Ägypten weiter ohne Chef einer Übergangsregierung

Die politische Krise in Ägypten geht weiter. Die salafistische Nur-Partei sperrt sich erneut gegen einen Kandidaten für das Amt des Chefs der Übergangsregierung. Zehntausende demonstrieren.

Kairo (dpa). Bei der Suche nach einer Übergangsregierung in Ägypten hat es noch keinen Durchbruch gegeben. Gegen den neuen Favoriten für den Posten des Regierungschefs hat sich nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija vom Sonntagabend die ultra-konservative Nur-Partei ausgesprochen. Dem Sozialdemokraten Siad Bahaa El-Din sei das Amt angeboten worden, berichtete die ägyptische Zeitung «Al-Ahram» online am Sonntagabend. Der Wirtschaftsjurist sagte dem Blatt, es gebe noch keine offizielle oder endgültige Entscheidung. Die Salafisten wollen für das Amt dagegen eine politische neutrale Persönlichkeit.

Auch Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei als Vizepräsidenten lehnen sie ab, wie Al-Arabija weiter berichtete. Laut «Al-Ahram» sollte ElBaradei dieses Amt übernehmen. Die Ernennung von ElBaradei zum neuen Chef der Übergangsregierung war am späten Samstagabend dementiert worden. Viele Ägypter stehen ElBaradei skeptisch gegenüber: Der Nobelpreisträger sei zu lange im Ausland gewesen, verstehe die Menschen im Land nicht, heißt es oft. Der Jurist trat 1964 in den diplomatischen Dienst seines Landes ein. 1984 kam er zur Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, wo er 1997 zum Generaldirektor aufstieg. Die Geschicke der Behörde lenkte er bis Ende 2009.

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Nach der Entmachtung von Mohammed Mursi soll der Übergangspräsident Adli Mansur das Land bis zu Neuwahlen führen. Die ultra-konservative Nur-Partei war früher mit der Muslimbruderschaft verbündet, aus der Mursi stammt. Zuletzt schloss sie sich aber der Oppositionsallianz gegen den am Mittwoch vom Militär abgesetzten Präsidenten an. In Kairo haben am Sonntagabend erneut Zehntausende Anhänger wie auch Gegner Mursis demonstriert. Die Islamisten, die Mursi unterstützen, versammelten sich mehrheitlich vor einer Moschee im Außenbezirk Nasr City. Andere zogen vor das Verteidigungsministerium oder blockierten die Ausfallstraße zum Flughafen. Bis zum späten Sonntagabend wurden keine Zwischenfälle bekannt.

Dagegen gab es Verletzte bei Zusammenstößen von Mursi-Gegnern und Anhängern des gestürzten Präsident im Nil-Delta. Laut «Al-Ahram» setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein, um die verfeindeten Gruppen zu trennen. Gegner der durch das Militär beendeten Herrschaft Mursis strömten in großer Zahl auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos zusammen. Über der Innenstadt kreisten in den Abendstunden fast ununterbrochen Helikopter, zeitweise flogen auch Kampfjets der Luftwaffe über den Tahrir-Platz. Das Spektakel sollte, wie schon in den vergangenen Tagen, die Verbundenheit der Armee mit den Mursi-Gegnern zum Ausdruck bringen.

Weitere Tote bei „Zusammenstößten“
Bei massiven Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und dem Militär sind am Montag in der ägyptischen Hauptstadt Kairo nach Angaben aus Medizinerkreisen mindestens 16 Menschen getötet worden. Die Demonstranten hatten den Angaben nach versucht, eine Militäreinrichtung am Stadtrand von Kairo zu stürmen, als das Feuer auf sie eröffnet worden sei. Die staatliche Zeitung „Al-Ahram“ berichtete in ihrer Online-Ausgabe, dass unter den Toten ein Soldat sei. Das Blatt meldete weiter, „Terroristen“ hätten die Einrichtung erstürmen wollen. Dagegen berichtete die Onlineplattform der Muslimbruderschaft, dass es bis zu 40 Tote gegeben habe, als ihre Unterstützer während des Morgengebets angegriffen worden seien.

(Bilder: Flickr)