Berlin (GFP.com). Der Bundesnachrichtendienst (BND) leitet Mobilfunkdaten von Terrorverdächtigen in Afghanistan an den US-Militärgeheimdienst NSA weiter. Dies geht aus Medienberichten hervor. Demnach lassen sich mit den übermittelten Daten Bewegungsprofile erstellen, die wiederum laut Experten zur Lokalisierung von Personen genutzt werden können und womöglich zu extralegalen Exekutionen von Verdächtigen etwa mit Hilfe von Kampfdrohnen beitragen. Während Juristen heftige Kritik an den sogenannten gezielten Tötungen üben, werden diese von der Bundesregierung ausdrücklich gebilligt. Die Sprachregelungen, die das ermöglichen, lagen unlängst der Einstellung eines Verfahrens zugrunde, das die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers in Pakistan aufklären sollte. Ist seit Jahren bekannt, dass deutsche Soldaten in die Vorbereitung extralegaler Exekutionen involviert sind, so deuten die aktuellen Berichte über die Weitergabe von Mobilfunkdaten darauf hin, dass auch der BND zumindest indirekt beteiligt ist.
Personen orten
Wie aus verschiedenen Medienberichten hervorgeht, leitet der BND Mobilfunkdaten aus seinen Operationsgebieten an den US-Militärgeheimdienst NSA weiter. Ausdrücklich genannt wird in diesem Zusammenhang Afghanistan ; welche Staaten darüber hinaus betroffen sind, ist nicht im Detail bekannt. Während der BND behauptet, die Daten seien für eine „zielgenaue Lokalisierung“ eines Mobilfunkgeräts und seines Besitzers nicht geeignet, bestätigen Experten, dass sie durchaus dazu beitragen können. „Wenn solche Daten über einen längeren Zeitraum erhoben“ würden, dann seien sie in der Tat „für Nachrichtendienste nützlich, um Personen zu orten“, wird ein Informatik-Spezialist aus Hamburg zitiert. Damit besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass US-Stellen sich der BND-Spionagedaten bedienen, um ihre berüchtigten „gezielten Tötungen“ von Verdächtigen – gegebenenfalls mit Drohnen – durchzuführen. Der BND bestätigt, dass Mobilfunkdaten „seit etwa 2003/2004“ in die Vereinigten Staaten übermittelt werden. Das Bundesinnenministerium habe die Praxis in einem Erlass vom 24. November 2010 bestätigt.
Handynummer übermittelt
Ein entsprechender Fall hat erst kürzlich die deutsche Justiz beschäftigt. Im Oktober 2010 war der deutsche Staatsbürger Bünyamin E. in den pakistanischen Grenzgebieten zu Afghanistan bei einem US-Drohnenangriff getötet worden. Lange war unklar, wie die Vereinigten Staaten E. hatten finden können. Jetzt heißt es in einem Bericht unter Bezug auf „Sicherheitskreise“ in der Bundesrepublik, „seine deutsche Handynummer“ sowie „die Nummer einer Kontaktperson in der Türkei“ seien aus Deutschland „an die US-Partner“ übermittelt worden. Dies erleichtert die Ortung. Allerdings habe dies nicht der BND getan, sondern „eine andere deutsche Behörde“. In diesem Zusammenhang wird immer wieder das Bundeskriminalamt (BKA) genannt.
Unrechtsstaaten
Juristen üben heftige Kritik an außergesetzlichen Exekutionen wie der Hinrichtung von Bünyamin E. Bereits vor zwei Jahren hatte etwa Kai Ambos, Richter und Juraprofessor an der Universität Göttingen, nach der Tötung Osama bin Ladens bekräftigt, auch Terroristen hätten ein Recht auf ein reguläres Gerichtsverfahren. Würden sie ohne ein solches umgebracht, müsse ihre Tötung als „eine extralegale Hinrichtung“ gewertet werden, also als ein Verbrechen, für das im Allgemeinen berüchtigte „Unrechtsstaaten vor Menschenrechtsgremien angeklagt“ würden. Versage der Westen seinen „terroristischen Feinden jegliches Lebens- und Menschenrecht“, dann mache er sich praktisch „mit ihnen gemein“. Eine andere Rechtsposition vertritt die Bundesregierung. Wie es in einem Papier aus dem Bundesverteidigungsministerium heißt, dürften Bundeswehrsoldaten „feindliche Kämpfer gegebenenfalls auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten“ gezielt attackieren, „was auch den Einsatz tödlich wirkender Gewalt einschließen kann“. Damit erklärt die Bundesregierung außergerichtliche Hinrichtungen faktisch für legal – sofern die getötete Person als „feindlicher Kämpfer“ etikettiert wird.
Kein Kriegsverbrechen
Ganz in diesem Sinne hat jüngst der Generalbundesanwalt das wegen E.'s Exekution eingeleitete Strafverfahren eingestellt. In der Begründung hieß es, E. habe „einer organisierten bewaffneten Gruppe“ angehört; weil er also als „feindlicher Kämpfer“ eingestuft werden könne, sei seine Hinrichtung „kein Kriegsverbrechen“, sondern gesetzeskonform. Tatsächlich stünde – dieser Logik folgend – auch einer Mobilfunkdaten-Übermittlung durch den BND an die NSA nichts im Wege. Wie der BND erklärt, sei die Datenübermittlung nur erlaubt, wenn auf ihrer Grundlage nicht gefoltert werde und zudem keine „Verurteilung zum Tode“ erfolge. Beides ist bei einer Hinrichtung „feindlicher Kämpfer“ ohne Gerichtsverfahren nicht der Fall. Wie der deutsche Auslandsgeheimdienst weiter angibt, würden ebenfalls keine Daten weitergegeben, wenn die „schutzwürdigen Interessen der/des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen“. Die erwähnte Abwägung erfolgt zwischen den „schutzwürdigen Interessen“ eines „feindlichen Kämpfers“ und dem „Allgemeininteresse“ im „Anti-Terror-Krieg“.
Militärische Ziele
Dass die Bundeswehr schon vor Jahren in so genannte gezielte Tötungen involviert war, ist bekannt: „Aufklärungsergebnisse deutscher Kräfte“ trügen zur „Identifizierung und Auswahl potenzieller militärischer Ziele im Rahmen des ISAF-Targeting“ bei, hat das Bundesverteidigungsministerium beispielsweise im Sommer 2010 mitgeteilt. Damals ging es um die „Joint Prioritized Effects List“ (JPEL), auf der „feindliche Kämpfer“ vermerkt wurden – versehen mit einem Hinweis, ob sie gefangenzunehmen oder zu töten seien (notiert als „c“ für „capture“ oder „k“ für „kill“). Tatsächlich wurden auch gegnerische Kräfte, die von deutschen Soldaten auf die Liste gesetzt wurden, getötet. Vom BND wusste man bislang, dass er – wie andere deutsche Behörden – im Rahmen der Verschleppung Verdächtiger und daran anschließender Verhöre mit US-Stellen kooperiert hat.[10] Aus den jüngsten Berichten geht hervor, dass der Dienst im sogenannten Anti-Terror-Krieg womöglich auch in die Vorbereitung extralegaler Exekutionen involviert ist. Umfassend Aufklärung schaffen könnte nur die Offenlegung der Geheimabkommen, die die NATO-Staaten nach der Ausrufung des Bündnisfalles im Oktober 2001 geschlossen haben). Ihnen wäre mutmaßlich zu entnehmen, was die „Anti-Terror“-Kooperation neben Ausspähmaßnahmen, Verschleppung von Verdächtigen und Unterstützung „gezielter Tötungen“ noch alles umfasst.