Die ständige Angst vor den Drohnen. Von Can Merey

Tag und Nacht kreisten US-Kampfdrohnen über Nord-Waziristan, klagt der pakistanische Bauer Zaman. Die Menschen dort bringe das um den Verstand. Zaman hat seinen Bruder bei einem Drohnenangriff verloren. Seitdem hasst er die USA aus ganzem Herzen.

Islamabad (dpa). Akhtar Zaman kann sich nicht erinnern an den letzten Tag, an dem keine US-Kampfdrohnen über seinem Dorf Tappi in Nord-Waziristan gekreist sind. Irgendwann 2008, glaubt der 38 Jahre alte Bauer, müsse das wohl gewesen sein. „Rund um die Uhr“ flögen Drohnen seitdem über dem pakistanischen Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan. Das allgegenwärtige Summen der unbemannten Flugzeuge und der ständige Anblick der tödlichen Bedrohung mache die Menschen fast verrückt, klagt Zaman. Eine US-Drohne war es auch, die ihm am 8. Januar 2010 seinen Bruder Akbar nahm – der Religionslehrer saß in einem Auto, das von Raketen getroffen wurde.

Akhtar Zaman hat eine 13-stündige Busfahrt nach Islamabad auf sich genommen, um seine Geschichte zu erzählen. Auswärtigen Reportern ist der Zutritt nach Nord-Waziristan – einer Taliban-Hochburg – nicht möglich. Zaman hat das Dienstbuch seines Bruders aus dessen staatlicher Schule mitgebracht. Akbar Zaman sei am 21. Januar 1971 geboren, heißt es dort, Staatsangehörigkeit: Pakistanisch, Religion: Islam, unveränderliches Merkmal: Narbe an einem Zeh am rechten Fuß. Auf der letzten Seite steht: „Gestorben am 8.1.2010.“

Aus pakistanischen Geheimdienstkreisen hatte es an diesem Tag geheißen, man habe Berichte von Anwohnern erhalten, dass ein Auto im Dorf Tappi bei einem Drohnenangriff zerstört und vier Taliban-Kämpfer getötet worden seien. Geheimdienstler räumen allerdings ein, dass sie oft nicht wirklich wüssten, ob es sich bei den Toten der Drohnenangriffe um Extremisten oder um Zivilisten handelt. Akhtar Zaman sagt über seinen Bruder: „Er war auf dem Weg zur Schule. Er war nur ein Lehrer. Er hatte keine Verbindungen zu den Taliban.“

Sieben Kinder habe sein Bruder hinterlassen, ein weiteres sei nach seinem Tod geboren worden. „Ich unterstütze sie“, sagt Akhtar Zaman. „Es ist sehr schwierig.“ Er habe zudem auch noch seine eigenen acht Kinder zu versorgen. Anrecht auf einen Teil seiner Pension hätte sein Bruder erst nach zehn Jahren als Lehrer gehabt – zwei Jahre nach seinem Tod. Entschädigt worden sei die Familie nicht. „Es gibt kein Verfahren, um eine Beschwerde (wegen der US-Angriffe) einzulegen“, beklagt Zaman. Der Vertreter der Zentralregierung in Nord-Waziristan habe nur gesagt: „Wir sind hilflos, was sollen wir tun.“

Einsätze von Kampfdrohnen sind hoch umstritten. Die Mehrheit der Pakistaner ist gegen die US-Angriffe, die seit fast zehn Jahren andauern und bei denen immer wieder auch Zivilisten getötet werden. Der Direktor des Pakistanischen Instituts für Friedensstudien (Pips), Muhammad Amir Rana, sagt, zwar hätten die Drohneneinsätze den Extremisten schwere Verluste zugefügt und dazu beigetragen, dass die Zahl der Terrorangriffe im Land nach 2009 abgenommen habe. „Politisch sind sie aber kontraproduktiv.“ Sie lieferten den Taliban einen Vorwand für ihren Kampf, brächten den Extremisten Sympathien ein und schürten im Volk den Hass auf die USA.

Die Menschen in seinem Dorf lebten in ständiger Furcht, berichtet Zaman. Nachts kreisten die Drohnen tiefer. Tagsüber flögen sie höher und seien leiser, aber immer noch zu hören. „Manche haben psychische Probleme wegen des andauernden Geräuschs.“ Die Kinder hätten Angst, wenn sie draußen spielten. „Meist sind unsere Augen auf den Himmel gerichtet und wir zählen, wie viele Drohnen da sind.“ Wenn fünf oder mehr von ihnen sich zusammenrotteten, stehe meist ein Angriff bevor.

Spätestens seit dem Tod seines Bruders hasst Zaman die USA aus ganzem Herzen. „Ich bin voller Rachegefühle.“ Die Amerikaner töteten wahllos Muslime, meint er. „Sie sind unsere Feinde und Feinde unserer Religion.“ Er selber kämpfe nicht, sei aber froh, dass es Menschen gibt, die gegen die USA die Waffe erheben.

„Wenn jemand denkt, dass Drohnen nützlich dabei sind, den Krieg zu beenden oder die Taliban zu schwächen, dann ist das unrealistisch“, sagt Zaman. Jedes Drohnenopfer sorge dafür, dass sich mehr Männer den Taliban anschlössen. Für seine Söhne – der älteste ist 16 Jahre alt – wünsche er sich eine gute Ausbildung, sagt der Bauer. Dennoch: Würden sie ihn um Erlaubnis bitten, in den „Dschihad“ gegen die Amerikaner zu ziehen, dann würde er ihnen antworten: „Geht und tut das.“