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Anlass für Hoffnung auf ein Ende des Massakers?

Hoffnung
Foto: The White House/flickr | Lizenz: gemeinfrei

Hoffnung auf ein Schweigen der Waffen? Die Unterzeichnung der ersten Stufe des Gaza-Friedensplans erfolgt im Schatten eines Blutvergießens, das die Region gezeichnet hat.

(iz, KNA). Der Schritt wurde bisher kaum wie ein Neubeginn gefeiert, sondern als Versuch, die Gewaltspirale anzuhalten, die in den vergangenen zwei Jahren zu zehntausenden Toten und einer verwüsteten Zivilgesellschaft geführt hat.

Das israelische Kabinett wolle nach Meldungen heute zusammenkommen, um das Abkommen formell zu genehmigen, teilte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Nacht zu Donnerstag mit. Er sprach von einem „diplomatischen Erfolg und einem nationalen und moralischen Sieg für den Staat Israel“.

Die Hamas bestätigte zeitgleich die Einigung auf eine Abmachung, „die ein Ende des Krieges gegen Gaza, den Rückzug der Besatzungsmacht aus Gaza, die Einfuhr von Hilfsgütern und einen Gefangenenaustausch vorsieht“.

Sie forderte US-Präsident Donald Trump, die vermittelnden Parteien und weitere internationale Kräfte auf, Tel Aviv zu einer vollständigen und sofortigen Umsetzung der Vereinbarung zu zwingen. Er sagte dem Sender „Fox News“, die Entführten würden voraussichtlich am Montag nach Israel zurückgebracht, einschließlich der Leichen der getöteten Geiseln. Es befinden sich 48 Verschleppte im Gazastreifen. 26 wurden von Tel Aviv für tot erklärt.

Hoffnung vs. Bilanz von Gewalt und Zerstörung

Dieser Krieg begann nach einem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und über 250 Geiseln verschleppt wurden. Die israelische Reaktion darauf war eine zweijährige, kaum unterbrochene Phase der totalen Gewalt, offiziell zur Ausschaltung der Hamas, die den Gazastreifen in eine Trümmerlandschaft verwandelte.

Laut Angaben von Gesundheitsbehörden wurden seit Beginn des Krieges über 65.000 Palästinenser getötet, mehr als 160.000 Menschen verletzt. In den vergangenen zwei Jahren wurden die Einschätzungen der, von der Hamas kontrollierten Behörde in hiesigen Medien häufig als nicht glaubwürdig gekennzeichnet. Dabei kommen NGOs, Fachleute und supranationale Hilfswerke wie UN-Agenturen zu ähnlichen Schlüssen.

Wissenschaftliche Bewertungen gehen inzwischen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Opfer sogar höher liegen könnte, da viele Todesfälle in den Ruinen des Gebiets nicht offiziell registriert sind.

Flucht und Vertreibung sind bis heute Alltag für fast zwei Mio., weshalb große Teile Gazas nun als unbewohnbar gelten. Das soziale und medizinische System brach zusammen, Hunderttausende leben seit Monaten in Befehlslagern ohne ausreichende Versorgung mit Wasser, Nahrung oder Medikamenten. Die jüngsten Berichte über Hunger, Krankheit und Gewalt spiegeln eine Lage wider, die weit von irgendwelchen Fortschritten oder einem Gefühl von Sicherheit entfernt ist.

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Hilfsorganisationen: Waffenstillstand muss ein Ende von Tod und Entbehrung bedeuten

Das Abkommen zum Ende des Krieges und der Geisel- und Gefangenenfreilassung seien „erfreuliche Nachrichten“, erklärte der Generalsekretär des Hilfswerks Caritas Jerusalem, Anton Asfar. Man erwarte mit Spannung die Klärungen über humanitäre Korridore nach Gaza sowie darauf, „mit dem Aufbau menschlicher Seelen im Heiligen Land“ zu beginnen.

Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) begrüßt die Ankündigung eines Waffenstillstands zwischen Israel und Hamas als Hoffnungsschimmer nach zwei Jahren schwerer Gewalt in Gaza. Sein Generalsekretär Jan Egeland fordert beide Seiten zu gutem Willen und zur strikten Einhaltung des Abkommens auf, inklusive Freilassung von Geiseln und palästinensischen Gefangenen sowie umfangreicher humanitärer Hilfe.

Vertriebene Palästinenser müssten sicher zurückkehren können. Die alleinige Einstellung der Bombardierungen löse nicht die Not: Die Infrastruktur ist zerstört, Hunger breitet sich aus. Hilfsorganisationen benötigen freien Zugang.

Der NRC habe Hilfsgüter bereitstehen – deren Einfuhr müsse Israels Regierung gewährleisten. Die internationale Gemeinschaft darf Fehler früherer Waffenruhen nicht wiederholen und müsse einen gerechten und dauerhaften Frieden anstreben, der Sicherheit und Selbstbestimmung garantiert.

Friedensplan

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Der Weg zu den aktuellen Verhandlungen

Die immer wieder aufblitzende Aussicht auf Friedensgespräche stand stets im Schatten neuer Angriffe und gescheiterter Waffenruhen. Im Sommer 2025 begegneten israelische Truppen weiterhin bewaffnetem Widerstand, während in den Verhandlungszimmern von Kairo, Doha und Ankara Abgesandte beider Seiten – unter massiver US-Einwirkung – an einem Abkommen arbeiteten.

Druck erzeugte dabei vor allem die Öffentlichkeit in Israel, die mit Massenprotesten für die Freilassung der Geiseln auf die Straße ging, während in Gaza die Hoffnungslosigkeit, mangelnde Infrastruktur und das lähmende Ausmaß an Verlusten jede politische Bewegung überschatteten. Die jüngste US-Initiative unter Präsident Trump zielte vor allem auf rasche Entlastung und eine praktische Formel für Geisel- und Häftlingsaustausch ab.

Die Ergebnisse des Abkommens

Die heute unterzeichnete erste Stufe des Friedensplans ist daher weniger ein Zeichen des Aufbruchs, sondern ein pragmatisches Eingeständnis des Scheiterns aller militärischen und politischen Versuche, den Konflikt einseitig und dauerhaft zu lösen. Die Kernpunkte umfassen:

  • Die Freilassung der verbliebenen Geiseln – von denen aktuell kaum zwanzig leben sollen – innerhalb weniger Tage. Am Dienstag erklärten Hamasunterhändler in Kairo sich zur Übergabe sämtlicher Entführter bereit – der lebenden und der getöteten.
  • Die Entlassung von bis zu 2.000 palästinensischen Häftlingen, viele davon mit jahrzehntelangen Haftstrafen.
  • Einen kontrollierten Rückzug israelischer Soldaten auf eine Linie, die weiterhin umstritten ist und potenziellen Zündstoff für neue Auseinandersetzungen birgt.
  • Die grundsätzliche Zusicherung für einen sofortigen und bedingungslosen Zugang zu humanitären Hilfen, Wiederherstellung von Wasser und Strom sowie eine Teilreparatur des Krankenhaussystems.

Diese Schritte sind von Misstrauen und Sicherheitsbedenken begleitet. Internationale Organisationen mahnen eine genaue Beobachtung und nachhaltige Überprüfung der Umsetzung an. Die eigentlichen politischen Fragen, etwa die künftige Verwaltung des Gazastreifens oder die Entwaffnung radikaler Akteure, bleiben vorerst ausgeklammert und drohen den Konflikt erneut zu entflammen.

Fortbestehende Gefahren und kritische Perspektiven

Die humanitäre Lage in Gaza ist nach wie vor katastrophal. Alleine im September 2025 starben fast 2.500 Menschen bei Kampfhandlungen bzw. israelischen Angriffen. Die Kontrolle über die Rückzugslinie der IDF ist weiterhin ein Hauptstreitpunkt, der die Waffenruhe gefährden könnte.

Die Einrichtung einer „Übergangsregierung“ aus palästinensischen und internationalen Experten stößt sowohl bei Teilen der Bevölkerung als auch bei israelischen Milieus auf Widerstände. Die meisten sozialen Gruppen im Gazastreifen sind angesichts der Zerstörung und des andauernden Mangels an Lebensgrundlagen kaum zur Mitwirkung bereit.

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Die Prognose bleibt daher vorsichtig: Einzelne Extremisten auf beiden Seiten könnten den Friedensprozess durch neue Anschläge und Provokationen jederzeit stoppen. Das gegenseitige Misstrauen und die vagen Zusagen über Amnestien für Hamas-Mitglieder bergen erhebliches Eskalationspotenzial, da sich radikale Akteure kaum steuern lassen.

Gleichzeitig bleibt der Wiederaufbau des Gazastreifens eine Mammutaufgabe, die Jahre in Anspruch nehmen und internationale Hilfe voraussetzen wird. Die Bevölkerung lebt weiterhin in improvisierten Behausungen, die Infrastruktur ist weitgehend zerstört, und Krankheiten breiten sich aus.

Es wird absehbar sein, dass jeder kleine Fortschritt in den kommenden Wochen und Monaten stets unter dem Eindruck und der Last der zurückliegenden Gewalt bewertet werden muss.

Fazit

Das heute verabschiedete Abkommen ist weniger das Resultat diplomatischer Erfolge als die Folge eines fortdauernden Scheiterns militärischer und politischer Lösungsversuche, die zehntausende Menschenleben gefordert und die Lebensgrundlagen einer gesamten Region zerstört haben.

Die Hoffnung auf Entlastung ist vor allem Ausdruck physischer und psychischer Erschöpfung einer Bevölkerung, für die „Frieden“ aktuell nichts anderes bedeutet als das vorläufige Ende der unmittelbaren Todesgefahr – und keineswegs eine Perspektive auf Normalität oder Zukunft.

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