Die Stiftung Mercator denkt im Rahmen der 4. Berliner Stiftungswoche über Europa nach

Berlin (iz). Stiftungen haben in Deutschland inzwischen ein beachtliches gesellschaftliches Gewicht. Fast 20.000 wirken in Deutschland und einige mischen sich auch immer wieder bei den großen gesellschaftlichen Themen ein. Im Stiftungswesen bestehen naturgemäß zahlreiche Berührungspunkte zur muslimischen Gemeinde in Deutschland, die – entgegen der großen islamischen Tradition – bisher selbst leider kaum über Stiftungen verfügt. Schwerpunkt der diesjährigen Berliner Stiftungswoche mit zahlreichen Projekten, Ausstellungen und Veranstaltungen war das Thema „Europa“.

Die Stiftung Mercator lud so am Montagabend in ihr Projektzentrum in der Hauptstadt zu einer Diskussionsrunde mit zwei interessanten Gästen ein: dem Publizisten Roger de Weck und dem Entertainer Harald Schmidt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Anke Plättner. Die Stiftung wollte mit einem Bekenntnis zu Europa gegen das wachsende Desinteresse, teilweise auch offene Ablehnung, vieler europäischer Jugendlicher beim Thema Europa entgegenwirken.

Dass es nicht nur ernst zugehen sollte, wurde schon bei der  Einführung der Moderatorin deutlich. Sie ließ die beiden Gäste Sätze über einzelne europäische Staaten vollenden. Es war Harald Schmidt, der sich dabei zu zahlreichen Klischees bekannte, ohne die eben ein Europa noch immer nicht denkbar ist, die aber zum Glück längst keinen Anlass mehr für ernste Freund-Feind-Unterscheidungen geben. Dies obwohl, wie de Weck klug ausführte, schon im Kernbereich Europas – die deutsche und französische Sprache – ernste Mentalitätsunterschiede nicht verbergen könnten.

Leider gelang es der Moderatorin mit ihren Gästen nicht wirklich positiv herauszuarbeiten, was denn nun „europäische Identität“ für alle Europäer wirklich ausmacht. Statt dessen ging es um die unbestrittenen Errungenschaften der bisherigen Europapolitik. Der Schweizer de Weck verwies immer wieder auf das erfolgreiche Friedensprojekt „Europa“, dass er trotzt aller Schwierigkeiten und Kompromisse lobte. Im Zeitalter der sozialen Medien, die aus vielen Ausdruck- und weniger Einflussmöglichkeiten besteht, müsse Europa aus Sicht des Bürgers nun aber weiter demokratisiert werden.

Die Schweiz stellt de Weck dabei als die Urform einer Befriedung potentiellen politischen Streites vor. Das Zusammenwirken der Kantone, so de Weck, habe Jahrhunderte gedauert und sei selbst heute noch schwierig. Dabei sei die Schweiz ohne die Integration von „Ausländern“ nicht denkbar und auch heute müsse sich deswegen jeder Staat zu einer liberalen Flüchtlingspolitik bekennen. Leider ging de Weck nicht darauf ein, warum eigentlich so viele Schweizer sich in den letzten Volksabstimmungen dennoch gegen Europa ausgesprochen haben. Ist das Projekt Europa eben doch für eine echte Demokratie eine Nummer zu groß und – so hätte man gerne nachgehakt – ist die aktuelle Dynamik ökonomischer Prozess rund um den Euro nicht auch geeignet, neuen Unfrieden in Europa zu schaffen?

Mit gewohntem Sprachwitz und Humor verhinderte Harald Schmidt, dass es am Abend nicht allzu ideologisch wurde. Egal, ob Schmidt den luxemburgischen Ministerpräsident Juncker parodierte oder mit ironischem Unterton seine Bewunderung für den SPD-Europapolitiker Schulz in Worte fasste, ließ er doch immer keinen Zweifel, dass das Europaprojekt auch in seinem Sinne irgendwie gelingen müsse. Mit unnachahmlicher Gelassenheit stellte Schmidt den Machtverlust Berlins fest, und verknüpfte ihn mit einer realistischen Einschätzung eigener, nämlich geringer Einflussmöglichkeiten auf die Politik Europas. Im Angesicht der aktuellen Machtfragen erinnerte Schmidt an Diogenes und seinen berühmten Spruch an den Heerführer Alexander „geh mir aus der Sonne“.

Als erfahrener TV-Profi wollte Harald Schmidt, der sein Leben nur zwei Tage vorausplant, weder Hysterie einiger Medien über den andauernd möglichen Untergang teilen, noch aber sich fortlaufend empört über alle „Flüchtlinge“ oder „Hochwasser“ der Welt äußern müssen. Wer in Berlin regiert, so Schmidt, sei im Übrigen nicht so wichtig. Ist Schmidt im Grunde so ein ehrlicher, gar ein typischer Europäer oder, wie Anke Plättner irritiert nachfragte, eben doch ein Zyniker?

Nach einer guten Stunde ging so ein unterhaltsame Runde zu Ende. Ob allerdings die anwesenden jungen Leute, an einem Abend ohne wirklich ernstes Nachfragen, ihr Bekenntnis zu „Europa“ vertieft haben, muss offenbleiben. Die Idee der Moderation wichtiger Debatten durch überparteiliche Stiftungen ist aber auf jeden Fall ein guter Weg.