Kommentar: Über das Trauern und Vergessen in Berlin. Von Khalil Breuer

(iz) In einer würdigen Trauerfeier gedachte das politische Berlin den Opfern der rechtsradikal motivierten Morde in Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Opfern angemessen gedacht, nicht zuletzt mit der fehlerlosen Aussprache ihrer Namen und sich auch für die diversen Ermittlungspannen entschuldigt. Wichtig war es auch, die betroffenen türkischen Familien in die Trauerfeier einzubeziehen. Sie sind, um den ehemaligen Bundespräsidenten zu zitieren, “ein Teil Deutschlands”. Die absolute Mehrheit der Deutschen hat sich auf ihre Seite gestellt.

Viele Muslime können nachvollziehen wie es ist, wenn man als Bürger pauschal unter falschen Verdächtigungen leben muss. Die Bundesregierung und die Kanzlerin, die zu Recht mahnt, die Verbrechen nicht zu schnell zu vergessen, haben nun eine wichtige Bringschuld. Berlin muss die lückenlose Aufklärung der Straftaten betreiben und die Rolle aller beteiligten Ermittlungsbehörden klären. Der Staat muss den klaren Nachweis führen, dass er die dialektisch angelegten Konflikte im Staat bekämpft und nicht etwa fördert. Dabei geht es nicht um das Schüren von Verschwörungstheorien, aber man darf sich auch nicht mit dem banalen Hinweis auf “Pannen” zufrieden geben. Es geht um die rationale Aufklärung einer der spektakulärsten Verbrechensserien in Deutschland. Es geht um die Rolle der V-Leute.

Zurück bleibt heute ein nach wie vor verunsichertes Land. Auch wenn das Morden natürlich die Machenschaft von Kleingruppen und Einzeltätern ist, die Gefahr des Nationalismus und Rassismus ist in Europa nicht wirklich gebannt. In Zeiten ökonomischer Krisen, wie das Beispiel Griechenland zeigt, kann jederzeit und im größeren Stil ein Rückfall in ideologische Verirrungen möglich werden. Für die Muslime in Deutschland muss es darum gehen, die Debatte über uns Muslime weiter zu differenzieren. Rechtsradikalen Tätern geht es auch darum, dumpfes Ressentiment gegen Ausländer mit dem Islam an sich zu verbinden. Ihrem geistigen Umfeld ist es nach dem 11. September gelungen, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es keine Ausländerfeindlichkeit mehr, sondern nur noch legitime Formen der Islamkritik. Es ist zudem ein versteckter Rassismus, die Muslime ausschließlich als “Fremde” zu definieren und wahr zu nehmen. Der Taschenspielertrick der Islamfeinde, jede Tat oder jedes Verhalten eines Muslim dem Islam anzuhängen, bedarf einer hörbaren Gegenrede.

Noch immer ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Muslime, die in Deutschland geboren sind, die deutsche Sprache sprechen und den Islam hier praktizieren, natürlich zu Deutschland gehören. Wer keinen Rassismus pflegen will, muss zugestehen, dass auch die Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe, wenn sie denn wollen, längst deutsche Muslime und Staatsbürger sind.