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Gibt es Spaltungstendenzen in der AfD?

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Foto: © European Union 2025/EP/G. Engel

Führen die gesellschaftlichen Vorstellungen des AfD-Politikers Krah zu einer Spaltung der Partei oder sollen sie gar ein Angebot an Muslime sein?

(iz). Es gab und gibt verschiedene Ansätze, mit den Wahlerfolgen der AfD umzugehen. Man kann – wie auf dem SPD-Parteitag beschlossen – den Versuch starten, die „rechtsextreme Partei“ auf rechtlichem Weg zu verbieten.

Oder man hofft auf „Entzauberung“ im politischen Alltag, falls sie eines Tages im Osten eine Regierungsbeteiligung erreicht und an ihren Ergebnissen gemessen wird. Eine andere Option ist darauf zu setzen, dass die konservative Revolution an ihren inneren Gegensätzen scheitert.

AfD: Besteht Aussicht auf einen internen Bruch?

Außenpolitische Themen wie „Israel, Ukraine oder Trump“ sind zweifellos geeignet, dass sie mittelfristig an ihren eigenen Widersprüchen zerbricht. Gleichzeitig wird deutlich, dass die innere Einheit der Partei das „Islamthema“ dringend braucht. 

Nur diese Gemeinsamkeit „gegen den Islam“ eint bis heute alle strammen Konservativen. Im Sinne dieser Wirkung verweigern sich bisher auch intelligentere VertreterInnen der Gruppierung einer Differenzierung. 

Auf der Plattform X kann man im Moment eine interessante, innerparteiliche Debatte verfolgen. Man staunt, dass sogar die liberale ZEIT in einem Kommentar urteilte: „Die radikale Rechte ist heute der Ort, an dem am lebhaftesten über Politik diskutiert wird. Das ist ein trauriger Befund und vermutlich auch ein Faktor ihres derzeitigen Erfolgs.“ Worum geht es?

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Foto: Achim Mende, Pressebild, Deutscher Bundestag

Der AfD-Politiker Maximilian Krah befeuert einen Streit, der die Partei spalten könnte. Um ihrem Verbot zuvorzukommen, fordert er eine „verfassungsgemäße“ Differenzierung, die auch Muslime in der Bundesrepublik betrifft.

Er stellt klar: „Das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland besteht aus Staatsbürgern deutscher und anderer Volkszugehörigkeit.“ Kurzum, wer einen deutschen Pass hat, könne und dürfe nicht remigriert werden. Wer davon träumt, oder in diese Richtung argumentiert, so der Realpolitiker, gefährdet die Zukunft der Partei.

Identitäre, mit denen er im Austausch steht, wie der IB-Aktivist Martin Sellner, schäumen. Da der Politiker damit nebenbei klarstellt, dass Remigrationsphantasien – und die Phantasten selbst – nicht auf dem Boden der Verfassung stehen. Krah versucht dennoch den Spagat, die radikalen Ränder der Konservativen im Boot zu halten. Nach wie vor will er jede weitere Einwanderung stoppen, auf eine umfassende Abschiebung von Ausländern drängen, die „problematisch“ oder „kriminell“ sind.

Zwischen „Realpolitik“ und „Parallelgesellschaft“

Ein weitere Analyse des Politikers hat es in sich. Im Rahmen seiner Realpolitik verbleiben für ihn nur zwei mögliche Lösungen: „Ein staatlich erzwungener Melting Pot auf Basis eines Verfassungspatriotismus mit dem Ziel einer republikanischen Nation neuer Deutscher. Oder eine Hinnahme der Existenz verschiedener ethnischer Gruppen mit der deutschen Gruppe als der klar größten und dominierenden.“ Der Staat solle sich – so der AfD Politiker – zurückziehen und keine ethnische Projekte im Sinne der Förderung einer multikulturellen Gesellschaft betreiben.

Die Pointe dieser Argumentation – hier liegt der Spaltpilz für die bisherige AfD-Ideologie – folgt zugleich. Er nennt die – in seinen Worten – „Schattenseite“ der ethnopluralistisch denkenden Politik: „Das gilt für alle gleichermaßen.“ Will heißen, er setzt einerseits auf ethnische Zonen, die „deutsch“ sind, bekennt sich aber auch andererseits dazu, dass Immigranten ihre eigenen „Parallelgesellschaften“ bilden dürfen.

Ein weiteres Kalkül, das sich nebenbei zeigt, ist eine neue Entdeckung des Politikers: Sind Muslime nicht ebenso national gestimmt? Und Krah weiß, dass längst nicht alle Muslime die Massenzuwanderung blind befürworten. Hier provoziert er seine Partei mit der These, dass auf Dauer nur Immigranten und Muslime der AfD bundespolitisch zu einer Mehrheit verhelfen können.

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Foto: mpix-foto, Adobe Stock

Deswegen fordert er seine Parteifreunde (immerhin) dazu auf, nicht alle Einwanderer oder Muslime über einen Kamm zu scheren. Der Kreis schließt sich mit einer Art Prophezeiung: Sollte sich die Partei seiner Strategie verschließen, droht aus seiner Sicht ein Verbot. Ohne Differenzierung sieht er auf Dauer keine Machtoption.

Differenzierung, Anerkennung muslimischer Strukturen, Beachtung des demographischen Faktors: Formuliert er tatsächlich eine Vision, die Muslime ansprechen könnte? Hier ist große Skepsis angebracht: Die Vision seiner ethnopluralistischen Gesellschaft könnte dazu führen, den Gegensatz von Ost und West eine neue Dynamik zu geben.

Zumindest das Vorfeld der AfD, mit dem er zu tun hat, schon länger davon träumt, im Osten eine Zone zu schaffen, in der Menschen mit Immigrationshintergrund im Alltag unter Druck gesetzt werden, in den Westen abzuwandern. Der Stimmungswandel auf den Straßen und Plätzen ist nicht zu übersehen. Man kann sich mit ein bisschen Phantasie ausmalen, wo diese Politik hinführen kann. Eindeutig distanziert sich Krah nicht von diesen Kreisen.

Der Schmittianer spricht

Es gibt auch ein anderer Aspekt, der hier nicht übersehen werden darf. Wenn man die Podcasts mit der Beteiligung des Juristen verfolgt, ist sein Bekenntnis „Schmittianer“ zu sein, nicht zu überhören. Hier geht es nicht nur um intellektuelles oder theoretisches Interesse.

Das Beispiel Trump – Krah bewundert ihn offen – zeigt ja eindrücklich, wie das Primat des Politischen gegenüber dem Recht wieder an Raum gewinnen kann. Nachdem man eine Mehrheit im Land hat. Handelt es sich bei der Vision des Politikers nur um zeitweilige Mäßigung aus taktischen Gründen?

Die Debatte erinnert Muslime daran, ihre eigene gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu artikulieren. Es mag sein, dass es an den Rändern der muslimischen Community Strömungen gibt, die die Vision einer Identitätspolitik begrüßen, die ethnischen Gesichtspunkte in den Mittelpunkt rückt.

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Bild: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein | Lizenz: gemeinfrei

Ihre große Mehrheit, besonders die Jungen, stimmt nach wie der Mahnung unseres Nationaldichters Goethe zu: Nationalismus ist die unterste Stufe der Kultur. Krah verkennt, dass die Majorität der Muslime konservativ und liberal ist. Sie werden sich auch weiter dagegen wehren, dass die ethnische Herkunft das entscheidende Kriterium eines Menschenbildes wird. Sie graust der Gedanke, dass Straftäter und Kriminelle zu Repräsentanten bestimmter Kulturen, Religionen oder Ethnien erklärt werden.

Die Identität eines Menschen ergibt sich aus seiner Sprache, nicht aus seiner biologischen Herkunft. Der Islam ist keine Kultur, wie man bereits an dem Fakt erkennt, dass deutsche und europäische Muslime schon länger wie die angebliche Alternative für Deutschland existieren.

Es ist gut, dass Krah zu differenzieren beginnt – immerhin. Nur: Die AfD wird – egal, ob die Positionen des Politikers Zustimmung finden oder nicht – wahrscheinlich fortgesetzt darauf setzen, alle Verhaltungen einer ethnisch definierten Gruppe grundsätzlich dem Islam zuzurechnen. Nur so kann, ist zu befürchten, das Feindbild weiter zur Einheit der Partei und ihren Wahlerfolgen beitragen.

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