Ein Bericht vom Islamforum des Deutschsprachigen Muslimkreises Karlsruhe

Am Samstag, den 3.11.2012 fand im Tollhaus das 4. Karlsruher Islamforum des Deutschsprachigen Muslimkreises Karlsruhe statt. Das diesjährige Thema war Gesellschaftliche Integration muslimischer Frauen in Karlsruhe.

(iz). Eingeleitet wurde das Islamforum wie immer mit einer kurzen Qur'anlesung auf Arabisch, die danach ins Deutsche übersetzt wurde. Bürgermeister Klaus Stapf, der in Vertretung von Oberbürgermeister Heinz Fenrich die Grußworte sprach, betonte unter anderem die Notwendigkeit der Diskussion über dieses Thema. Britta Velhagen, die Geschäftsführerin des Tollhauses, die ebenfalls ein Grußwort sprach, wünschte uns viel Erfolg für die Veranstaltung.

Da der Deutschsprachige Muslimkreis mit seinen Islamforen auch Nachhaltigkeit bewirken will, lädt er zu den jeweiligen Themen stets kompetente Gesprächspartner aus Karlsruhe und der Umgebung ein, wie zum Beispiel dieses Mal Migrationsbeirätinnen, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt und die stellvertretende Leiterin des Büros für Integration. Auch einige Stadträte und die kommissarische Leiterin des IBZ sind der Einladung gefolgt.

Da es in diesem Jahr speziell um die Einbindung von Frauen in die Gesellschaft ging, wurde das Programm auch maßgeblich von Frauen geprägt und gestaltet. So führte eine junge muslimische Frau aus dem Vorstand des DMK mit ihrer Moderation durch den Tag und ebenso sprach eine junge muslimische Kunsthistorikerin vom DMK die Einführungsworte, in denen sie bereits schon auf die Problematik des Themas hinwies. Leider musste Frau Prof. Dr. Elisabeth Beck-Gernsheim aus gesundheitlichen Gründen ihre Teilnahme absagen, was von allen Besuchern sehr bedauert wurde, denn gerade auf ihren Vortrag hatte man mit Spannung gewartet.

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//1//Glücklicherweise hatten sich Mitstreiter des Projektes „Garten der Religionen“ bereit erklärt, darüber zu berichten und Christoph Rapp vom Kulturamt der Stadt und Kelsang Chenma vom Menlha-Zentrum für Buddhismus präsentieren die Anfänge dieser Arbeitsgruppe und den jetzigen Stand des Projektes sehr anschaulich.

Danach folgte ein Vortrag der Kölner Soziologin Hasret Karacuban, die auch Sprecherin des Arbeitskreises Grüne Muslime in Köln ist. Sie informierte uns über Zahlen und Fakten bezüglich der Präsenz von muslimischen Frauen in Parteien und Verbänden. Nach der Mittagspause sprach Najoua Benzarti von der Internationalen Islamischen Frauengemeinschaft Karlsruhe über ihre Tätigkeiten, die sich zum größten Teil auf der sozialen Ebene bewegen.

Ihr folgte ein Vortrag von Büsan Ürek vom Begegnungs-und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen in Köln über das Selbstverständnis und die Aussenwahrnehmung muslimischer Frauen. Sie sieht eine Problematik darin, dass der Islam dem Westen und den nichtmuslimischen Frauen gegenüber gestellt wird und nicht dem Christentum und den christlichen Frauen. Viele Missverständnisse entständen auch aus falschen medialen Berichten. Ihrer Erfahrung nach verstehen sich muslimische Frauen sehr wohl als Teil der Gesellschaft und sie seien zudem genauso heterogen in ihren Persönlichkeiten wie nichtmuslimische Frauen auch. Statistiken zufolge sind muslimische Frauen im Durchschnitt gebildeter als muslimische Männer, 1/3 aller muslimischen Frauen sind berufstätig, 1/4 der muslimischen Frauen sind selbständig und nicht angestellt. Viele haben trotz ihres Kopftuches berufliche Karriere gemacht. Das BFmF biete dafür mehrere Projekte an um Frauen beruflich fit zu machen, zum Beispiel Vorbereitungskurse auf Prüfungen zu Schulabschlüssen, Integrationskurse, Erziehungsseminare, Beratungsangebote, Vernetzungsangebote aber auch Fortbildungen für nichtmuslimische Frauen und Multiplikatorinnen und auch den Väterclub. Es gibt Kinderbetreuung während des Unterrichts, Hausaufgabenbetreuung, es werden Moscheeführungen angeboten und es gibt guten Kontakt mit der Stadt Köln und beispielsweise auch Kooperation mit der Polizei. Es gab Einladungen vom Bundespräsidenten und von der Ministerpräsidentin, um nur einiges zu nennen.

Ebenfalls vom BFmF aus Köln sprach danach die Soziologin und Islamwissenschaftlerin Munise Cuma-Oguzay über die Diskriminierung als Frau und Muslima. Sie stellte die Frage, wieso Diskriminierung heute überhaupt noch möglich ist und differenzierte, dass viele Alltagsdiskriminierungen gar nicht auffallen, weil sie so subtil ablaufen und vielfach bagatellisiert werden. Es gebe Mehrfachdiskriminierungen, zum Beispiel als Frau, kopftuchtragende Muslima, Ausländerin und ähnliche, die nicht additiv sind, sondern sich gegenseitig verstärkend. In dem Zusammenhang zitierte sie Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung und Yasemin Shooman vom Zentrum für Antisemitismusforschung, die zu gleichen Ergebnissen gekommen sind. Diskriminierung im Alltag geschieht durch Ablehnung bei der Stellensuche, bei der Wohnungsvergabe, auf der Straße, allgemein durch ungleiche Behandlung, durch Nötigung und auch durch Gewalt. Viele Diskriminierungen werden gar nicht gemeldet, die Betroffenen halten danach eher Abstand zu anderen Menschen und ziehen sich zurück. Als Maßnahme zur verstärkten Aufmerksamkeit gegen Diskriminierungen könnten mit Sicherheit Schulungen wie bei der Polizei und bei Multiplikatorinnen durchgeführt werden.

Nach der Kaffeepause gab es die Möglichkeit, sich in den beiden Foren auszutauschen. Moderiert wurden die Foren von den Migrationsbeirätinnen Jutta Gemeinhardt und Aliz Müller sowie von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Karlsruhe Annette Niesyto und der stellvertretenden Leiterin des Büros für Integration Mirjana Diminic. Leider war die Zeit für diese Besprechung zu kurz und die Teilnehmerzahl sehr hoch, so dass Fakten, Vorschläge und Lösungen nur kurz angerissen werden konnten. Es wurde zunächst gesammelt, worin und wobei sich muslimische Frauen in Karlsruhe engagieren und einbringen: In Sportvereinen, in der Christlich-Islamischen Gesellschaft, in muslimischer Seelsorge, als Sprachlehrerin, als Kontaktperson im Kindergarten und in der Schule, im Elternbeirat, im Garten der Religionen, als Dolmetscherin, als Migrationsbeirätin, im Deutschen Roten Kreuz, im Forum Ehrenamt der Stadt, als Bürgermentorin, um nur einiges zu nennen, abgesehen von Schulbesuchen und Studium natürlich.

Während es in Schule und Studium nicht so viele Hindernisse für muslimische Frauen gibt, beginnen diese dann verstärkt im Berufsleben. Sie äussern sich durch Vorurteile und Ausgrenzungen. Dies wird nur von Muslimen in den Foren genannt, die Nichtmuslime kennen diese Hindernisse meist gar nicht und machen als Hindernis eher fehlende Kenntnisse der Strukturen und Sprachbarrieren verantwortlich. Nichtmuslime sehen eher ein Desinteresse von muslimischen Frauen als Hindernis, wo Männer vermehrt ein Misstrauen von beiden Seiten ausmachen, einige muslimische Frauen jedoch ihre Kleidung als Hinderung von Seiten der Nichtmuslime sehen, aber auch oft die Behinderung durch ihre Männer. Eine große Motivation für muslimische Frauen ist der Glaube, der ihnen Standhaftigkeit gibt und sie auffordert zu lernen und sich zu entwickeln.

Auf die Überlegung, wie man das alles verbessern kann, gab es eigentlich bei allen Teilnehmern die gleichen Vorschläge: Mehr gegenseitige Offenheit, nicht zu hohe Erwartungen haben, mehr gegenseitige Wertschätzung. Die muslimischen Frauen waren aber auch der Meinung, dass sie schon viel erreicht hätten, sie seien selbstbewusster geworden, ihre Wünsche anzubringen und versuchen durchzusetzen, sie sind der Meinung, dass Dialog ein wichtiger Faktor ist, dass man auch Bedarf erst einmal erkennen muss und dass die muslimischen Vereine professioneller arbeiten müssen.

Für die Zukunft wurde herausgearbeitet, dass die Muslime aktiv sein müssen, dass sie Präsenz zeigen müssen, sie müssen Mut haben und dürfen nicht aufgeben, sie sollten nicht alles, was ihnen entgegen gebracht wird, zu sehr emotionalisieren. Nichtmuslime wünschen sich von muslimischen Frauen Neugierde, Offenheit und gemeinsame Aktionen und zudem die Klärung der eigenen Interessen bei beiden Seiten. Auch die muslimischen Frauen wünschen sich mehr Aktivität, mehr Orte der Begegnung schaffen, mehr Informationen gegenseitig und keine Wertung untereinander sondern mehr Wertschätzung. Sie wünschen sich mehr Vernetzung, weniger Ängste, mehr Vertrauen von Nichtmuslimen und eine höhere Nachhaltigkeit der eingebrachten Ergebnisse.

Durch die rege Teilnahme und den hervorragenden Austausch wurde das Zeitlimit stark überschritten, so dass die deutsch-türkische Musikerin Hülya Kandemir erst mit über einer Stunde Verspätung mit ihrer Darbietung beginnen konnte. Mit ihrer wunderbaren Stimme zog sie alle Zuhörer in ihren Bann und man konnte nach getaner Arbeit entspannt das Konzert geniessen. Sie gab eigene Kompositionen zum Besten, sang aber auch bekannte Chansons und Balladen, bei denen sie die Zuhörer zum Mitsingen aufforderte und alle und auch die Kinder begeistert mitmachten.

Natürlich gab es an dem Tag auch wunderbares Essen am Büffet und auch die Gespräche mit Gästen kamen nicht zu kurz. Wir erhielten viel Lob von den Besuchern für dieses interessante Islamforum, vor allem die Jugend, die für die Herrichtung des Büffets und für den Auf- und Abbau zuständig war, bekam viel Anerkennung. Es war ein ereignisreicher Tag und wir verabschiedeten uns voneinander in der Hoffnung, etwas nachhaltig bewegt und angestossen zu haben und so Gott will, immer wieder bemerkenswerte Themen für die Islamforen anbieten zu können.