Eine Barmherzigkeit für alle Welten

Ausgabe 236

(iz). In diesem gesegneten Monat, dem Monat, in dem der Gesandte Allahs geboren wurde, wollte Allah, dass wir uns an diesem gesegneten Ort begegnen. Ich sage, dass das ein gesegneter Ort, denn der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, hat uns darüber unterrichtet. Jeder Ort, egal wo, kann für die Gemeinschaft der Muslime ein reiner Platz sein, denn der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: „Die ganze Erde wurde für mich zur Moschee gemacht.“

Diese Zeit ist die Zeit, in welcher der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, zur Welt kam. Das ist etwas besonderes. Wir feiern seine Geburt bis zum Ende der Zeit. Jedes Mal erneuern wir unsere Treue ihm gegenüber. Das beweisen wir durch diesen ­gesegneten Abend. Gepriesen sei Allah dafür!

Allah, der Erhabene, hat den Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, als Barmherzigkeit entsandt. „Und Wir haben dich nur als Barmherzigkeit für alle Welten gesandt.“ (Al-Anbija, 107), heißt es in einem Vers des Qur’an. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hat betont, seine Aufgabe, die Risala, bestand in der Barmherzigkeit und der Perfektion des Verhaltens.

Wer war der Gesandte Allahs? Ein Mann, dem Allah die Offenbarung gab, damit er sie der Menschheit überbringen konnte. Wir wissen, dass eine Risala ein Brief ist, den wir auf einem Stück Papier lesen können. Im übertragenen Sinne bedeutet es auch, dass ein Abgesandter seine Aufgabe, seine Mission, in schriftlicher Form mitgebracht hat. Allah, der Erhabene, hat ihm in dieser Botschaft Gebote offenbart, die er an die Menschheit überbringen muss.

Das erste, was er, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, den Menschen überbrachte, war Tauhid, die Einheit Allahs. Er rief die Menschen dazu auf, einen einzigen Gott anzubeten und Ihm zu dienen. Eines der Dinge, die in der Botschaft auch enthalten sind, ist das gute Benehmen, der gute Charakter.

Allah ta’ala hat ihm befohlen, dass er die Menschen zusammenbringt. Sie lassen sich hier mit einer Herde Schafe vergleichen. Ohne einen Hirten kann sie niemals den richtigen Weg finden. Der Hirte kommt und versammelt die Schafe um sich, wenn sie auseinander streben. Einigen Propheten befahl Allah, nur eine bestimmte Gruppe um sich zu scharen, weil die ganze Herde für sie zu groß war. Wenn einer der Propheten verstarb, dann blieben die Schafe, um bei diesem Gleichnis zu bleiben, an ihrem Ort und weideten weiter, oder zerstreuten sich. So verlief die Geschichte der Propheten und Gesandten für lange Zeit. Die Menschen kamen zusammen und – wenn einer der Propheten zu seinem Herrn ging – zerstreuten sich wieder.

Und schließlich kam der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und Allah übertrug ihm die Aufgabe, dass er die gesamte Herde einen sollte. Das war seine erste Verantwortung, Allahs Heil und Segen auf ihm, und auch die erste Aufgabe aller vorherigen Propheten, Friede seit mit ihnen. Ein Hirte kann sehr viel Geduld haben, wird diese aber irgendwann einmal verlieren. Gerade, wenn die Schafe sich voneinander trennen, müssen sie wieder zusammengeführt werden. Alle Propheten haben Geduld mit der Herde ihrer Anhänger gehabt.

Hierzu gibt es eine Geschichte vom Propheten Musa (Moses), wie er tatsächlich einmal Schafe hütete. Eines seiner Tiere hatte sich von der Herde entfernt. Unser Meister Musa folgte ihm. Das Tier lief und lief und lief (…) Musa, Friede sei mit ihm, war gewiss eine Stunde lang hinter dem Tier her. Ein normaler Hirte, wie wir ihn kennen, würde so ein Schaf entweder schlagen, zumindest aber mit ihm schimpfen. Aber der Prophet Musa sagte ihm: „Du hast mich ermüdet und dich selbst.“ Das ist Nachsicht und Geduld.

Als der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, nach Medina auswanderte, sah er die Zersplitterung der dortigen Stämme. Sie strebten auseinander, hassten und bekriegten sich. Die bekanntesten waren die Aws und Khazradsch. Wer hätte damals gedacht, dass beide geeint werden könnten? Das wäre, vor dem Gesandten Allahs, Segen und Heil auf ihm, undenkbar gewesen.

Und dann kam der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, mit diesem Din. Ihm war es gegeben, die beiden Stämme zusammenzubringen. Er, möge Allah ihn segnen, hat dies nicht mit Hilfe von Macht, Gewalt oder einer Armee getan, sondern mit Worten, die ihre Herzen erreichten. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, rief beide Stämme auf und trug ihnen Verse aus dem Qur’an vor: „Oh, die ihr glaubt, fürchtet Allah in gebührender Furcht und sterbt ja nicht anders denn als Muslime. Und haltet alle fest am Seil Allahs und geht nicht auseinander. Und gedenkt Allahs Gunst an euch, als ihr Feinde wart und Er dann eure Herzen zusammenführte, worauf ihr durch Seine Gunst Brüder wurdet.“ (Al-i-‘Imran, 102-3) Das heißt, sie waren vorher Feinde und wurden dann zu Geschwistern. „Und (als) ihr am Rand einer Feuergrube wart und Er euch dann davor errettete.“ (Al-i-‘Imran, 103) Jeder Muschrik (Götzenanbeter) steht am Rande eines solchen Abgrunds des Feuers. Wenn er Islam und Iman annimmt, wird er gerettet.

Allah spricht von Seiner Gnade, wie Er die vor dem Rande des Feuers Stehenden in Sicherheit brachte. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, behauptete nicht, dass er es gewesen sei, der dies tat, sondern verwies auf Allah als Retter. Allah ist es, Der die Herzen vereint. „Und Er hat ihre Herzen zusammengefügt. Wenn du alles, was auf der Erde ist, (dafür) ausgegeben hättest, hättest du ihre Herzen nicht zusammenfügen können. Aber Allah hat sie zusammengefügt. Gewiss, Er ist Allmächtig und Allweise.“ (Al-Anfal, 63)

Daraus lassen sich zwei Fragen ableiten: Warum hat Allah die Herzen vereint und warum wollte Er, dass wir zusammenkommen? Allah, der Erhabene, sagt mit Gewissheit: „Allah will für euch Erleichterung; Er will für euch nicht Erschwernis.“ (Al-Baqara, 185) Was Allah für uns will, ist gut, nicht schlecht. Denn Er weiß, was wir nicht kennen. Allah plant für uns und führt uns und Er bestimmt für uns, was gut ist. Allah hat uns die Gemeinschaft anempfohlen, weil Er weiß, dass darin Gutes verborgen liegt. Und deshalb sagt Allah in einem der vorherigen Verse: „(…) und geht nicht auseinander.“ (Al-i-‘Imran, 103)

Allah will nicht, dass wir uns wie frühere Völker spalten, nachdem wir eins wurden. Die Leute vor uns sammelten sich, trennten sich, sammelten sich, trennten sich und so weiter. Das heißt, in unserer Sammlung liegt etwas Gutes. Der Prophet wusste dank der Offenbarung mit Gewissheit, dass keine Gemeinschaft überleben kann, wenn sie nicht zusammenbleibt. Das erste, was Allah, der Erhabene, Seinem Propheten, Allahs Heil und Segen auf ihm, befahl, war die Gemeinschaft. Sie gibt dem Individuum Sicherheit, Ruhe und Stärke.

Es gibt eine Geschichte aus Indien, die ins Arabische übersetzt wurde. Das sind die Tierfabeln „Kalila wa Dimna“ von Ibn Muqaffa. Er erzählt darin auch von einem Schwarm Vögel, der immer so fliegt, als würde ihn jemand dirigieren. Einmal flog dieser Schwarm insgesamt in das Netz einer Falle, das sich zusammenzog. Alle Vögel waren durcheinander und versuchten, in verschiedenen Richtungen zu entkommen. Der Führer des Schwarmes sagte: „Seid ruhig! Ich zähle bis drei und wir fliegen alle gemeinsam los.“ Und so flogen alle gemeinsam los und nahmen das Netz mit sich. Dann sagte der Amir der Vögel: „Wir gehen jetzt zu einem Freund von mir, der eine Maus ist.“ Nach einer Weile erreichten sie das Loch der Maus, die hervortrat. Sofort kam diese zu ihrem Freund und begann, das Netz durchzunagen. Aber das war anstrengend, sodass sie immer wieder Pausen einlegen musste. Deshalb sagte der Amir der Vögel, sie solle bei den anderen beginnen. Schließlich kamen alle frei. Die Moral der Geschichte: In der Gemeinschaft findet sich nur Gutes. Der Einzelne ist immer in Gefahr.

Im Qur’an werden drei Insektenarten erwähnt und nach jeder wurde eine Sure benannt: An-Nahl (die Biene), An-Naml (die Ameise) und Al-‘Ankabut (die Spinne). Die Bienen haben ein Königreich, ein Gleichnis der Gemeinschaft. Hier ist alles organisiert. Die Wissenschaft hat bewiesen, wie das Bienenvolk zusammenlebt. Ein Staat, der noch umfangreicher und organisierter ist, ist der der Ameisen. Sie arbeiten gemeinsam und organisieren alles zusammen.

Schließlich haben wir die Spinne, die allein lebt. Aber ihr Haus, das Netz, ist das schwächste aller Häuser. Allah, der Erhabene, sagt: „Das Gleichnis derjenigen, die sich anstatt Allahs Schutzherren nehmen, ist das der Spinne, die sich ein Haus genommen hat; das schwächste Haus ist fürwahr das Haus der Spinne, wenn sie (es) nur wüssten. Gewiss, Allah weiß all das, was sie anstatt Seiner anrufen. Und Er ist der Allmächtige und Allweise.“ (Al-Ankabut, 41-42)

Allah sagt so über jene, die jemand anderen als Ihn anbeten, dass sie alleine sind; auch dann, wenn ihre Zahl millionenfach ist. Wir sehen sie gemeinsam, doch in Wirklichkeit sind sie vereinzelt. Derjenige ist wie die Spinne, die ihre Familie beschädigt. Erstens tötet sie ihren Mann und zweitens frisst sie auch einen Teil des Nachwuchses, damit sie allein leben kann. Derjenige, der abseits bleibt, wird sich und seiner Familie schaden.

Das ist einer der Aspekte, wenn man sich in Gemeinschaft befindet. Was Schaitan heute fürchtet, ist nicht das Individuum. Selbst über den einsamen Asketen, der Allah Tag und Nacht dient, sagt er: „Der ist einfach.“ Die anderen Schaijatin wollen von ihm wissen, wieso. Er sagte: „Kommt, lasst uns beobachten, wie er betet. Du siehst, dass er im Pflichtteil des Gebets einen Fehler macht. Gibt es hier jemanden, der ihn korrigiert? Hat er einen Schaikh, der ihn führt? Lasst uns sehen, wie er fastet. Lasst uns sehen, wie er seine ‘Ibadat verrichtet. Er hat niemanden bei sich, der ihn berichtigt. Wir werden warten. Entweder machen wir ihn zu einem, der die Wahrheit bedeckt, einem Zweifler oder einem Heuchler.“

Darum sagte der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben: „Haltet an der Gemeinschaft fest. Der Wolf frisst nur die Schafe, die die Herde verlassen.“ Damit ist Schaitan gemeint. Er fällt nur die Tiere an, die nicht beieinander bleiben. Das sind diejenigen, die sagten: „Wir haben den Qur’an, wir haben die Hadith und die Sunna. Wir sind so stark, dass wir weder die Schujukh, noch Gelehrte brauchen, die uns den Weg zeigen.“ In welcher Beziehung steht das zur prophetischen Aussage des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben „haltet fest an der ­Gemeinschaft“?

Jede Gemeinschaft ist zusammen stark. Stärke in der geistigen und in der sichtbaren Welt. Sie braucht man heute, um die Schaijatin von Menschen und Dschinn fernzuhalten. Und so sind wir verpflichtet einzuräumen, dass Allah uns mit der Gemeinschaft eine Gunst erwiesen hat. Wenn sich die Gemeinschaft der Muslime in ihrer Allgemeinheit um „ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt, und ich bezeugte, dass Muhammad der Diener und Gesandte Allahs ist“ versammelt, gibt es keine Kraft, die stärker sein könnte als das.

In diesem Land, das kein muslimisches Land ist, bildet die Gemeinschaft zwei Dinge ab: In ihr bekommen die Muslime gemeinsam Kraft. Das stellt gleichzeitig Sicherheit für den Ort dar, an dem sie sich befinden. Die Regierungen im Westen haben verstanden, dass die Gefahren von Vereinzelten und ihren Netzwerken ausgehen.

Wir brauchen Sicherheit und müssen diese unserer Umgebung vermitteln. Darum sollte man sich vor der Kühnheit hüten, zu behaupten, man sei allein. Und fragt man jemanden nach seiner Rechtsschule – wir kennen alle vier, ich sage nur „haltet euch an eine von ihnen“ –, und dann antwortet jener, er folgt keiner, dann bedeutet das, er hat die Gemeinschaft verlassen. Wer die Rechtsschulen verweigert, hat eigentlich eine fünfte gegründet. Das ist die Madhhab von Schaitan. Die alten und die Fuqaha pflegten zu sagen: „Wer nicht durch einen Schaikh geführt wird, den führt Schaitan.“ Und Allah sagt im Qur’an: „Und für den, der sich vom Gedenken an den Allerbarmer abwendet, bestimmen wir einen Satan, der sein Begleiter sein wird.“ (Az-Zuhruf, 36)

Folgt man einer Rechtsschule, sei es der von Malik, der von Schafi’i usw., oder gehört einer der verschiedenen Tariqat an, dann ist man Teil der Gemeinschaft. Es wäre für den Betroffenen katastrophal, einen dieser Zirkel zu verlassen.