
(iz). Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, hat im Vorfeld zum Treffen mit dem neuen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere am 27. Januar 2014 vorgeschlagen, die Einführung gesetzlicher islamischer Feiertage in Deutschland bei einer möglichen Fortsetzung der Deutschen Islam Konferenz (DIK) auf die Agenda zu setzen.
Der Innenminister hatte Mitglieder muslimischer Verbände eingeladen, um eine Neuausrichtung der in Kritik geratenen DIK zu besprechen.Kolats Vorstoß stieß, wie nicht anders zu erwarten, auf Kritik. Zu weitgehend sei das Ganze. Der Zeitpunkt unpassend gewählt.
Doch sollte man den Vorschlag nicht nur auf die politischen Gespräche im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gleichstellung des Islam als Religionsgemeinschaft beziehen, sondern auch in Bezug auf die innere Struktur der muslimischen Gemeinden in Deutschland. So würden mit gesetzlichen islamischen Feiertagen theologische Fragen beantwortet werden, bevor ein innermuslimischer deutscher Konsens überhaupt gefunden werden kann.
Das liegt zum einen an der fehlenden theologischen Infrastruktur und zum anderen an der unzureichenden Einflussnahme von insbesondere jungen MuslimInnen und Muslimen mit einer deutschen Identität in der Gemeindearbeit. Einer Identität, die sich immer stärker mit gesundem Selbstbewusstsein in der deutschen, aber auch muslimischen Vielfalt etablieren will.
Doch in welchem Zusammenhang steht das zu islamischen Feiertagen? Der islamische Kalender ist ein Mondkalender. Muslime nutzen deshalb in der Regel zwei Methoden, um zum Beispiel den Beginn oder das Ende des Ramadan zu bestimmen. Entweder berechnen sie den erstmöglichen Zeitpunkts zur Sichtung des Neumondes oder sie verfahren nach altbewährter Tradition und versuchen, den Neumond – also den Beginn eines Mondmonats – mit eigenen Augen zu erblicken. Teilweise findet auch eine Kombination beider Verfahren statt, sodass man sich nach der Berechnung orientiert, der Sichtung am Ende aber bei Abweichungen den Vorzug lässt.
Welche Methode nun präferiert wird, diese Diskussion sollte laut Koordinationsrat der Muslime (KRM) schon längst beendet sein. Hat doch, wie argumentiert wird, die Organisation der Islamischen Konferenz bereits 1978 in einem Rechtsgutachten erklärt, dass die Methode der Berechnung zulässig und empfehlenswert sei. Diese Meinung bekräftigte 2007 zudem das European Council for Fatwa and Research (ECFR). (http://islam.de/13704.php, 11.02.14) Eine einheitliche Bestimmung sollte also kein Problem darstellen.
Die Diskussion ist aber offensichtlich noch nicht beendet. Muslime in Deutschland beginnen den Ramadan oder das Zuckerfest immer noch an unterschiedlichen Tagen. Das tun sie allerdings in erster Linie nicht aufgrund unterschiedlicher Methoden zur Bestimmung des Feiertages, sondern weil sie sich nach ihren jeweiligen ursprünglichen Heimatländern richten, die wiederum unterschiedliche Methoden nutzen und deshalb auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Besucht man nun die Seite des ECFR (http://e-cfr.org/new/, 11.02.14), stößt man auf eine Homepage in ausschließlich arabischer Sprache. Eine englische Version ist nicht aufrufbar. Diese Organisation erlässt also Rechtsgutachten für europäische Muslime und ist dabei scheinbar nicht in der Lage, diese in einer der europäischen Hauptsprachen zu veröffentlichen oder sich wenigstens in einer der europäischen Hauptsprachen vorzustellen.
Die Homepage der OIC überzeugt zwar mit Dreisprachigkeit (Englisch, Arabisch und Französisch), vertritt aber lediglich die mehrheitlich muslimischen Länder. Das Rechtsgutachten war auf der Homepage allerdings nicht zu finden (http://www.oic-oci.org/oicv2/page/?p_id=178&p_ref=59&lan=en, 11.02.14). Spannend ist nun, dass es gerade diese mehrheitlich muslimischen Länder sind, also die Heimatländer vieler muslimischer Migranten in Deutschland, die an unterschiedlichen Tagen mit dem Ramadan beginnen und deshalb bei multiethnischen Gemeinden in Deutschland für Verwirrung sorgen.
Muslime in Deutschland sollen sich also an ein Rechtsgutachten halten, das nicht mal alle Länder, die der OIC angehören, selbst einhalten und das von Gelehrten bekräftigt wird, die in der Öffentlichkeit nicht einmal in ihrer Sprache kommunizieren? Das soll nicht falsch verstanden werden. Es handelt sich nicht um eine Kritik an den Gelehrten des Rechtsgutachtens oder an der Methode der Berechnung der Feiertage. Es ist jedoch die Art und Weise, wie intransparent hier mit deutschen Muslimen kommuniziert wird, die in meinen Augen untragbar ist.
Transparent aus Tradition
Religion braucht Transparenz, um Vertrauen zu gewinnen – erst Recht wenn man religiöse Bestimmungen, die Meinungsverschiedenheiten unterliegen, gesetzlich verankern will. Der Islam besteht auf diese Transparenz unter anderem durch die nachvollziehbare Argumentation in Rechtsgutachten – den so genannten Fatawa. Diese Nachvollziehbarkeit mag vielleicht im Verfahren an sich glücken, sie schafft es aber kaum bei der Kommunikation in die muslimischen Gemeinden. Will man, dass Muslime an einem einheitlichen Tag ihre Feste begehen, braucht es dringend Verbesserungen in der internen Kommunikation.
Kurzfristig sollte der KRM das angesprochene Rechtsgutachten in deutscher Sprache übersetzen.
Zudem sollten die Verbände mittelfristig ein kombiniertes Verfahren zur Bestimmung der Feiertage anwenden, dass sich an der Berechnung orientiert und sich letztendlich nach der Sichtung des Mondes in Deutschland richtet. Sollte der Mond aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen nicht zu sichten sein, sollte man sich zunächst nach einem europäischen Land richten, bevor man sich an außereuropäische Staaten wendet.
Langfristig gilt, dass die Verbände den Gemeinden verdeutlichen, wie dringend sie zudem die Generation junger Muslime in die langfristige Gemeindearbeit einbinden müssen, um die integrative Entwicklung des Islam progressiv voranzutreiben. Ob die flächendeckende Einführung von Freitagspredigten in der Landessprache also Deutsch (http://www.suhaibwebb.com/islam-studies/the-language-of-the-khutbah/, 10.03.14) oder das gemeinsame Feiern des Zuckerfestes. Da junge Muslime häufig hybride Identitäten mitbringen und zusätzlich den Wunsch nach einem gemeinsam gelebten Glauben in Deutschland sind sie für die Entwicklung eines gesunden Gemeindewesens unabdingbar.
Unsere zukünftigen Imame werden junge Hochschulabsolventen sein. Damit sie in den Gemeinden akzeptiert werden, müssen wir endlich die Grundlagen schaffen, um den Generationenwechsel erfolgreich zu überstehen. Feiern können wir später.