Islamische Lebenspraxis: Nicht ohne Vertrag

Ausgabe 301

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(Sister’s Magazine). Jeder Vertrag hat seine Konditionen. Lateefa Binuyo behandelt die wesentlichen Aspekte eines islamischen Ehevertrags. „Wer heiratet, hat die Hälfte des Dins vollendet. Was die andere Hälfte betrifft, so soll er Allah fürchten“, heißt es in einem Hadith. Das klingt sehr einfach, ist in Wirklichkeit aber eine schwerwiegende Aussage. Tatsache ist, dass die Ehe die Hälfte des Lebens der beiden Partner und, in Erweiterung, zweier Familien beinhaltet. Sie beinhaltet die Erfüllung der Rechte Allahs und der Ansprüche anderer Leute.

Zur Ehe gehört das Zusammenkommen auf Grundlage von Liebe, Verständnis, Zusammenarbeit, gegenseitigem Ratschlag, der Aufrechterhaltung der Familienbande und der Schaffung einer muslimischen Familie, in der Kinder einen islamischen Charakter und eine ebensolche Personalität ausbilden können, um die Gesellschaft zu stärken.

Das ist eine Verpflichtung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Die Ehe ist in der Tat ein gesegneter Vertrag. Für ihn hat Allah Regeln festgelegt, die zu befolgen sind. Daher sollte jeder, der heiraten möchte, das „Wie“ lernen, um von ihrem Nutzen zu profitieren.

Zuerst muss sichergestellt werden, dass beide Seiten frei sind von Hindernissen, die eine Heirat ausschließen (wie enge Verwandte, die sich nicht ehelichen dürfen). Dann kommen weitere, wesentliche Konditionen eines korrekten islamischen Ehevertrags ins Spiel.

Angebot und Akzeptanz: Damit es zu einer anerkannten Eheschließung kommen kann, muss es ein Angebot und seine Annahme geben. Beide Seiten (das heißt, die angehende Braut sowie der Bräutigam) müssen miteinander zufrieden sein.

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Keine bereits verheiratete Frau (Witwe oder Geschiedene) darf verheiratet werden, bis sie nach ihren Wünschen gefragt wird [das heißt, sie muss ihre Wünsche ausdrücklich klarmachen]. Und keine Jungfrau soll ohne ihre Zustimmung verheiratet werden.“ Sie fragten ihn: „O Gesandter Allahs, wie wird ihre Er­laubnis gegeben (weil sie sehr scheu sein wird)?“ Er antwortete: „Durch ihr Schweigen.“

Die Braut kann das Angebot wörtlich ablehnen oder annehmen. Wenn sie aber still bleibt, wird ihr Schweigen als Zustimmung gewertet. Daher muss die Zustimmung erfragt und gegeben werden. Es ist für den Hüter (arab. Wali) der Braut nicht erlaubt, sei er ihr Vater oder jemand anderes, sie ohne ihre Zustimmung zu verheiraten.

Das wird in dem Hadith deutlich, das von Ibn ‘Abbas, möge Allah mit ihm zufrieden sein, überliefert wurde: „Eine Frau kam zum Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und erzählte ihm, dass ihr Vater sie gegen ihren Willen verheiratet habe. Der Prophet überließ ihr die Wahl (das heißt, entweder verheiratet zu bleiben oder die Ehe zu annullieren).“

Der Wali (Hüter): Ein Wali ist der­jenige, der den Vertrag im Sinne der Frau überwacht. Es ist unter keinen Umständen möglich, sich ohne ihn zu verheiraten. (Die Madhhab des Abu ­Hanifa weicht hiervon ab). Der Gesandte Allahs, Heil und Segen auf ihm, sagte: „Es ist keine Heirat ohne einen Wali.“ (Abu Dawud)

Der schwerwiegende Grad dieses ­Verbots wird durch eine andere Aussage des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, deutlich: „Für jede Frau, die ohne Erlaubnis ihres Walis die Ehe eingeht, ist ihre Ehe ungültig. Ihre Ehe ist ungültig. Ihre Ehe ist ungültig.“ (Ahmad)

Zeugen: Die Gegenwart von mindestens zwei Zeugen ist wesentlich. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte hierzu: „Es gibt keinen Ehevertrag außer mit einem Wali und zwei Zeugen.“ (Ahmad)

Zunächst stehen die beiden Zeugen für Gehorsam gegenüber Allah und Seinem Gesandten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben.

Darüber hinaus liegen dem Vorgehen verschiedene Weisheiten zugrunde. Es ist ein Hinweis darauf, dass ein Ehe­vertrag nicht nur mit den Rechten der beteiligten Parteien verbunden ist. Er tangiert auch die Ansprüche anderer wie der Kinder als mögliche Früchte der Ehe. Im Falle, dass ein Vater die Rechtmäßigkeit seines Kindes dementiert, gibt es Leute, die den Eheschluss bezeugen können.

Mahr: Die Mahr ist auch bekannt als Sadaaqi, Aussteuer oder Mitgift. Im Gegensatz zu weitverbreiteten Praktiken in einigen Ländern ist sie das Recht der Frau. Und sie gehört ihr, um vollkommen darüber zu verfügen. Es ist ihrem Vater oder jeder anderen Person verboten, sie an sich zu nehmen. Ebenso ist es der Brautfamilie untersagt, etwas an den Bräutigam zu zahlen oder dass der Frau überhaupt nichts gegeben wird. Allah sagt ausdrücklich im Qur’an: „Und gebt den Frauen ihre Morgengabe als ausdrückliches Geschenk.“ (An-Nisa, Sure 4, 4)

Die Gelehrten des Qur’ankommentars (arab. Mufassirun) haben zu dem Vers angemerkt, dass „der Mann die Mahr definitiv bezahlen muss und dies nicht übelnehmen darf“. Gleichermaßen gilt, dass wenn die Frau auf einen Teil verzichtet, es dem Ehemann erlaubt ist, ihn zu nehmen. Denn Allah sagt: „Wenn sie euch aber zufrieden einen Teil davon geben, dann nutzt ihn mit Zufriedenheit und gutem Willen.“ (An-Nisa, 4)

Als Ali Fatima heiratete, wies ihn Allahs Gesandter an: „Gib ihr irgendetwas (als Mitgift).“ Ali entgegnete: „Ich habe nichts.“ Der Prophet fragte: „Wo ist Deine Rüstung?“

Demnach ist die Höhe der Mahr nicht irgendwie festgelegt. Sie variiert nach Kultur und Klasse der Frau. Sie kann in Form von Geld, Gold, Schmuck, Kleidung, Land oder sogar dem Unterricht von Qur’ansuren gegeben werden.