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Kinder in Gaza: 31% sind mangelernährt

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Foto: andlun1, via flickr | Lizenz: CC BY-NC 2.0

Die USA verlangen von Israel glaubwürdige Pläne zum Schutz von Zivilisten im Falle einer Rafah-Offensive. Die Lage der Kinder ist katastrophal. Bundeskanzler Scholz reist in die Krisenregion.

Gaza/Tel Aviv/Washington (dpa/IZ) Nach Ankunft einer ersten Hilfslieferung auf dem Seeweg stehen Unterstützer der Notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen vor der Aufgabe, die bitter benötigten Essensrationen an die verzweifelten Menschen zu verteilen. Das Schiff „Open Arms“ mit einer Ladung von 200 Tonnen Lebensmitteln ankerte am Freitag vor der Küste des abgeriegelten Küstengebiets, wie die an der Mission beteiligte Organis^ation „World Central Kitchen“ (WCK) auf der Plattform X mitteilte. Währenddessen erhöhen die USA als wichtigster Verbündeter Israels ihren Druck auf die Regierung des Landes, im Falle einer Militäroffensive in der Grenzstadt Rafah eine Katastrophe zu verhindern und den Schutz der Zivilisten dort zu gewährleisten. Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Wochenende in der Krisenregion erwartet. 

Versorgung Gazas von einer schwimmenden Plattform

Von einer schwimmenden Plattform, die die „Open Arms“ von Zypern aus Hunderte Kilometer übers Meer bis nach Gaza geschleppt hatte, wurden Lebensmittel und Trinkwasser ans Ufer gebracht, wie das israelische Militär mitteilte, das die Landestelle an der Küste sicherte. 60 Küchen, die WCK zusammen mit örtlichen Partnern betreibt, sollen daraus Mahlzeiten zubereiten und an die hungernden Menschen verteilen. Insgesamt habe man im laufenden Gaza-Konflikt auf dem See- und Luftweg mehr als 37 Millionen Mahlzeiten bereitgestellt, teilte die Hilfsorganisation mit. 

Der 54-jährige WCK-Chef José Andrés, ein in den USA lebende Starkoch spanischer Herkunft, hatte die humanitäre Organisation 2010 gegründet. Sie versorgt Menschen in Katastrophengebieten auf der ganzen Welt mit Mahlzeiten. Hilfsaktionen gab es unter anderem auch für ukrainische Flüchtlinge an der Grenze zu Polen. 

Die Mission der „Open Arms“ gilt als Pilotprojekt für eine bessere Versorgung der mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen, denen es wegen des Krieges derzeit an praktisch allem fehlt. Das Schiff kreuzte auf der Route entlang eines geplanten Hilfskorridors, den die EU-Kommission und Zyperns Staatsführung vor einer Woche angekündigt hatten. Unabhängig davon planen die USA einen maritimen Korridor nach Gaza, für den das US-Militär ein schwimmendes Dock nahe der Gaza-Küste errichten soll. 

Kleinkinder leiden unter akuter Mangelernährung 

Die humanitäre Notlage in Gaza spitzt sich seit Wochen zu. Im nördlichen Gazastreifen sind nach Erkenntnissen des UN-Kinderhilfswerks Unicef inzwischen 31 Prozent der Kinder unter zwei Jahren akut mangelernährt. Im Januar seien es noch 15,6 Prozent der Kinder gewesen, teilte die Organisation am Freitag mit. Im Norden des palästinensischen Küstengebiets ist die Versorgungsnotlage aufgrund des anhaltenden Kriegs zwischen Israel und der Hamas besonders schlimm. 

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Freitag kamen im Krieg bislang 31 490 Palästinenser ums Leben, weitere 73 439 erlitten Verletzungen. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen und unterscheiden nicht zwischen bewaffneten Kämpfern und Zivilisten. Zugleich ist laut der Behörde eine große Zahl von Menschen in diesen Zahlen nicht erfasst, die noch unter Trümmern vermutet werden. 

Bewegen sich Friedensbemühungen vom Fleck? 

Ein neuer Vorschlag der Hamas im Rahmen der schleppend verlaufenden indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und Freilassung von israelischen Geiseln scheint indes Anlass zu vorsichtigem Optimismus zu geben. „Der Vorschlag bewegt sich grob umrissen innerhalb des Rahmens jenes Deals, an dem wir seit mehreren Monaten arbeiten“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Freitag im Weißen Haus. Es sei gut, dass Israel nun wieder eine Delegation zu den Verhandlungen schicke, dass es den Hamas-Vorschlag gebe und darüber geredet werde. Die Klärung der Details gestaltet sich allerdings als schwierig.

Tatsächlich hat sich die Hamas nun dahin gehend bewegt, dass sie nicht mehr verlangt, dass Israel den Krieg beendet, bevor die ersten Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden. Dem am Donnerstag bekannt gewordenen Vorschlag zufolge würde die Hamas die Einstellung der Kampfhandlungen durch Israel erst zur Voraussetzung für eine zweite Phase der Geiselfreilassungen machen. Damit näherte sie sich den Inhalten eines mehrstufigen Plans an, den die Vermittler USA, Ägypten und Katar vor mehreren Wochen vorgelegt hatten und den Israel akzeptierte. 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu tat den Vorschlag der Hamas indes als „unrealistisch“ ab. Gleichzeitig hieß es, eine israelische Delegation werde nach einer Debatte des Sicherheitskabinetts über die israelische Position nach Katar reisen. Damit würden erstmals seit zwei Wochen wieder israelische Verhandler an den indirekten Gesprächen in der Hauptstadt Doha teilnehmen. 

US-Regierung will Pläne zum Schutz der Zivilisten in Rafah sehen

Die US-Regierung rief Israel am Freitag dazu auf, ihr Pläne für eine „glaubwürdige“ und „realisierbare“ Evakuierung aus der im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten gelegenen Stadt Rafah vorzulegen, sofern dort eine israelische Militäroffensive stattfinden soll. Man habe solche Pläne bisher nicht gesehen und würde die Gelegenheit begrüßen, diese zu Gesicht zu bekommen, sagte US-Sicherheitsratssprecher Kirby. „Wir können und werden keinen Plan unterstützen, der diese anderthalb Millionen Flüchtlinge in Gaza nicht angemessen berücksichtigt“, betonte er. Es müsse einen Plan für diese Menschen geben – alles andere wäre eine Katastrophe, warnte er. Für die Menschen im Gazastreifen müsse es einen Ort geben, an dem sie vor den Kämpfen sicher seien. 

Zuvor hatte Netanjahu nach Angaben seines Büros am Freitag die Pläne für einen Militäreinsatz in Rafah gebilligt. Die Armee bereite sich neben dem operativen Einsatz auf eine Räumung der Zivilbevölkerung vor, hieß es in der Mitteilung.