Wiesbaden (dpa) Egal ob Fleisch, Obst oder Gemüse: Der kräftige Anstieg der Nahrungsmittelpreise macht sich immer deutlicher beim Einkauf bemerkbar. Das trifft Verbraucher umso härter, je weniger Einkommen sie haben. Denn diese Menschen geben in der Regel einen besonders großen Teil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse wie Ernährung aus, sagt Expertin Sabine Touil vom Statistischen Bundesamt. Da schmerzt es schnell, dass Paprika fast die Hälfte mehr als vor einem Jahr kostet, Kartoffeln 44 Prozent und Butter sich in nur zwölf Monaten fast um ein Drittel verteuert hat.
Dabei steigen die Verbraucherpreise mit 1,9 Prozent in einem Tempo, das nahe dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt – und deutlich unter der Teuerung zu D-Mark-Zeiten.
Kein Wunder also, dass die «offizielle» Inflation, die das Statistische Bundesamt nach einem repräsentativen Warenkorb berechnet, bei manch einem Verbraucher nur Kopfschütteln verursacht. Denn gefühlt liegen die Preissteigerungen im «Teuro»-Land oft noch höher als das, was Statistiker amtlich errechnen.
«Die gefühlte Inflation ist bei Gütern des täglichen Bedarfs viel höher als bei monatlichen Abbuchungen wie der Stromrechnung – weil man sie ganz bewusst erlebt», betont Experte Alexander Koch von der Bank Unicredit. Zudem sind Experten überzeugt, dass Verbraucher Preissteigerungen stärker wahrnehmen als Preissenkungen.
Doch vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen wird das Leben im Moment tatsächlich teurer. «Derzeit steigen vor allem die Preise für Nahrungsmittel. Das erfährt man täglich beim Einkauf im Supermarkt. Das treibt die gefühlte Inflation nach oben, aber auch die tatsächliche», sagt Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und betont: «Weil Haushalte mit niedrigem Einkommen einen höheren Anteil ihrer Ausgaben für Nahrung aufbringen, sind Ärmere stärker betroffen als Reiche.»
Auch die Wiesbadener Statistiker wissen, dass sie mit ihren Berechnungen zwar ein Gesamtbild zeichnen, aber keinesfalls die Belastungen des einzelnen Verbrauchers aufzeigen: «Die Inflationsrate lässt sich nicht direkt auf die eigene Situation übertragen, da sie sich auf die Konsumausgaben aller privaten Haushalte in Deutschland bezieht. Wer zum Beispiel kein Auto hat, wird auch kein Geld für Kraftstoffe ausgeben – diese gehören aber zum Warenkorb der Preisstatistik.»
Deshalb bietet die Behörde auf ihrer Internetseite einen «persönlichen Inflationsrechner» an. Dort können Verbraucher die Gewichtung einzelner Warengruppen nach ihren persönlichen Ausgaben verändern und so erfahren, wie sehr sich ihr Leben verteuert hat. Demnach gibt ein Durchschnittshaushalt 9,1 Prozent für Nahrung aus, bei Ärmeren können es aber bis zu 20 Prozent sein, schätzt Horn.
Der «persönliche Inflationsrechner» zeigt: Wenn alle anderen Ausgabenanteile gleichbleiben, sich die Ausgaben für Nahrung aber auf ein Fünftel erhöhen, beträgt die «persönliche Inflation» 2,4 Prozent – statt der offiziellen 1,9 Prozent. Denn im Moment gilt: Je größer der Einkommensanteil ist, den Haushalte für Lebensmittel ausgeben, desto höher fällt die persönliche Inflationsrate aus.
Auch die Preise für Strom oder Tabak sind binnen Jahresfrist schneller gestiegen als die Verbraucherpreise insgesamt. Andererseits ziehen die Nettokaltmieten – oft der größte Kostenbatzen – langsamer an als die Inflation insgesamt, während die Kraftstoffpreise stagnieren. PCs, Notebooks, Fernseher und Digitalkameras sind sogar günstiger als vor einem Jahr.
Auch Expertin Touil räumt ein, dass Menschen mit wenig Einkommen stärker von inflationsbedingten Kaufkraftverlusten betroffen sind als Besserverdiener: Denn Haushalte mit höherem Einkommen könnten einigen Preissteigerungen ausweichen, in dem sie ihr Konsumverhalten ändern. Haushalte mit wenig Einkommen hätten diese Möglichkeit meist nicht: Sie kauften oft ohnehin die günstigen Produktvarianten im Discounter.