Hintergrund: Eine Chronik der politischen Entwicklung in Mali

Bamako (KNA). Mali steckt nicht mehr nur in einer Krise, sondern spätestens seit Beginn der französischen Militärintervention am 11. Januar auch im Krieg. Begonnen hat der Zerfall des Landes allerdings bereits vor einem Jahr. Eine Chronik der Entwicklungen. Noch unbeobachtet von Europa gelang es der Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) ab Januar 2012, große Teile des Nordens, der rund zwei Drittel des Staatsgebietes ausmacht, einzunehmen. Die MNLA kämpft nach eigenen Angaben für die Belange der Tuareg und forderte mehr Autonomie und Rechte für das Nomadenvolk, griff allerdings zu blutigen Mitteln. Als besonders brutal gilt das Massaker von Aguelhok, einer Stadt in der Region Kidal im Nordwesten. Am 17. Januar 2012 sollen Dutzende Soldaten und Zivilisten getötet worden sein.

Zwei entscheidende Faktoren machten den Vormarsch der MNLA möglich. Die malische Armee gilt seit Jahren als schlecht ausgerüstet und ausgebildet. Beobachter begründen das mit einem viel zu geringen Verteidigungsetat, der über Jahre nicht aufgestockt wurde. Die Tuareg-Kämpfer erhielten hingegen große Mengen an Waffen aus Libyen. Viele MNLA-Mitglieder hatten vorher für Muammar al-Gaddafi gekämpft. Nach dessen Sturz gingen sie mit ihrer Ausrüstung zurück in die Heimat.

Die malische Armee wurde von der Stärke der MNLA-Kämpfer überrascht. Vorher waren die Tuareg bereits zweimal gescheitert. Von 1990 bis 1995 sowie im Jahr 2007 rebellierten sie gegen die Regierung in Bamako. Ihre Forderungen waren schon damals ähnlich. Sie bewerteten das nach der Unabhängigkeit von Frankreich geschaffene Staatsgebilde als künstlich und von oben aufgestülpt. Vor allem der Aufstand ab 1990 stürzte den Norden in eine Krise. Zehntausende Menschen flohen, viele retteten sich ins Nachbarland Mauretanien. Große Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Beendet wurde die Rebellion mit dem Friedensabkommen von 1995.

2012 gelang der malischen Armee kein Sieg über die MNLA. Diese Tatsache soll entscheidend zum Putsch gegen den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Toure beigetragen haben. Der einstige Staatschef soll trotz aussichtsloser Lage immer weiter Soldaten in den Norden geschickt haben. Am 22. März brachte eine Gruppe um Hauptmann Amadou Haya Sanogo ihn daraufhin zu Fall.

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Was im Land anfangs positiv aufgenommen wurde – verbunden mit der Hoffnung, dass nun endlich Bewegung in den Konflikt komme – stürzte Mali noch tiefer in die Krise. Seit dem Putsch hat das Land, in dem rund 14 Millionen Menschen leben, keine demokratisch legitimierte Regierung mehr. Die Übergangsregierung gilt als schwach. Außerdem bewies Hauptmann Sanogo mehr als einmal, dass das Militär auf politischer Ebene über viel Macht verfügt. Anfang Dezember setzte er über Nacht Ministerpräsident Cheick Modibo Diarra ab und ernannte Diango Cissoko zu dessen Nachfolger.

Als schwerwiegender als die politische Krise in Bamako wird jedoch die Entwicklung im Norden betrachtet. Nur drei Wochen nach dem Putsch rief die MNLA den Staat Azawad aus. Fast gleichzeitig breiteten sich zwei Bewegungen in der Region aus: die radikalen „Islamisten“ von Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) sowie die „islamistische Terrorbewegung“ für Einheit und Jihad in Westafrika (MUJAO). Ihr oberstes Ziel ist die Einführung der Scharia. Schon länger in der Region präsent ist die Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi), die von dort ihren Drogen- und Waffenhandel organisieren soll.

Seit der Übernahme des Nordens durch die „Islamisten“ wird über Maßnahmen diskutiert. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS drängte schon früh auf eine militärische Intervention. Die internationale Gemeinschaft verhielt sich jedoch zögerlich. Erst am 20. Dezember 2012 gab der UN-Sicherheitsrat sein Einverständnis für die Entsendung von 3.300 Soldaten aus den ECOWAS-Ländern. Noch bevor diese in Mali eintrafen, übernahm am 11. Januar die einstige Kolonialmacht Frankreich die Initiative und setzte Kampfflugzeuge ein. Darum gebeten hatte zuvor Interimspräsident Dioncounda Traore. Der französische Einsatz wird in Mali überwiegend positiv aufgenommen.