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Gegen den Dollar? EU will den Euro zu einer führenden Weltwährung aufwerten

Foto: Viacheslav Lopatin, Shutterstock

BERLIN/BRÜSSEL (GFP.com). Die EU will den Euro zu einer führenden Weltwährung aufwerten und damit den Einfluss des US-Dollar zurückdrängen. Dies geht aus einem „Aktionsplan“ der EU-Kommission hervor, der am vergangenen Dienstag verabschiedet wurde – unmittelbar vor der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden. Die Absicht, der EU-Einheitswährung größeren Einfluss zu sichern, wird insbesondere mit dem Scheitern der Bestrebungen Berlins und Brüssels in Verbindung gebracht, die extraterritorialen US-Sanktionen gegen Iran abzuwehren.

Entsprechende Schritte hat die Union bereits 2018 in Aussicht gestellt, dabei aber bislang noch kaum Fortschritte erzielt. Gegenwärtig biete nicht zuletzt der Corona-Wiederaufbauplan Aussichten, die Rolle des Euro zu stärken, heißt es: Schließlich avanciere die EU im Zusammenhang mit ihrem 750-Milliarden-Euro-Hilfspaket zu einer der „größten Institutionen der Schuldenausgabe“. Die Pläne, dem Euro größere globale Bedeutung zu verschaffen, gehen mit der Diskussion über weitere Maßnahmen zur Vorbereitung der EU auf künftige globale Wirtschaftskriege einher.

„Begrüßungsgeschenk“ für Joe Biden

Die EU ist weiterhin entschlossen, die Rolle des Euro als Weltwährung zu stärken und so den Einfluss des US-Dollar zurückzudrängen. Ein Aktionsplan der EU-Kommission, der am Dienstag verabschiedet wurde, nachdem er vorab britischen und deutschen Medien zugespielt worden war, sieht zudem Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen aus der Union vor extraterritorialen Sanktionen vor. Der konkrete Zeitpunkt der Veröffentlichung des Aktionsplans – nur einen Tag vor der Vereidigung des neuen US-Präsidenten Joe Biden – sei „nicht sehr freundlich“, hieß es in Kommentaren; schließlich sei das Vorhaben „gegen die Vereinigten Staaten“ gerichtet, deren US-Dollar die Weltmärkte dominiere.

Der neue Aktionsplan stelle schon das „zweite pikante Begrüßungsgeschenk Brüssels“ für die neue US-Administration dar – nach dem Investitionsabkommen, auf das sich die EU und China Ende 2020 im Grundsatz geeinigt hatten, ohne sich mit dem Team um Biden „auf eine gemeinsame Strategie gegenüber Peking zu verständigen“. Brüssel und Berlin haben demnach das Interregnum in Washington genutzt, um strategische Weichenstellungen vorzunehmen und Fakten zu schaffen.

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Gegengewicht gegen die USA

Den Beginn ernsthafter währungspolitischer Souveränitätsbestrebungen der EU datieren deutsche Medien auf den Sommer 2018, als die extraterritorialen US-Sanktionen gegen Iran auch europäische – insbesondere deutsche – Konzerne tangierten. Damals legte das unilaterale Vorgehen der Vereinigten Staaten die Abhängigkeit der EU vom US-Finanzsystem schonungslos offen: Die Trump-Administration drohte Finanzinstituten und anderen Unternehmen aus der Union, die mit Teheran Geschäfte machten, hohe Strafen an – und diese waren nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen.

Im August 2018 forderte Bundesaußenminister Heiko Maaß folglich den Aufbau unabhängiger EU-“Zahlungskanäle“, eines „Europäischen Währungsfonds“ sowie eines unabhängigen „Swift-Systems“, um ein „Gegengewicht“ zu den USA überall dort bilden zu können, wo diese nach Ansicht Berlins „rote Linien“ überschritten. Bereits Ende 2018 kündigte die EU-Kommission eine Reihe von Schritten an, um die „finanzielle Abhängigkeit“ der Eurozone vom US-Dollar zu reduzieren. Damals stand der Handel mit Energieträgern im Zentrum der geldpolitischen Bestrebungen Berlins und Brüssels. Die EU-Kommission wollte Konzerne aus der EU dazu ermuntern, ihre Energiebeschaffung fortan in Euro abzuwickeln. Zudem führte Brüssel Gespräche mit Airbus und etlichen Autobauern, um diese zum Umstieg auf den Euro zu bewegen.

Corona-Hilfen als Chance

Auch in der aktuellen Erklärung der EU-Kommission, die eine „offene strategische Autonomie“ der Union fordert, heißt es in Anspielung auf die Iran-Sanktionen der USA, „unilaterale Aktionen durch Drittstaaten“ hätten den „legitimen Handel und Investments von EU-Unternehmen mit anderen Ländern“ beeinträchtigt.

Zugleich habe eine Untersuchung der Europäischen Zentralbank feststellen müssen, dass die globale Bedeutung des Euro derzeit „auf historischen Tiefstständen“ verharre, hieß es in Medienberichten; die EU wolle daher nun in „Nachbarregionen“ für die Verwendung des Euro als internationales Zahlungsmittel „werben“.

Zudem sollten die Banken- und die Kapitalmarktunion forciert werden. Schließlich werde gerade die massive Schuldenaufnahme durch die EU-Kommission, auf die sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone im vergangenen Sommer zum Kampf gegen die Coronakrise geeinigt hatten, dazu führen, dass die EU die Chance habe, „eine noch prägendere Kraft auf den Finanzmärkten zu werden“.

Da für die „Corona-Hilfen“ erstmals im großen Stil EU-Schulden aufgenommen würden, avanciere die EU zu einer der „größten Institutionen der Schuldenausgabe“; dies mache den Euro zu einem wichtigen Faktor auf den Anleihemärkten. Überdies setze Brüssel auf „sogenannte Sozialbonds und Grüne Bonds“, die spezifische Nachhaltigkeitskriterien erfüllten, weshalb sich die EU-Finanzmärkte zu einem „globalen Zentrum für grüne Finanzprodukte“ entwickeln könnten.

Gegen US-Übernahmen

Um die EU künftig besser vor Sanktionen zu schützen und ihre Kapazitäten für kommende Wirtschaftskriege zu stärken, wird neben den bereits in Diskussion befindlichen Maßnahmen auch ein zunehmender Protektionismus anvisiert.

Durch die Ausweitung des sogenannten Blocking Statute könnten in Zukunft Versuche außereuropäischer Konzerne vereitelt werden, Firmen aus der EU zu übernehmen, heißt es; demnach könnten etwa US-Übernahmen in Europa künftig untersagt werden, wenn Brüssel der Ansicht sei, der Erwerb werde dazu führen, dass sich die betroffenen Unternehmen an unilateral verhängte US-Sanktionen gebunden fühlten.

Zwischen China und den USA

Dem aktuellen Vorstoß der EU-Kommission sind diverse Publikationen unter anderem des European Council on Foreign Relations (ECFR) vorausgegangen, in denen es hieß, die „bipolare Konkurrenz“ zwischen den USA und China werde zu einem „Wandel der Globalisierung“ führen.

Da beide Großmächte einen konventionellen Krieg aktuell zu vermeiden suchten, gingen sie dazu über, „die Architektur der Globalisierung zu manipulieren“. Sowohl die Volksrepublik als auch die Vereinigten Staaten mischten Geopolitik mit Geoökonomie. Beijing suche mit „strategischen Investitionen“ und „staatlichen Hilfen“ die Märkte zu manipulieren und so die Position der EU in Drittstaaten zu unterminieren.

Die USA wiederum „politisierten“ ebenfalls globale Institutionen und Strukturen wie SWIFT, den IWF und die Welthandelsorganisation WTO sowie ihren eigenen Finanzmarkt immer mehr. Es bestehe die Gefahr, dass die EU in den sino-US-amerikanischen Machtkämpfen zerrieben werde.

Die EU als „geopolitische Macht“

Die EU müsse deshalb anfangen, als „geopolitische Macht“ aufzutreten, und ihre „strategischen Ziele“ klar umreißen, heißt es beim ECFR. Hierzu sei es unabdingbar, dass die Union aufhöre, auf geostrategischer Ebene wie eine „fragmentierte Macht“ zu agieren. Die Aufgabenteilung, wonach Brüssel für Fragen des internationalen Handels verantwortlich sei, während die EU-Staaten sich mit den geostrategischen Problemen befassten, müsse überwunden werden, da „andere Mächte“ sehr wohl „ökonomische Mittel instrumentalisieren, um politische Ziele zu erreichen“.

Es gehe vor allem darum, Außenpolitik und Geostrategie in die Debatte um die „Wirtschafts- und Währungsunion“ der EU zu integrieren. Dies liefe letztlich auf einen weiteren Souveränitätsverlust insbesondere der Staaten an der Peripherie der EU hinaus, die kaum Möglichkeiten haben, ihre außenpolitischen Interessen in den von Berlin und Paris dominierten Machtstrukturen der EU zu realisieren.

Vorkehrungen für Wirtschaftskriege

Neben den derzeit von der EU-Kommission diskutierten Vorschlägen zur Stärkung der Rolle des Euro propagiert der ECFR nicht zuletzt auch eine umfassende „Digitalisierung“ der EU-Einheitswährung, um deren „Widerstandsfähigkeit“ gegenüber äußerem Druck zu stärken und die Einsichtnahme von Drittstaaten in die Finanzströme der EU zu erschweren. Dies geschieht in Konkurrenz zu entsprechenden Projekten der USA und Chinas.

Demnach soll der Aufbau „kollektiver Verteidigungsinstrumente“ die EU bei künftigen Wirtschaftskriegen in die Lage versetzen, auf „ökonomische Nötigung“ schnell und effizient zu reagieren, heißt es – unter anderem durch das Implementieren von Sanktionen. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang der Aufbau einer „Europäischen Exportbank“, die internationale Zahlungskanäle auch bei US-Sanktionen gegen Drittstaaten offen hielte. Ein „Widerstandfonds“ soll Konzernen aus der EU Kreditgarantien und sonstige „Solidaritätsmaßnahmen“ zukommen lassen, sofern sie durch Zwangsmaßnahmen dritter Mächte bedroht würden.

Zudem müsse der Fluss „sensibler Daten“ in die USA mit einem neuen Rahmenabkommen für den IT-Sektor gestoppt werden. Es gehe auch darum, EU-Konzerne vor „gesetzwidriger Datenentwendung“ durch chinesische und US-amerikanische Stellen zu schützen. Ein EU-“Büro für Widerstandsfähigkeit“ könnte schließlich Marktmanipulationen konkurrierender Großmächte analysieren und konkrete Sanktionsschritte gegen Personen oder Institutionen koordinieren.