Gasleitung bringt Balkanländer Zerreißprobe zwischen EU und Russland

Die umstrittene Gasleitung South Stream bringt für die Balkanländer schwere politische Probleme. Sie sind durch die Ukraine-Krise zwischen Brüssel und Moskau hin- und hergerissen.

Belgrad (dpa). Bulgarien hat Anfang Juni nach massivem Druck der EU-Kommission die Arbeiten an der umstrittenen Gasleitung South Stream eingestellt. Russland versucht mit einer diplomatischen Großoffensive zu retten, was zu retten ist. Außenminister Sergej Lawrow versuchte am Dienstag in Slowenien, den Bau der über 2400 Kilometer langen Pipeline von Russland durch das Schwarze Meer und die Balkanländer bis nach Österreich doch noch zu ermöglichen. Am Vortag hatte er dasselbe Anliegen in Bulgarien besprochen. Serbiens Regierungschef Aleksander Vucic verhandelte am Dienstag in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Das ursprünglich wirtschaftlich angelegte Projekt zur Umgehung des Gas-Transitlandes Ukraine hat durch den Konflikt in diesem Land eine neue politische Krise geschaffen. Die Balkanländer wollen unisono den Bau der neuen Gasverbindung trotz aller Einwände aus Brüssel durchsetzen. Bulgarien verweist dabei auf seine traditionell engen Beziehungen mit Russland, von dessen Gas es nahezu vollständig abhängt. Russen und Serben seien zwei seelenverwandte «unzertrennliche Brüder», die South Stream gemeinsam bauen werden, lauten die Schlagzeilen der serbischen Zeitungen am Dienstag.

Ungarn, das seinen Gasbedarf zu 87 Prozent mit russischen Lieferungen stillt, will das Projekt beschleunigt fertigstellen, sagt Regierungschef Viktor Orban. Der Konflikt zwischen Brüssel und Moskau kommt dem EU-skeptischen Orban, der sich mehr und mehr an Putins Russland anlehnt, da offensichtlich gerade recht. Die EU-Kommission will die bilateralen Verträge zwischen dem russischen Konzern Gazprom und den jeweiligen Balkanländern neu verhandeln lassen, weil sie gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Gazprom dürfe nicht gleichzeitig das Gas liefern und die Pipeline betreiben. Auch müsse die Leitung für Konkurrenzlieferanten offen sein.

Während Bulgarien, Serbien und Ungarn als Russlandfreunde gelten, konnte man das von Österreich als dem Endpunkt von South Stream bisher nicht sagen. Wie ein Paukenschlag musste aus Brüsseler Sicht daher der Ende Juni in Wien unterzeichnete Vertrag über den österreichischen Leitungsabschnitt wirken. Der Wiener Mineralölkonzern OMV unterschrieb mit Gazprom den Bau des 200 Millionen Euro teuren letzten Teilstücks. «Gazprom und OMV stellen EU vor vollendete Tatsachen», titelte denn auch die Wiener Zeitung «Die Presse», womit der «EU gegen den Kopf gestoßen» werde.

Die noch zögernden Länder lockt Moskau mit märchenhaft anmutenden Versprechen. In Bulgarien will es 3,5 Milliarden Euro investieren und 5000 Arbeitsplätze schaffen. 715 Millionen Euro soll das ärmste EU-Land jährlich an Transitgebühren einstreichen. In Serbien sollen 1,5 Milliarden Euro investiert werden und 3500 Menschen dauerhaft Arbeit finden. Und weil die Kassen des armen Landes leer sind, spendiert Gazprom noch großzügige Kredite, mit denen die serbische Finanzeinlage in dem bilateralen South Stream-Unternehmen gesichert wird.