„Die IZ-Blogger“: Ibrahim Akbulut kritisiert Kriminalisierung von Kritikern und plädiert für einen vernünftigen Umgang

(iz). Ja, es gibt sie: die Muslimbruderschaft. Auch wenn sie heute nicht mehr das zu sein scheint, was sie vor 80 Jahren war. Aber hier geht es nicht um die reale Muslimbruderschaft, sondern um die imaginierte. Denn quer durch Europa bis hin in die Vereinigten Staaten lässt sich beobachten, dass eine Hysterie geschaffen wird, die einen Teil einer breiteren islamophoben Kampagne darstellt. Und das nicht erst seit Donald Trump.

In den USA glauben 55 Prozent der republikanischen Wählerinnen und Wähler, Präsident Obama sei ein Muslim. Einen Europäer mag dies erstaunen, um es milde auszudrücken. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass diese Verschwörung der „Islamisierung“ der USA mithilfe des politischen Establishments ein geeignetes Mittel darstellt, um eigene Wählerschaften zu mobilisieren, aber auch, um Verunsicherung zu streuen.

Die Kampagne lohnt sich. Waren es 2008 noch „lediglich“ 25 Prozent der republikanischen Wählerschaft, die Obama einen Muslim nannten, stieg diese Anzahl innerhalb von vier Jahren auf mehr als das Doppelte an. Das hartnäckige Wiederholen von Lügen, Stereotypen und Vorurteilen hat ein Ziel: Die vermeintliche Vergewisserung, dass eine Lüge tatsächlich stimme. Es blieb aber nicht „nur“ dabei. Im Umkreis von Tea Party-Aktivisten heißt es gar, Obama würde mit der Muslimbruderschaft gemeinsame Sache machen, um das weltweite Kalifat auszurufen. Nichts ist zu verrückt für die Cowboys des Wilden Westens.

So absurd diese Unterstellungen klingen mögen, so scheinbar real erscheinen sie im Zusammenhang mit als „Muslime“ markierten Akteuren. Und das nicht nur in den USA. Dort ist es zwar vorexerziert worden, etwa wenn der bedeutsamsten Stimme des Islams, der Council of American Islamic Relations (CAIR), die eine Art Lobby für muslimische Angelegenheiten ist, von Angehörigen des republikanischen rechten Flügels die Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellt wird. Mit einem Effekt: Die Stimme dieser sehr vernünftigen und meistgehörtesten muslimischen Organisation zum Verstummen zu bringen, indem sie kriminalisiert wird. Nicht ihre Inhalte sollen beurteilt werden, sondern ihre vermeintliche Identität soll im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

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Gleiches sehen wir in Europa. So wird einer der wichtigsten Stimmen des Islam in Deutschland, Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) eine Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellt. Gleiches galt auch lange Zeit für den ehemaligen Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakeh, ebenso wie für seine damalige Begleiterin, die öffentlich präsente Sprecherin des Islam, Amina Baghajati. Aber auch Politiker werden davon nicht entbehrt. So stünde der sozialdemokratische Wiener Landtagsabgeordnete Omar Al-Rawi ebenso der Muslimbruderschaft nahe.

Diese „Keule“ wird vor allem dann gebraucht, wenn muslimische Akteure Kritik äußern. Die Opponenten des österreichischen Islamgesetzes, hieß es plötzlich, seien ebenso im Dunstkreis der Muslimbruderschaft zu verorten. Wiederum mit einem Ziel: Diese Stimmen, die eben nicht mithilfe von Qur’anversen und Prophetenaussagen im öffentlichen Diskurs auftreten, sondern mit Verweis auf die jeweilige Verfassung des Landes und den Menschenrechten argumentieren, zu kriminalisieren und dadurch zu delegitimieren.

Interessant ist dabei, dass die Akteure, die diese Kriminalisierung vorantreiben, oftmals miteinander in Beziehung stehen. Die European Foundation for Democracy sammelt Personen, die quer durch den Westen die gleichen Anschuldigungen gegenüber den unterschiedlichsten Personen und Gruppen öffentlich machen. Dieser gehören Personen wie Lorenzo Vidino, Valntina Colombo und Ahmad Mansour an, die immer wieder auch in deutschsprachigen Medien wie auch von umstrittenen Polit-Aktivisten wie dem Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger zitiert werden. Sie greifen den organisierten Islam an, indem sie eine Identitätspolitik betreiben. Dass die European Foundation for Democracy antikommunistische Propaganda in neuem Gewand fortführt, scheint nationale wie auch internationale Medien kaum zu kümmern.

Dabei wäre es für einen sachlichen Dialog rund um das emotional aufgeladene Thema Islam umso wichtiger, abseits von gut finanzierten und miteinander global vernetzten Interessengruppen, tatsächlich den vernünftigen Stimmen mehr Raum zum Sprechen zu geben.

Der Autor ist freier Publizist und schreibt vorrangig zum Thema Islam in Europa.

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