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Die AfD und die Machtfrage 

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Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / photothek

Ein Kommentar über den Umgang mit der AfD bzw. anderen Extremen oder was sich dazu aus einem Buch von Ilja Trojanow lernen lässt.

(iz). „Gesichert rechtsextrem“ – das ist die Schlussfolgerung eines unveröffentlichten Berichts des Verfassungsschutzes über die Alternative für Deutschland.

Viele Muslime stimmen dieser Bewertung grundsätzlich zu, da das verfassungsfeindliche Ressentiment der Partei gegenüber einer der größten Minderheiten in Deutschland offenkundig ist. Eine andere Frage schließt sich dem an: sollte man die Partei kurzerhand verbieten?

Streit in der Republik: Wie soll man mit der AfD umgehen?

Hier sind die Stimmen gemischt: Viele Kommentatoren warnen vor einer möglichen Machtergreifung der Rechtskonservativen und der Aussicht auf einen anderen Staat. Sie argumentieren mit der geschichtlichen Erfahrung rund um die legale Machtaneignung und berufen sich auf die Losung: „Wehret den Anfängen.“

Das Problem dieses Lösungsansatzes liegt auf der Hand. Man kann die Partei zwar verbieten, aber nicht ihre WählerInnen aus der Welt schaffen. Sie werden sich als Opfer sehen und können sich auf anderem Wege weiter radikalisieren.

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Gegner des Verbotsansatzes argumentieren, dass der Staat unbequeme Ansichten akzeptieren und Wählerstimmen nicht einfach ignorieren darf. Sahra Wagenknecht warnt gar vor einem „autoritären Umbau“ des Staates, der sich seinen Gegnern auf fragwürdigem Wege entledigt.

Zudem, so andere Stimmen, sei die Bekämpfung des Rechtsradikalismus nicht Aufgabe der Geheimdienste, sondern eine Herausforderung für die Zivilgesellschaft. Das Dilemma bleibt: wie kann eine Demokratie im Umgang mit ihren Feinden „demokratisch“ bleiben?

Trojanow: Bulgarien oder die Frage nach der Macht

Zum Thema passt eine neue Veröffentlichung von Ilija Trojanow: Das Buch der Macht. Er übersetzt – in eigenen Worten – ein bislang nicht übersetztes Großgedicht des bulgarischen Schriftstellers Stojan Michailowski aus dem Jahr 1897. Die Satire erzählt die Strategien, Einsichten und Lehren eines osmanischen Wesirs, der seinen Neffen für die Machtübergabe vorbereiten will.

Der Text wird zu einer Generalabrechnung über das Wesen oder besser Unwesen der Machtausübung, die unabhängig von dem jeweiligen historischen Kontext wirkt. An vielen Stellen wird man an eines der großen Bücher zum Thema erinnert, den Fürsten von Machiavelli.

Der Autor schafft einen Spannungsbogen, in dem er die schonungslosen, teilweise zynischen Aussagen über die Macht mit passenden Zitaten aus verschiedenen Epochen begleitet. Dabei überlässt er zunächst dem Leser das Denken und Urteilen. Im Ergebnis gelingt ihm eine faszinierende Collage über das Phänomen der politischen Macht.

Foto: Aufbau Verlag 2025

Im Nachwort setzt er diese Einsichten in den Kontext unserer Tagespolitik; ohne dabei die sozialen und ökonomischen Widersprüche unserer Zeit zu vernachlässigen. Ins Zentrum trifft auch seine Analyse der Politik Trumps und der rechten Bewegungen Europas, denen er vorwirft, die wirtschaftlichen Machtverhältnisse des Status quo nicht in Frage zu stellen.

Extreme profitieren vom Versprechen der Stabilität

Stattdessen, so der Autor, gaukeln diese politische Kräfte das Versprechen der Stabilität in einer Welt im Wandel vor. Die Identitätsfrage wird vom Individuum zum Staat verschoben:

„Anstelle einer verwirrenden Vielfalt an persönlichen Lebensentwürfen soll sich eine Gemeinschaft – so die Sehnsucht – an einer festen Burg orientieren, an einem unerschütterlichen Bollwerk, einer starken Bastion, einem eisernen Schild – Metaphern für den repressiven Staat als unerschütterliche Barriere gegen Chaos und Unsicherheit.“

Nach der Lektüre des Buches ahnt man, dass die Rettung der Demokratie keine kurzfristig zu lösende Frage ist, die auch ein schnelles Parteiverbot nicht garantiert. Trojanow zitiert Simone Weil, die dann erinnert, dass alle modernen Parteien stets ihre Ohnmacht beklagen, „die sie stets der unzureichenden Menge an Macht zuschreibt, über die sie verfügt“.

Die Verführung der Macht ist in politischen Systemen, die über ungeheure Mittel ihrer Ausübung verfügen, immanent vorhanden. Kurzum: Wer über ihr Wesen nachdenkt, kommt nie zur Ruhe. Da von allen Seiten – seien sie ökonomisch, religiös oder ideologisch motiviert – Gefahren für den Bestand der Zivilgesellschaft drohen.

Wie immer man zu einem Verbot der AfD steht, die Debatte über den Umgang mit Andersdenkenden ist so wichtig, dass sie nicht mit Schlagworten geführt werden kann. Es ist daher für das Niveau der Auseinandersetzung gut, wenn sich engagierte Schriftsteller wie Trojanow einmischen.

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