Kommentar: Muslime zwischen alten und neuen Großreichen

Ausgabe 329

krieg
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Völker mit einstigen Reichen vergessen selten ihre Geschichte oder ihre traditionellen Feinde. Russlands Präsident Putin hat das erst wieder mit Wortmeldungen zur Ukraine und NATO deutlich gemacht. Nachdem die Sowjetunion mit US-Hilfe in die Geschichtsbücher verschwand, wandte sie ihre Aufmerksamkeit Bewegungen der muslimischen Welt zu. Unter dem Schleier des „Kriegs gegen den Terror“ verbrachten die USA die letzten 20 Jahre damit, den Aufstieg des neuen Feindes zu stemmen, der die rote Gefahr ablöste. Von Jahangir Mohammed

(Ayaan Institute). Amerika versank im Irak, in Afghanistan, in Afrika und im Arabischen Frühling. In der Zwischenzeit stieg China auf und wurde zu einem ökonomischen Kraftzentrum. Obwohl die USA anderswo erfolgreich waren, scheiterte es mit seiner Strategie in Afghanistan und gegen den Iran (ein weiteres Land, dass alten Glanz zurück will). Der hastige Rückzug vom Hindukusch im letzten Jahr (um sich auf China zu fokussieren) hat das Image als Supermacht schwer beschädigt. Inmitten eines weiteren Propagandakriegs gegen Peking verpassten sie den Aufstieg eines neuen russischen Reiches. Die USA sind verwundet, angeschlagen und stehen vor eigenen Abgründen, während ihre wichtigsten Rivalen aufsteigen und von Großreichen träumen.

Präsident Xi Jinping hat seit seinem Amtsantritt 2012 den verfallenden chinesischen Kommunismus umgestaltet und ihn durch einen Sozialismus mit „chinesischen Merkmalen“ ersetzt. Er inspiriert die Hanchinesen mit Reden über ihre große frühere Zivilisationen und erinnert an vergangene Demütigungen durch die Europäer und Japaner. Jetzt will er das gesamte Volk in einem neuen Reich vereinen und vor allem Taiwan zurückerobern.

In der Zwischenzeit haben Präsident Putin und Russland einen Aufschwung erlebt und sich mit der drohenden Unabhängigkeit des Kaukasus, Georgiens und der Krim befasst. Er hat sein Land im Nahen Osten in Syrien und im Irak fest verankert, und unterstützt ein anderes Volk, das mit der Schaffung von Großserbien an vergangenen Glanz anknüpfen will. Bosniens Serben haben das übernommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es verwirklicht wird und die bosnischen Muslime Gefahr laufen, zu einer historischen Erinnerung zu werden. Auch China steht hinter Serbien. Moskauer Tentakel haben sich in Afrika in Libyen und Mali ausgebreitet, wo die Franzosen kürzlich russischen Söldnern weichen mussten.

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Im 21. Jahrhundert erleben wir erneut den Aufstieg großer Machtblöcke. Jenseits von Russland und China hat die Europäische Union einen Block geschaffen, der sich nach Osten ausdehnt. Bisher ist es ein christlicher, der das muslimische NATO-Mitglied Türkei nicht haben will.

In Indien ist die Maske einer säkularen Demokratie gefallen. Und wir können jetzt eine regierende BJP erleben, die eine große Hindu-Kultur der Vergangenheit und ihr früheres Reich wiederbeleben möchte. Dieser Drang ist schon alt, aber wir ließen uns von Schlagworten wie „Säkularismus“ und „Demokratie“ täuschen.

Und wo sind die Muslime in all dem? Nirgendwo. Die Wahrheit ist: Ist man in der gegenwärtigen Welt kein Teil eines Machtblocks oder hat keinen eigenen, wird man vom Anderen unterworfen. Heute stehen einige ihrer Länder vor Krieg, Sanktionen oder ökonomischem Elend. In Europa werden sie diskriminiert. Und in China, Russland und Indien werden großen Gemeinschaften ohne wirkliche Widerstandsmöglichkeiten verfolgt. Indien hat mit 200 Millionen Menschen die größte muslimische Minderheit der Welt, die am Rande des Völkermords steht und scheinbar machtlos ist, das Unvermeidliche zu verhindern. Dies ist die größte sich abzeichnende Katastrophe, der sich die Ummah gegenübersieht, und wir sind uns ihrer nicht bewusst.

Während Allah der eigentliche Beschützer ist, spielt politische Macht in der Welt eine Rolle. Ob als Minderheit oder Mehrheit müssen Muslime sich so organisieren, diese projizieren zu können. Geschichte zählt und wir sollten von ihr lernen. Keine dieser aufsteigenden Mächte hat eine Geschichte der Toleranz gegenüber Islam und Muslimen. Wir sollten wissen, was bei ihnen zu erwarten ist.