personalmangel. Dabei erzielte der DB-Konzern letztes Jahr ein operatives Ergebnis von 2,7 Milliarden Euro.
Strategische Partnerschaft
Die aktuellen Geschäfte der Deutschen Bahn AG in den Vereinigten Arabischen Emiraten gehen letztlich auf eine Machbarkeitsstudie zurück, die das Unternehmen im Jahr 2006 erstellte – zu einer Zeit, als die Bundesrepublik gerade begann, ihre Beziehungen zu dem Golfstaat umfassend zu intensivieren. In der Studie ging es um die Entwicklung der Eisenbahn in dem Land. Auf der Basis der Ergebnisse gründeten die Emirate ihre nationale Eisenbahn „Etihad Rail“.
Im März 2010 setzte die DB ihre Aktivitäten in dem Golfstaat mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung fort, die eine Strategische Partnerschaft bei Planung, Bau und Betrieb von Bahnsystemen vorsah. Es seien in den kommenden Jahren „Investitionen in Milliardenhöhe für große Bahnsysteme geplant“, hieß es bei der Deutschen Bahn: „Dazu gehören Projekte für den Regionalverkehr, die Metro, die Straßenbahn sowie die Union Railway, eine geplante Fernbahnlinie, die Abu Dhabi mit den südlichen Emiraten verbinden soll.“
Im Jahr 2011 erhielt die DB dann schließlich den Auftrag, für „Etihad Rail“ ein Betriebskonzept, Instandhaltungskonzepte für Infrastruktur und Fahrzeugflotte sowie einige weitere Vorarbeiten zu erstellen. Eisenbahnpionier in Nahost Am 25. Juni hat die DB nun mit „Etihad Rail“ ein Joint Venture für den Schienengüterverkehr geschlossen. Wie die Deutsche Bahn AG erklärt, sei sie damit „als erste europäische Eisenbahn mit Betriebsführungsaufgaben im Nahen Osten betraut“. Über die „DB Schenker Rail“ werden mehr als 200 Mitarbeiter rekrutiert, die für den Bahnbetrieb und die Instandhaltung der Flotte sorgen sollen.
Berichten zufolge werden die ersten Züge schon im Oktober fahren und Schwefelgranulat aus dem Landesinneren an die Küste transportieren. Die Trasse ist Teil der Pläne, ein Schienennetz über die gesamte Arabische Halbinsel zu legen. Zeitweise war sogar die Weiterführung in Richtung Europa im Gespräch. Im Februar 2011 verhandelte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer mit seinem syrischen Amtskollegen in Damaskus noch über den Bau einer Strecke von der Arabischen Halbinsel an die syrische Küste; von dort sollte eine Schiffsverbindung in den Hamburger Hafen führen. Die Planung musste jedoch bald zurückgestellt werden, weil Assads Sturz für die Bundesregierung Priorität bekam.
Eisenbahn-Akademie
Auch in Qatar profitieren die Geschäfte der DB von der Intensivierung der staatlichen Kooperation: Das Emirat und die Bundesrepublik arbeiten außenpolitisch seit einigen Jahren eng zusammen. Im Jahr 2009 erfolgte die spektakuläre Beteiligung der Deutschen Bahn an einem Milliardenprojekt in dem Golfstaat. Auch nach einer formellen Umstrukturierung der Kooperation im Jahr 2012 ist der deutsche Konzern eigenen Angaben zufolge „wichtigster strategischer Partner (…) bei Entwicklung und Aufbau eines Verkehrsnetzes für das Emirat“. Er übernimmt demnach unter anderem „umfangreiche Ingenieurdienstleistungen sowie die technische Beratung und perspektivisch auch Training und Qualifizierung des katarischen Personals“.
Der jüngste Schritt ist Mitte April eingeleitet worden – im Rahmen des Forums „Business and Investment in Qatar“, das in Berlin stattfand und von der deutschen Kanzlerin persönlich gemeinsam mit dem qatarischen Premierminister eröffnet wurde. Dabei handelt es sich um den Aufbau einer Eisenbahn-Akademie in Qatar, den die „DB International“, „Qatar Rail“ und die Qatar University gemeinsam in Angriff nehmen wollen. An der Akademie soll eine Professur eingerichtet werden, deren Inhaber aus Deutschland kommen wird.
Geschlechtertrennung
Auch in Saudi-Arabien ist die Deutsche Bahn AG längst tätig. So war sie in den Jahren 2007 bis 2011 laut eigenen Angaben am Projektmanagement für Tief- und Gleisbauarbeiten für eine Güterbahn im Norden des Landes beteiligt. Von 2009 bis 2012 wirkte sie am Bau einer Hochbahn in der Hauptstadt Riad mit, die die einzelnen Teile der dortigen Frauen-Universität verbinden soll.
Vor allem aber ist die DB in den Bau einer 450 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke involviert, die Mekka und Medina verbinden soll. Das Projekt gilt als eines der prestigeträchtigsten Infrastrukturprojekte im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Die DB hat inzwischen das Projektmanagement übernommen.
Erstklassige Lösungen
Die Geschäfte mit den Golfdiktaturen dienen dem erklärten Expansionsziel der DB. Wie der Konzern in seinem offiziellen „Leitbild“ behauptet, habe er schon heute „international führende Marktpositionen erreicht“. Man strebe es weiterhin an, „das weltweit führende Mobilitäts- und Logistikunternehmen“ zu werden. Diesem Ziel sind auch die Inlandsaktivitäten untergeordnet, die massive Sparmaßnahmen beinhalten.
Bereits seit Jahren kommt es immer wieder zu Streiks, weil die Beschäftigten nicht bereit sind, sich zugunsten der Expansion mit einem Einkommenszuwachs weit unterhalb der Inflationsrate zufrieden zu geben – bei gleichzeitig steigender Arbeitsbelastung. Ebenfalls seit Jahren treten immer wieder schwere Mängel im Bahnbetrieb auf – vom großflächigen Ausfall höchst reparaturbedürftiger Züge, für die wegen massiver Kürzungen bei der Reserveflotte kein Ersatz bereitgestellt werden kann, über Fahrten mit überhitzten Zügen, deren Klimaanlagen aus Spargründen nur für Temperaturen unterhalb der hierzulande üblichen Höchstwerte ausgelegt wurden, bis zur aktuellen Teilstilllegung des Hauptbahnhofs der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, eines wichtigen regionalen Verkehrsknotenpunkts, der in diesen Tagen wegen Personalmangel nach 20 Uhr gar nicht mehr und tagsüber nur zeitweise angefahren werden kann.
Unter Bahnkunden erntet die Deutsche Bahn, die in ihrem „Leitbild“ behauptet, sie wolle „erstklassige Mobilitäts- und Logistiklösungen anbieten“, nur noch Spott.
2,7 Milliarden Euro
Dabei fehlt es nicht am Geld. Der DB-Konzern erzielte 2012 bei einem Gesamtumsatz von rund 39,3 Milliarden Euro laut eigenen Angaben ein um Sondereffekte bereinigtes operatives Ergebnis von rund 2,7 Milliarden Euro. Weil aber Expansion und Weltmarktführerschaft Vorrang genießen, wird im Inland weiter gespart.