Im Februar war der indonesische Islamgelehrte Abdullah Gymnastiar zu Besuch in Deutschland. Am 17. Februar hielt er einen Vortrag in der Indonesischen Botschaft in Berlin.
(iz). Abdullah Gymnastiar oder Aa Gym, wie er im Volksmund und in den Medien immer wieder genannt wird, ist einer der wohl bekanntesten und populärsten Islamgelehrten in Indonesien. Vor wenigen Jahren war er der Liebling der Medien, hatte eine eigene Fernsehshow und war für die einfache Bevölkerung so gut wie unerreichbar. Dann heiratete er 2006 zum zweiten Mal; das Medienereignis schlechthin. Viele seiner „Fans“ haben ihm das nicht verziehen, das Fernsehen ließ ihn fallen wie eine heiße Kartoffel, die Zeitschriften zerrissen sich ihre Mäuler und seine Lehrer, so erzählt Aa Gym selbst, dankten Allah dafür, dass Er ihren Schüler einer solchen Prüfung unterzog.
Nach dem ganzen Wirbel ist es ruhiger um Aa Gym geworden. Doch er unterhält noch immer seinen eigenen islamischen Radiosender, wo er regelmäßig nach dem Frühgebet Vorträge hält. Außerdem kümmert er sich als Kyai (traditionelle Bezeichnung für einen Islamgelehrten, der eine Islamschule unterhält) um seine Islamschule. Und der Kyai wird noch immer für Vorträge in ganz Indonesien eingeladen. Und auch in Deutschland ließen es sich die Indonesischen Muslime nicht nehmen, Aa Gym um einen Vortrag zu bitten. Eigentlich wollte er nur seinen Sohn besuchen, der zurzeit das Studienkolleg absolviert. Doch Dakwah muss man machen, wo es gebraucht und gewünscht wird, so der Gelehrte. Also hat er in verschiedenen Städten in Deutschland spontan Vorträge gehalten. So auch in Berlin.
Der Vortrag in der indonesischen Botschaft war gut besucht. Etwa 120 Männer und Frauen genossen die leicht daherkommende, mit lehrreichen Witzen durchzogene und doch tiefgründige Art des indonesischen Gelehrten. Um auch den deutschen Muslimen und nicht-Muslimen den Vortrag von Aa Gym zugänglich zu machen, möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Überblick geben, denn es ist empfehlenswert den Inhalt eines islamischen Vortrages an andere Menschen weiterzugeben.
Abdullah Gymnastiar konzentrierte sich in seinem Vortrag auf fünf Punkte, die für das Leben eines jeden Muslim von Bedeutung sind. Dabei handelt es sich nicht um die fünf Säulen des Islam, obwohl diese sicherlich immer eine Rolle spielen, sondern um fünf Weisheiten, die, wenn man sie verstanden hat und anwendet, das Leben leichter machen.
Der erste Punkt ist, dass wir durch Prüfungen wachsen, deshalb, so sein zweiter Punkt, sind Probleme an sich nicht gefährlich. Gefährlich ist nur, wenn wir die Probleme nicht richtig lösen. Es bringt nichts, so Aa Gym, sich ewig zu ärgern, dass man nun ein Problem hat oder dass man einer Prüfung unterzogen wird. Denn, so der Kyai, wenn der Reis zu Brei geworden ist weil man vielleicht zu viel Wasser beim Kochen benutzt hat, dann ist es keine Lösung sich aufzuregen, sich selbst oder andere zu beschuldigen oder gar den Brei wegzuschmeißen. Wenn Reis zu Brei geworden ist, dann nimmt man Hühnerfleisch, kleingehackte Lauchzwiebeln, geröstete Zwiebeln, süße Sojasoße und etwas Chili und macht daraus leckeren indonesischen Hühnerbrei. So einfach ist das. Das gleiche Prinzip gilt für alle Lebenslagen, nicht nur in der Küche. Wenn einem ein Unglück widerfährt, eine Krankheit trifft oder Geld gestohlen wird, dann soll man sich nicht ärgern oder gar, wie ich es nenne, in den „Konjunktiv 2-Modus“ schalten, wie wir es in Deutschland sehr gerne machen. „Hätte ich nur … dann wäre das nicht passiert“ oder „Wäre ich nur früher losgegangen, dann hätte ich …“. Für solche Überlegungen ist es ganz einfach zu spät, wenn Reis zu Brei geworden ist.
Viele Menschen erleben Stress, so der dritte Punkt des Gelehrten, weil sie ihr Schicksal nicht annehmen können. Sie leben dauerhaft in diesem „Konjunktiv 2-Modus“. Deswegen ist das sich Fügen und das Beste aus einer Situation zu machen die klügste Lösung, denn ändern kann man es sowieso nicht mehr. Das führt auch schon zu dem vierten Punkt, den Aa Gym in seinem Vortrag angesprochen hat. Man soll sich das Leben nicht selbst unnötig schwer machen. Jede Prüfung hat bestimmt ein Ende, also ist es das Beste, das Leben einfach so gut es geht zu meistern. An dieser Stelle warf er die Frage in den Raum, warum die Muslime die Prüfung des Fastens auf sich nehmen und oft ohne großartig zu meckern durchführen. Die Antwort brachte das ganze Publikum zum Lachen: Wir nehmen die Prüfung des Fastens auf uns weil wir wissen, dass irgendwann der Gebetsruf nach Sonnenuntergang zu Maghrib ertönen wird. Das ist der Beweis, so der Kyai, jede Prüfung hat ein Ende. Manchmal dauert es etwas länger, wie das Fasten im Sommer in Deutschland, ein anderes Mal ist die Prüfung schneller vorbei, wie das Fasten im Winter. Ganz sicher ist jedoch, jede Prüfung hat ein Ende.
Der letzte der fünf Punkte des indonesischen Gelehrten ist die Selbstreflektion- und Evaluierung. Denn „Was dich an Gutem traf, dies ist von Allah. Was dich an Unglück traf, dies ist aufgrund eigener (Verfehlungen). […]“ (Quran 4:79).
Menschen, die viele Sünden begehen, erklärt Abdullah Gymnastiar, und Menschen, die an den weltlichen Dingen festhalten, werden mit fortschreitender Zeit immer nervöser und rastloser. Sie können keinen inneren Frieden, keine innere Ruhe, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit finden. Deshalb ist es wichtig, unsere Taten und Worte regelmäßig zu hinterfragen und zu überprüfen und wenn wir feststellen, dass wir einen Fehler gemacht haben, Allah um Verzeihung zu bitten und den Fehler zu korrigieren. Und wir sollten Allah dankbar sein, wenn Er unsere Sünden und Fehler zudeckt und anderen Menschen nicht preisgibt.
Die fünf Punkte, die Aa Gym in seinem Vortrag genannt und erläutert hat, scheinen zum Teil banal, doch, wenn man sie richtig in sein alltägliches Leben integrieren will, den „Konjunktiv 2-Modus“ ausschalten will, sich dem Willen Allahs vollständig fügen und seine eigenen Taten regelmäßig auf den Prüfstand stellen will, dann scheinen diese fünf Punkte alles andere als banal. Sie werden eine regelrechte Herausforderung sein eigenes Leben zu erleichtern und zu verbessern.