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Ökologie: Wie funktioniert „grüner Islam“?

Ausgabe 363

grüner islam
Foto: Dasha Petrenko/Shutterstock

Grüner Islam: Während die Welt mit unzähligen Umweltproblemen zu kämpfen hat, zeigen immer mehr Studien, dass Religion dabei eine wichtige Funktion hat.

(The Conversation/iz). Sie beeinflusst die Weltanschauung der Menschen, einschließlich ihrer Einstellung zur Natur und ihrer Rolle darin. Dies gilt ebenfalls für den Islam, eine der größten und am schnellsten wachsenden Glaubensbewegung der Welt. Von Eva F. Nisa & Faried F. Saenong

Seine Lehren zum Schutz der Umwelt können uns hier helfen, besser auf die ökologische und klimatische Krise zu reagieren. Die muslimische Sphäre kann dabei insbesondere auf Beispiele wie Indonesien blicken, wo die „Green Islam“-Bewegung wächst.

Auch in Deutschland gibt es ebenso Ansätze, die seit Jahren unter großer Anteilnahme von Projekten wie NourEnergy dargelegt werden.

Schauen wir uns also einmal genauer an, wie die islamischen Lehren den Schutz der Natur fördern und eine gemeinsame Grundlage für Umweltmaßnahmen über Glaubens- und Kulturgrenzen hinweg schaffen.

Im Din werden wir als Khalifa oder Verwalter der Welt bezeichnet. Die Lehre besagt auch, dass der Islam „eine Gnade für alle Geschöpfe“ ist. Das bedeutet, dass Muslime für das Wohlergehen sämtlicher Lebewesen auf der Erde verantwortlich sind – Menschen, Tiere, Pflanzen, Land und Wasser. Der Schutz der Umwelt gilt als Akt der Verehrung.

Die Farbe Grün hat seit jeher eine Bedeutung. Sie soll die Lieblingsfarbe des Propheten Muhammad, Heil und Segen auf ihm, gewesen sein und symbolisiert Hoffnung, Paradies und neues Leben. Der Qur’an – die heilige Offenbarung des Islam und Hauptquelle seiner Lehre – befasst sich häufig mit der Natur.

Er beschreibt den Himmel, Bäume, Flüsse und Tiere sowie ihre Schönheit. Er erinnert die Menschen auch daran, in Mizan, im Gleichgewicht mit der Umwelt, zu leben, beispielsweise in Versen wie: „Den Himmel hat Er emporgehoben und die Waage aufgestellt, damit ihr beim Wägen nicht das Maß überschreitet.“ (Ar-Rahman, Sure 55, 7)

Die Hadithe, eine weitere Quelle der Lehre, fördern ebenfalls den Umweltschutz. Sie sind eine Sammlung von Worten, Taten und Zustimmungen, die dem Gesandten Allahs, Heil und Segen auf ihm, zugeschrieben werden.

Die Geburt eines „Grünen Islam“

Während der Qur’an und die Hadithe schon seit Langem über die Natur sprechen, ist die Bewegung des „Grünen Islam“ erst vor kurzem entstanden. Muslimische Gelehrte wie Seyyed Hossein Nasr gehörten zu den frühen Stimmen, die diese Idee formulierten.

In den späten 1960er Jahren argumentierte er, dass Umweltprobleme nicht nur physischer, sondern auch geistiger und moralischer Natur seien. Er war der Ansicht, dass Menschen unabhängig von ihrem Glauben wieder zu spirituellen Werten zurückfinden sollten, die Achtsamkeit und Ausgewogenheit lehren.

In den folgenden Jahrzehnten, als sich die Degradierung der Ökologie verschärfte, wurden immer mehr Stimmen laut, die eine auf islamischen Grundsätzen basierende Verantwortung für die Umwelt forderten. Dies wurde durch eine wachsende Zahl von Forschungsarbeiten unterstützt, die sich mit der Beziehung zwischen Allahs Din und dem Umweltschutz befassten.

In den letzten 25 Jahren hat sich der „grüne Islam“ von der Theorie zur Praxis entwickelt. Heute werden diese Ideen in vielen muslimischen Ländern und Gemeinschaften auf der ganzen Welt umgesetzt.

Foto: Langgeng A. Utomo

Indonesien steht im globalen Rampenlicht

Indonesien steht vor einer Reihe dringender Umweltprobleme, darunter Entwaldung, Luftverschmutzung und Meeresverschmutzung. Dieser Staat gehört außerdem zu den zehn heftigsten Treibhausgasemittenten der Welt.

Indonesien ist ebenfalls das größte mehrheitlich muslimische Land der Erde und steht an der Spitze der Bewegung für einen „grünen Islam“. Dort trägt sie dazu bei, Führungskräfte und Gemeinden für den Umweltschutz zu mobilisieren.

Ökologie wird an muslimischen Bildungseinrichtungen im ganzen Land unterrichtet. Dies wird durch das nationale Programm „Grüne islamische Internatsschulen“ (Pesantren Hijau) unterstützt. Seine religiösen Internate (oder Pesantren) sind groß und gut etabliert. Ihre Lehrer und Lernenden genießen hohes Ansehen.

Dadurch eignet sich das Schulnetzwerk besonders gut, um umweltfreundliche Praktiken sowohl innerhalb der Schulen als auch in der breiteren Bevölkerung zu fördern.

Im Jahr 2022 wurde die nationale Moschee des Landes, Istiqlal, als weltweit erste Kultstätte von der International Finance Corporation als naturbewusst zertifiziert. Das Gebäude verfügt über reflektierende Farbe für das Dach und die Außenwände, energiesparende Beleuchtung, intelligente Energiezähler und Sonnenkollektoren.

Außerdem sind Wasserhähne mit geringem Durchfluss und ein Wasserrecyclingsystem installiert. Professor Nasaruddin Umar, ihr Großimam, sagte, sie sei zu einem „Zentrum der Aufklärung für den Umweltschutz” geworden.

Die indonesische Regierung hat religiöse Führer dazu aufgefordert, Umweltthemen in ihre Predigten aufzunehmen. So hat beispielsweise das Ministerium für religiöse Angelegenheiten im April dieses Jahres Prediger dazu ermutigt, anlässlich des Earth Day während der Freitagsgebete über den Naturschutz zu sprechen.

Foto: NourEnergy, RootsRetreat 2024

Ein konstruktives Beispiel aus Deutschland

Längst hat die Bewegung des „Grünen Islam“ auch in muslimischen Gemeinschaften, die als Minderheiten bspw. im Westen leben, Fuß gefasst. Zuerst fand das im englischsprachigen Raum unter dem Begriff „Green Deen“ statt. Einer ihrer Gründer war Ibrahim Abdul Matin, der in den USA ein gleichnamiges Buch veröffentlichte.

Darin ging es nicht bloß um theoretische oder abstrakte Fragen. Zu mehreren Themen wurden ebenfalls praktische Ratschläge erteilt.

Das gilt auch für Deutschland. Ein relevanter Repräsentant ist das aktive und renommierte Projekt „Halal & Tayyib: Vom Erbe zum Bewusstsein“ von NourEnergy e.V. Im Mai letzten Jahres publizierte der Verein ein wichtiges Buch. Mit ihm legt er – nach einführenden Kapiteln – einen Schwerpunkt auf konkrete Veränderungen in der Lebensführung deutscher Muslime.

Sein Ziel besteht darin, Einzelne und ihre Gemeinschaften für die Verbindung zwischen der Praxis von „halal“ (erlaubt) und „tayyib“ (nachhaltig oder vollwertig) zu sensibilisieren. Über die rein islamrechtliche bzw. juristische Betrachtung aus dem Bereich „halal“ soll die ethische und lebenspraktische Dimension von „tayyib“ in den muslimischen Diskurs gerückt werden.

Außerdem stellen die MacherInnen eine Verbindung zwischen islamischen Traditionen und zeitgenössischen Herausforderungen vor. Der Titel soll aufzeigen, wie traditionelle Konzepte in Allahs Din auf aktuelle Themen wie Umweltschutz, faire Arbeitsbedingungen und verantwortungsvollen Konsum angewendet werden können.

Dass es dabei nicht bei bloß theoretischen Vorstellungen und Anforderungen bleibt, verdeutlichen diverse Kapitel des Bandes durch ihre praktischen Ansätze, Vorschlägen zu Änderungen des Lebensstils sowie einem umfangreichen Anhang mit Rezepten.

Wie NourEnergy e.V. in seinem Vorwort schreibt, ist „Halal & Tayyib“ das Ergebnis einer „langen, inspirierenden Reise“. Als Ausgangspunkt gilt der Qur’anvers: „Darum esst nun von den erlaubten (halal), guten (tayyib) Dingen, womit Allah euch versorgt hat. Und seid dankbar für Allahs Huld, wenn Er es ist, dem ihr dient.“ (An-Nahl, Sure 16, 114)

Dieser Ansatz soll eine Suche nach den „vielfältigen Facetten und Bedeutungsebenen“ dieses Verses sein. Dabei stellen sich einige wesentliche Fragen die nach dem Platz des Menschen in der Schöpfung, nach der menschlichen Verantwortung sowie der Beziehung zwischen Konsum (und demnach Ressourcenverbrauch) in der materiellen Welt und Nähe zu Allah.

Es macht in seiner Gesamtheit deutlich, dass es sich dabei um relevante Aspekte handelt und kein bloßes Beiwerk. Die gegenwärtige ökonomische Ordnung der Welt – „Globalisierung, Kapitalismus und technischer Fortschritt“ –, an der Muslime wie der Rest der Menschheit Anteil haben, bringe nicht nur Vorteile, „sondern vor allem auch eine Vielzahl an Leid und folgenschweren Problemen für Mensch und Mitwelt“.

Diese schwerwiegenden Herausforderungen beträfen die gesamte Schöpfung – und damit ebenso „unsere Lebenrealität“. Mit diesem nötigen Wissen im Gepäck könnten Muslime sich auf den Weg zu ihren Spuren machen.

Ein großer Aspekt des Buches stellt die Frage nach der Lebensweise – und wie wir diese nachhaltiger und unserem Schöpfungszweck angepasst wandeln können. Die gegenwärtige sei, so die AutorInnen, aus dem Gleichgewicht geraten. Massenproduktion (auch Massentierhaltung), Gier und Habsucht, maßloses Kaufverhalten und Profitsucht hätten bewirkt, dass der Mensch „kein gesundes und friedliches Leben“ führen könne.

Foto: kenchiro168, Adobe Stock

Blick in eine grüne Zukunft

Prominente Beispiele für einen „grünen Islam“ finden sich auf der ganzen Welt. In Marokko gibt es beispielsweise eine Bewegung für entsprechende Moscheen. In Ägypten hat das Dar al-Ifta eine Fatwa erlassen, die Aktivitäten verbietet, die der Natur schaden.

Und viele Länder unterstützen Umweltinitiativen durch Instrumente zur Finanzierung umweltfreundlicher Projekte, die mit den Grundsätzen von Allahs Din übereinstimmen.

In einer Zeit wachsender ökologischer Herausforderungen sind alle Quellen der Weisheit von entscheidender Bedeutung. Die Lehren des Islam bieten ebenso wie weitere spirituelle Traditionen Orientierung für ein Leben im Einklang mit der Natur. Gemeinsam können sie zu sinnvollen und praktischen Maßnahmen für unseren Planeten inspirieren.

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