(iz). Na, jetzt sind wir aber empört: In dem bunten Sammelbecken der AK-Partei gibt es nicht nur Heilige, sondern auch einige Korruptionsfälle. Das ist am Bosporus etwa so überraschend wie ein Schneefall im Winter. Über Jahrzehnte war das politische Geschäft in der Türkei mit Korruption belastet, mussten Abgeordnete die jeweilige Regierung stützen, nur weil sie sich Neuwahlen nicht leisten konnten oder es wurden Gelder für den Wahlkampf gesammelt, die nach dem Wahlsieg versilbert wurden, da dann für die Spender „Brachland zu Bauland“ wurde. Ja, liebes Publikum, das Paradies sieht anders aus!
In Zeiten verbreiteter NSA-Methoden, versteckter Kameras und Agents Provocateurs im Nadelstreifenanzug ist die Korruption beweisbarer und damit gefährlicher geworden. Darauf muss sich die türkische Regierung nun endlich einstellen und, wie versprochen, den Sumpf um das politische Tagesgeschäft austrocknen.
Dabei kann Ministerpräsident Erdogan durchaus auf das Erinnerungsvermögen der Türken hoffen; insbesondere darauf, dass die Intelligenz nicht den größten Raubüberfall der türkischen Geschichte vergisst: die Jahre der inflationären Lira.
Ja, das Land ist nicht befreit von der Korruption, aber es hat sich ökonomisch und gesellschaftlich von diktatorischen Verhältnissen befreit. Das ist ein Verdienst Erdogans. Die Diktatur des Kemalismus, die die NATO-Mitgliedschaft der Türkei paradoxerweise nie gefährdet hatte, ist überwunden und die Türkei auf einem guten Weg.
Es ist ziemlich töricht, vorschnell in das Erdogan-Bashing einzustimmen. Journalismus – egal ob inner- oder außerhalb der Türkei – darf sich gerade jetzt nicht als parteiisch entlarven, sondern muss mithelfen, die Übel beim Namen zu nennen. Ein Übel ist es dabei, die demokratische Regierung Erdogans mit maßloser Kritik zu überziehen.
Dies schließt gerade aus muslimischer Sicht übrigens nicht aus, jede Form einer Politik, die sich auf den Islam beruft oder um Muslime wirbt, im Auge zu behalten. Die Erhebung der „Zakat“ ist zum Beispiel keine legitime Form der Parteienfinanzierung und eine Politik, die das islamische Wirtschaftsrecht offen ignoriert, ist eben nicht islamisch.
Und – bevor ich es vergesse – betroffen sind in diesen Fällen nicht nur die Politiker. Es soll auch korrupte Journalisten geben. Schlimmer noch, auch die Verklärung von Banken und „ihrer Halal-Produkte“ kann eine Indiz für eine korrupte Lehre sein.
Der Unterschied? Der Islam überlebt eine Handvoll korrupter Politiker, gewiss wütende Journalisten, aber keine korrupten Gelehrten.