
Menschen sind verschieden. Sie denken anders, fühlen anders, handeln anders. Der Prophet Muhammed, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, erkannte das.
(iz). Er sprach nicht in Schablonen und antwortete nicht mechanisch. Wer ihn etwas fragte, bekam keine Standardantwort. Er hörte zu, beobachtete, spürte, was der Fragende brauchte. Und dann sagte er, was in genau diesem Moment für genau diesen Menschen wichtig war.
Einmal kam ein Mann zum Propheten und wollte wissen, welche Tat die beste sei. Der Prophet sagte, das pünktliche Gebet sei die wichtigste (Bukhari, 527). Ein anderer kam mit einer ähnlichen Frage und der Prophet sagte diesmal, es sei, die Eltern gut zu behandeln (Muslim, 2549). Wieder ein anderer fragte und diesmal antwortete er, sich mit seinem Leben und seinem Besitz für die Sache Gottes einzusetzen (Bukhari, 2786).
Während des Fastens fragte ein Mann den Propheten, ob jemand, der fastet, seine Frau umarmen (Anmerkung: evtl. auch küssen) darf, und er gab ihm die Erlaubnis. Aber als ein anderer Mann zu ihm kam und ihn fragte, verneinte er es. Derjenige, dem er die Erlaubnis gab, war ein alter Mann, und derjenige, dem er es verneinte, war ein junger Mann (Abu Dawud, Savm, 35, 2387), bei dem er wohlmöglich befürchtete, dass dieser unwillentlich sein Fasten brechen würde.
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Wer nur nach der oberflächlichen Logik fragt, warum die Antworten unterschiedlich ausfielen, übersieht das Entscheidende. Der Prophet kannte sein Gegenüber. Er wusste, was im Herzen vorging, was das Leben des Fragenden prägte, wo seine Schwächen lagen und wo seine Stärken.
Der Prophet passte seine Antwort der seelischen Verfassung des Menschen an. Er sprach nicht in Regeln, er lebte Beziehung. Wer viel betete, aber seine Eltern vernachlässigte, bekam keine Ermutigung zum Gebet, sondern wurde an seine Eltern erinnert. Jeder bekam nicht das, was er hören wollte, sondern das, was er brauchte und hören musste.
All diese Antworten haben etwas gemeinsam. Sie sind keine standardisierten Empfehlungen, sondern individuell abgestimmte Wegweiser. Der Prophet hörte nicht nur die Worte der Fragenden, sondern spürte, was hinter diesen Worten lag.
Er verstand, dass dieselbe Frage aus ganz unterschiedlichen Beweggründen gestellt werden kann. Einer fragt aus Angst, ein anderer aus Zweifel, ein dritter aus echter Sehnsucht.
Der Prophet antwortete nicht auf die bloße Formulierung, sondern auf den Menschen, der vor ihm stand. Seine Antwort spiegelte nicht nur den Inhalt der Frage, sondern auch den inneren Zustand des Fragenden.
Was er sagte, war daher nicht einfach ein Regelwerk zum Abhaken, sondern eine Einladung zur persönlichen Entwicklung. Er sah nicht nur den äußeren Rahmen, sondern erkannte, was die Seele des Menschen gerade brauchte.
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Dem einen empfahl er das Gebet zur rechten Zeit, weil er spürte, dass dieser Mensch Struktur und Verlässlichkeit brauchte. Dem anderen sagte er, er solle seine Eltern gut behandeln, weil er erkannte, dass hier familiäre Bindung und Dankbarkeit heilend wirken würden. Und einem dritten empfahl er den Einsatz auf dem Weg Gottes, weil in ihm Kraft und Entschlossenheit schlummerten, die ein Ziel brauchten.
Der Prophet, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, reagierte also nicht mit allgemeinen Prinzipien, sondern mit tiefem Verständnis. Er war nicht bloß ein Lehrer von Vorschriften, sondern ein feinfühliger Seelenführer.
Wer zu ihm kam, wurde gesehen. Nicht nur gehört. Das macht seine Antworten so menschlich und zugleich so überzeitlich. Sie berühren, weil sie aus einer Haltung echter Zuwendung und innerer Klarheit stammen.
Der Prophet wirkte nicht wie ein Lehrer, der Formeln erklärt. Er war ein Begleiter, der hinschaute. Seine Methode war das Zuhören. Sie war das Wahrnehmen des Augenblicks. Seine Worte waren wie Medizin. Nicht jeder bekam die gleiche Dosis. Nicht jeder das gleiche Mittel.
Wer sein Verhalten wirklich verstehen will, muss ihn als Seelsorger sehen, nicht als Regelgeber. Als jemand, der den Menschen in seiner Tiefe begegnete. Der Prophet behandelte nicht die Frage, sondern den Fragenden.
Der Prophet Muhammed, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, war kein Theoretiker. Er war kein moralischer Befehlshaber. Er war ein Lehrer des Herzens. Ein Mensch, der in den Augen seines Gegenübers las.
Seine Antworten waren Wege, die individuell zum Guten führten. Wer ihn verstehen will, muss zuhören lernen wie er. Und erkennen, dass gleiche Fragen nicht gleiche Antworten brauchen, sondern ein aufrichtiges Verstehen dessen, der sie stellt.