
Hilfe nach dem Maß der Not – nach diesem Grundsatz arbeitet das Deutsche Rote Kreuz seit 150 Jahren. Hier und in der Welt. Eine besondere Herausforderung liegt aber abseits aller Katastrophen.
Stuttgart (dpa). Die Idee zum Roten Kreuz ist eher einem Zufall zu verdanken. Der Schweizer Henry Dunant wird im Jahr 1859 in Italien Zeuge der Schlacht von Solferino. Erschüttert von der Hilflosigkeit der rund 40 000 Verwundeten und Sterbenden beginnt er, Freiwillige zur Versorgung der Opfer zu bewegen – egal ob Freund oder Feind. Mit vier gleichgesinnten Humanisten schafft Dunant später eine Organisation für freiwillige und neutrale Kriegssanitäter. 1863 geben die Gründer ihr den Namen «Internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege». Wenig später wird ein schlichtes rotes Kreuz zum Symbol bestimmt. In Deutschland entsteht der erste Verein dieser Art noch im selben Jahr 1863 in Württemberg. Das 150. Jubiläum dieser Gründung wird am 31. Oktober gefeiert.
Der Festakt steigt in Stuttgart, wo Henry Dunant in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für rund zehn Jahre lebte – von der Welt vergessen und mittellos. 1901 erhielt er den allerersten Friedensnobelpreis. Heute, im 150. Jahr seines Bestehens, zählt das Rote Kreuz in Deutschland 3,3 Millionen Mitglieder – darunter 400 000 ehrenamtliche und 142 700 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die oberste Grundsätze lauten: strikte Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und Neutralität. Wer zwischen allen Fronten helfen will, muss sich aus der Politik heraushalten. Sonst wäre es kaum möglich, Sanitäter und Ärzte in Kriegsgebiete zu schicken, in denen die jeweiligen Machthaber eigentlich keine ausländischen Helfer dulden. «Deswegen stehen wir nicht an der Spitze derer, die Kritik üben», sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters.
Im Ersten Weltkrieg ist das Deutsche Rote Kreuz dann in vielen den Lazaretten und Spitälern präsent. Später wird es von den Nazis schrittweise gleichgeschaltet. Per Gesetz wird das DRK dem NS-Staat vollständig einverleibt. Nach dem Zweiten Weltkrieg steht der Suchdienst im Fokus: Nach eigenen Angaben gelingt es dem DRK in den Folgejahren, die Familien von 16 Millionen ausgebombten, vermissten, verschleppten und vertriebenen Menschen wiederzufinden.
Weitere Bewährungsproben für die Helfer sind das Hochwasser in Hamburg 1962, aber auch der Vietnamkrieg. 1966 entsendet das DRK das Hospitalschiff «Helgoland», um vietnamesischen Kriegsopfern zu helfen. 2002 verwüstet die Jahrtausendflut der Elbe ganze Landstriche in Sachsen. Beim größten Katastropheneinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik sind mehr als 12 000 DRK-Helfer aktiv. Nach dem Tsunami Ende 2004 an der Küste Thailands mit 230 000 Todesopfern schickt das DRK ein mobiles Krankenhaus, eine Gesundheitsstation, drei Trinkwasseranlagen und sammelt 124,6 Millionen Euro Spenden.
Das Deutsche Rote Kreuz arbeitet in mehr als 50 Ländern – in Afrika, Asien, Nahost, Lateinamerika und Europa. Eine besondere Herausforderung dürfte aber daheim liegen: der demografische Wandel. Die Entwicklung sei absehbar, sagt Seiters. «Einer dramatisch steigenden Zahl von Kranken und Hilfsbedürftigen steht eine sinkende Zahl von potenziellen Helfern gegenüber.» Migranten wolle man gewinnen, verstärkt auch Senioren, die im Ruhestand sinnvolle Beschäftigung suchen. Die Jugend wolle man mit spontanem Engagement ködern. «Die jungen Leute binden sich nicht so gerne ein Leben lang an eine Organisation.»