(iz). Das Ansinnen der Skandalisierer und erst recht der islamophoben Rechtsradikalen lief ins Leere: Die öffentliche Diskussion über die Umwandlung der ehemaligen Kapernaum-Kirche in Hamburg-Horn in eine Moschee gestaltete sich im Endeffekt recht sachlich und unaufgeregt. Mehr noch: Der Umstand, dass auch ein ehemals christliches Gotteshaus nun von Muslimen genutzt werden kann, erscheint nicht mehr als Islamisierung und Untergang des Abendlandes, sondern Teil einer multireligiösen Großstadt-Normalität.
Gekauft wurde die ehemalige Kirche im November letzten Jahres vom Islamischen Zentrum Al-Nour. Die Al-Nour-Gemeinde ist arabisch geprägt und gehört zu den größten der Hansestadt. Sie verfügt mit Samir El-Rajab über einen kompetenten und allseits geschätzten Imam und konnte in den letzten Jahren eine Vielfalt islamischer und gesellschaftlicher Aktivitäten entwickeln. Bei SCHURA Hamburg gehört Al-Nour zu den Gründungsmitgliedern und der Gemeindevorsitzende Daniel Abdin unterzeichnete kürzlich für SCHURA den Staatsvertrag mit dem Hamburger Senat.
Die Gemeinde hatte nur ein Problem: Seit nahezu 20 Jahren befinden sich die Moscheeräume in einer ehemaligen Tiefgarage im Stadtteil St. Georg – ein fensterloser Raum, dunkel und schlecht zu lüften. Schon bei normalen Freitagsgebeten beten Gläubige vor der Tür in einer Garageneinfahrt. Im Ramadan und an Festtagen reichen die Gebetsreihen bis auf die Straße und die Polizei muss den Verkehr sichern. Schon seit vielen Jahren ist dies ein eigentlich unhaltbarer Zustand und die Gemeinde suchte schon ein Jahrzehnt lang nach einem neuen Gebäude – bislang erfolglos. Die Geschichte ist symptomatisch für die vielfältigen Schwierigkeiten von Moscheegemeinden in deutschen Großstädten, ihre Raumprobleme zu lösen: Angesichts immer höherer Immobilienpreise unterliegen Moscheegemeinden der Konkurrenz gewerblicher Investoren. Politik und Verwaltung wollen wegen drohender Konflikte mit Teilen der Bevölkerung keine Moschee bei sich vor der Tür haben und machen deshalb Probleme mit der notwendigen Nutzungsgenehmigung.
So scheiterte in den letzten zehn Jahren jedes mögliche Vorhaben, bis der Gemeinde Ende letzten Jahres über einen Makler der Kauf der ehemaligen Kapernaum-Kirche im Stadtteil Horn angeboten wurde. Es handelt sich dabei um eine Ende der fünfziger Jahre erbaute evangelische Kirche – in einer Zeit, als nach dem Krieg neue Stadtteile entstanden bzw. wieder aufgebaut wurden und die Ausstattung mit einer Kirche als selbstverständlich erschien. Die Zeiten haben sich jedoch gewandelt: Die Zahl der Kirchenmitglieder geht immer weiter zurück, Kirchen bleiben leer und die Kostenlast solcher wenig genutzter aber zwischenzeitlich stark renovierungsbedürftig gewordener Gebäude drückt die Institution Kirche. Folge: Gemeinden werden zusammengelegt und Gebäude verkauft. Genau dies geschah 2005 in Hamburg-Horn auch mit der Kapernaum-Kirche.
Käufer war ein privater Investor und der hatte diverse Pläne: Anfangs sollte es ein Kindergarten werden, später wollte er nur noch abreißen. Auch das ging nicht: Die Stadt hatte in dem Gebäude, da von einem bekannten Hamburger Architekten entworfen, einen kulturhistorischen Wert gesehen und es unter Denkmalschutz gestellt. So stand das zwischenzeitlich entwidmete Kirchengebäude jahrelang leer, verfiel und vermüllte. Anwohner beschwerten sich wegen des Zustandes. So konnte das Islamische Zentrum Al-Nour das Gebäude recht günstig erwerben. Für Umbau und Renovierung werden allerdings noch einmal über eine Million aufgewendet werden müssen. Man ist optimistisch, auch diesen Betrag durch Spenden aufzubringen und plant eine Eröffnung zum 3. Oktober.
Bekannt war die Beschlusslage der EKD zum Verkauf von Kirchen, wonach aus einer Kirche so manches Gewerbe aber keinesfalls eine Moschee werden dürfe und sogar ein Abriss vorzuziehen sei. Diese Beschlusslage kam – da nicht von der Kirche, sondern vom Privatinvestor erworben worden war – formal hier zwar nicht zum Tragen, es war aber klar, dass dies öffentliche Wahrnehmung und Diskussion bestimmen würde. Nachdem der Verkauf durch die Medien ging, rochen die ersten Wortmeldungen dann auch nach drohender Skandalisierung: Einen „Dammbruch“ nannte es ein bekannter ehemaliger Hamburger Pastor und aus der CDU kamen ähnliche Stimmen.
Doch dann gestaltete sich die öffentliche Debatte weitaus ruhiger und sachlicher. Hierzu trug viel die Bischöfin der Evangelischen Nord-Kirche, Kirsten Fehrs, bei. Sie betonte, als Moschee bliebe die ehemalige Kirche ja ein „Gotteshaus“ und verwies auf die positiven Erfahrungen im interreligiösen Dialog mit der Hamburger SCHURA und ihren Gemeinden sowie den Abschluss des Hamburger Staatsvertrages. Auch alle Parteien mit Ausnahme eines Teils der CDU stellten sich positiv zum Vorhaben der Al-Nour-Gemeinde. Man zeigte Verständnis für die Raumprobleme der Moschee und war im Grunde froh, dass das schon als „Schandfleck“ wahrgenommene leer stehende Gebäude nun einer neuen Nutzung zugeführt wird. Diese Stimmung durchzog auch eine Info-Veranstaltung, zu der Al-Nour die Anwohner im Stadtteil Horn eingeladen hatte. Nachdem Gemeindevorsitzender Daniel Abdin die Umbaupläne nochmals ausführlich erläutert und Pastoren aus den Stadtteilen St. Georg und Horn ihre positiven Beziehungen zur Moschee berichtet hatten, blieb unterm Strich viel Zustimmung.
Schließlich versuchten noch islamophobe Rechtsradikale die Sache für ihre Zwecke auszunutzen: Über das Internet mobilisierten „Pro Deutschland“ und die „German Defence League“ zu einer islamfeindlichen Kundgebung. Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ rief jedoch zu einer Gegenkundgebung und Solidarität mit der Moscheegemeinde auf. Über 700 Menschen kamen, eine Pastorin, ein SPD-Bürgerschaftsabgeordneter sowie Daniel Abdin von Al-Nour und der SCHURA-Vorsitzende Mustafa Yoldas sprachen zu den Kundgebungsteilnehmern. Peinlich für die Islamfeinde: Nur knapp über ein Dutzend Personen erschienen kurz, um sich dann mit Polizeischutz abtransportieren zu lassen.
Nun scheint es so, als könnten die Muslime in Ruhe mit den Umbauarbeiten beginnen. Die öffentliche Debatte hat man jedenfalls für sich entscheiden können. Dies ist durchaus ein Erfolg, der – wie auch der Hamburger Staatsvertrag – nicht zum geringen Teil auf den über Jahre entwickelten Beziehungen Hamburger Moscheegemeinden zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Spektren von den Kirchen bis zur „Antifa“ beruhen. Die Al-Nour-Moschee hat dabei sogar noch viele neue Kontakte knüpfen können: „Dafür hätten wir sonst viele Tage der offenen Moschee veranstalten müssen“ resümiert Daniel Abdin.