
Menschenrechtler schlagen Alarm: Das Trinkwasser von mehr als 20 Millionen Menschen in Bangladesch sei mit Arsen verseucht. Die Regierung in der Hauptstadt Dhaka ignoriere das Problem.
Dhaka (KNA) Als „Mordgift“ ist es berühmt und berüchtigt: Doch längst nicht jeder weiß, dass Arsen im Boden fast überall in anorganischer Form vorkommt, normalerweise in geringer Konzentration. Doch im südasiatischen Bangladesch ist sie extrem hoch – und damit krebserregend. Betroffen sind vor allem ländliche Gebiete.
Balish, ein Bauer aus dem Dorf Bilmamudpur, muss täglich mit dieser Bedrohung leben. Er macht sich große Sorgen. Wie lange er noch für seine sechsköpfige Familie sorgen kann, weiß der Mittsechziger nicht. Balish hat dunkle Flecken auf seiner Brust und seinen Händen entdeckt. Vor zehn Jahren sind drei Familienmitglieder mit den gleichen Symptomen gestorben. Vermutlich an Krebs.
Ebenfalls vor zehn Jahren wurden von Nichtregierungsorganisationen die von den Behörden gebauten Brunnen in Bilmamudpur getestet. Das Ergebnis war erschreckend: 450 Mikrogramm Arsen pro Liter. Das war das 9-fache des in Bangladesch zulässigen Höchstwerts von 50 Mikrogramm und sogar das 45-fache des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Höchstwertes von 10 Mikrogramm.
Doch seit dem Wasser-Test von 2006 ist von Behördenseite in Bilmamudpur nichts geschehen. Balish bekam zwar nicht-staatliche Hilfe, um ein System zum Auffangen von Regenwasser während des Monsuns zu installieren. Doch das hilft nur begrenzt: „Während des Monsuns und auch noch drei Monate danach trinken wir Regenwasser“, sagt der Bauer. „Danach sind wir auf Wasser aus dem arsenverseuchten Brunnen angewiesen.“
Balish ist nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) einer von mehr als 20 Millionen Bangladeschi, deren Wasser mit Arsen verseucht ist. Vielleicht werde Balish auch einer der 43.000 Menschen sein, die jährlich in Bangladesch an Krankheiten sterben, die mit Arsen in Zusammenhang gebracht werden.
Das ganze Ausmaß der Arsen-Katastrophe in Bangladesch belegt HRW in einem am 6. April veröffentlichten 73-seitigen Report. Titel: „Vetternwirtschaft und Nachlässigkeit: Das Versagen bei der Lösung des Arsenproblems im Trinkwasser der armen Landbevölkerung in Bangladesch.“
Die Vorgeschichte: In den 1970er Jahren installierten Entwicklungshilfe-Organisationen mehr als zehn Millionen Handpumpen in Bangladesch. Bis dahin tranken die Menschen das Wasser aus Tümpeln, in denen sich auch Wasserbüffel und Kühe suhlten. Die Folge waren Durchfall- und Choleraepidemien, die Tausende Menschenleben forderten. Dank der Brunnen sank zunächst die Zahl der Krankheitsfälle. Doch dann tauchte unerwartet das Arsenproblem auf.
Mit Hilfe der Weltbank und anderer Organisationen begann Bangladesch Ende der 1990er Jahre mit der farbigen Markierung der Brunnen. Rot stand für „arsenhaltig“, grün für „arsenfrei“. Doch der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Denn nach nur wenigen Monaten blätterte die Farbe ab.
Die Lösung des Problems besteht letztlich im Bau von Tiefbrunnen, da nur das Grundwasser nahe der Erdoberfläche Arsen enthält. Die Regierung von Bangladesch aber ignoriert das Problem weitgehend, so die Kritik der Menschenrechtler. Und wenn die Behörden doch mal aktiv werden, haben Menschen wie Balish oft nichts davon. „Die Standorte neuer Pumpen werden letztlich nach politischen Kriterien bestimmt“, sagte ein Behördenvertreter, der anonym bleiben will, zu HRW. „Sie geben sie ihren politischen Verbündeten und Unterstützern. Die wirklichen Bedürfnisse der Menschen sind ihnen egal.“
Hilfe kommt von unabhängigen Stellen wie der Caritas in Bangladesch, einer der größten Wohlfahrtsorganisationen in dem fast gänzlich islamischen Land. Die Caritas baut zusammen mit dem UN-Kinderhilfswerk Unicef Tiefbrunnen, klärt über Gesundheitsgefahren auf und leistet medizinische Hilfe.
Die Behörden aber blieben untätig, beklagt Richard Pearshouse, Autor des HRW-Reports. „Bangladesch unternimmt nicht einmal die elementaren, naheliegenden Schritte, das Trinkwasser für die Millionen armen Menschen auf dem Land arsenfrei zu machen“, betont er und malt ein Schreckensszenario: Wenn die Regierung und die internationalen Geber nicht mehr unternähmen, würden Millionen Bangladeschis an vermeidbaren Krankheiten sterben, die mit dem Arsen zu tun hätten.