Extreme Kälte verschärft Energiekrise in Pakistan. Von Zia Khan

Die Winter in Pakistan sind hart. Doch viele Menschen in dem Land können nicht heizen: Das Gas ist knapp. Hinzu kommen stundenlange Stromausfälle. Die Regierung bekommt die Krise nicht in den Griff.

Islamabad (dpa). Es ist eine frostige Nacht in Rawalpindi im Norden Pakistans. Kurz nach Mitternacht schlüpft Sadaf Nawaz aus dem Bett. Die 30-Jährige macht sich sich daran, das Essen für den morgigen Tag zu kochen, alle drei Mahlzeiten auf einmal. Der Alltag der Hausfrau aus der Provinz Punjab wird in diesem Winter bestimmt durch die streng reglementierte Gasversorgung. Davon hängt ab, wann die Familie kochen und heizen kann. Derzeit wird ihr Haushalt mitten in der Nacht beliefert – für exakt zwei Stunden.

„Es ist schlimm, jede Nacht aufzustehen“, sagt Nawaz. „Aber ich muss das tun. Ich kann nicht ohne Frühstück meinen Mann zur Arbeit und meine Kinder zur Schule schicken.“ Sorgen bereitet der zweifachen Mutter auch, dass ihre Töchter – fünf und sieben Jahre alt – ohne ausreichendes Heizen krank werden könnten. Manchmal, wenn die Kälte unerträglich wird, behilft sich die Familie mit elektrischen Heizgeräten. Die muss sie aber sparsam einsetzen, denn Strom ist teuer in Pakistan. Und nicht immer vorhanden. Bis zu zwölf Stunden am Tag fällt der Strom aus.

Jahrelange Misswirtschaft und Korruption haben Pakistan in eine Wirtschafts- und Energiekrise gestürzt. Die Probleme sind nicht neu, werden durch die extreme Kälte in diesem Winter aber noch verschärft. Die Krise im Energiesektor der südasiatischen Atommacht setzt nun auch die neue Regierung unter Druck. Ministerpräsident Nawaz Sharif von der Muslim-Liga (PML-N) war im Juni 2013 angetreten mit dem Versprechen, die Probleme zu lösen.

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Zwar gibt es erste Verbesserungen – doch die Lage bleibt schwierig. Die Bedrohung durch die pakistanischen Taliban (TTP) rückt dabei in den Vordergrund. In den vergangenen Wochen haben Anschläge wieder zugenommen. Sharif will Friedensgespräche mit den Extremisten führen, doch die lehnen das ab.

Weil sie mit den militanten Islamisten zu tun gehabt habe, habe sich die Regierung nicht ausreichend um den Energiesektor kümmern können, sagt ein ehemaliger Regierungsbeamter. Pro Tag fehlen in dem Land insgesamt etwa 70 Millionen Kubikmeter Gas – rund 60 Prozent des nationalen Bedarfs. Darunter leidet auch die Wirtschaft.

Der 25 Jahre alte Said Wali aus Peshawar besitzt seit drei Jahren ein Taxi, das mit komprimiertem Erdgas (CNG) fährt. Wali will damit seine Familie ernähren, nun droht sein Traum zu platzen. „Ich verdiene nicht genug, wenn ich mein Taxi mit Benzin fahre. Das ist einfach zu teuer“, sagt er, während er in einer langen Schlange vor einer CNG-Tankstelle wartet – hier gibt es das Gas nur an drei Tagen in der Woche.

Schon vor Jahren begann Pakistan, CNG als sauberere, heimisch gewonnene Energiequelle zu nutzen. Seitdem wurden etwa 2,2 Millionen Autos auf den alternativen Antrieb umgestellt. Der Sektor lockte Investitionen an: Heute arbeiten mehr als eine halbe Million Menschen in dem Bereich, wie Ghayas Piracha sagt. Der Chef einer Vereinigung von CNG-Tankstellenbetreibern fürchtet um die Zukunft seiner 3000 Mitglieder, falls die Rationalisierung weitergehe: „Ich glaube nicht, dass wir so überleben können.“

Stark betroffen ist auch die für Pakistan wichtige Textilbranche, die mehr als zwei Millionen Menschen beschäftigt. Die Fabriken erzeugen zwar mitunter eigenen Strom mit kleinen gasbetriebenen Generatoren. Doch kein Gas heißt auch kein Strom für die Maschinen.

Die Gasreserven des Landes gehen allmählich zur Neige. Verschärft wird die Lage durch den steigenden Konsum und eine verfehlte Importplanung. Erdöl- und Bodenschatzminister Shahid Khaqan Abbasi kündigte an, vor dem kommenden Winter Erdgas einzuführen, um die Versorgung zu sichern: „Wir hoffen, dass dies das Problem kurzfristig lösen wird“, sagte er. Eine dauerhafte Lösung werde es aber nur geben, wenn die Inlandsproduktion gestärkt werde, glaubt Asim Hussain, der bis Sommer 2013 selbst Erdölminister des Landes war.

Während die Politik versucht, die Probleme zu lösen, geht Hausfrau Nawaz in Rawalpindi langsam die Geduld aus. „Sharif hat versprochen, dass es diesen Winter anders sein würde als im vergangenen“, klagt sie. „Doch bis jetzt ist alles beim alten. Gott weiß, wie lange wir das noch ertragen müssen.“