Mali: Bringen die Unruhen das kulturelle Erbe in Gefahr?

Ausgabe 203

(IZ/OnIslam.net/Agenturen). Timbuktu ist in aller Welt als uraltes Zentrum der islamischen Gelehrsamkeit bekannt. Inmitten der Auflösung staatlicher Autorität in Mali, separatistischer Bestrebun­gen der Tuareg und extremistischer Militanter herrschen Ängste, dass der Konflikt die unbezahlbaren Manuskripte und architektonischen Zeugnisse unwiederbringlich in Mitleidenschaft ziehen oder zerstören könnte. Ende März, parallel zu einem Staatsstreich des Militärs in der Hauptstadt Bamako am 21.3., gründeten Tuareg-Rebellen einen Staat – als Heimat für die Sahara-Nomaden. Dabei fiel ­Timbuktu in die Hände der Tuareg-Rebellen. Be­gleitet wurde die Eroberung von Kämpfen innerhalb der instabilen Koalition aus Tuareg und mutmaßlichen Al-Qai­da-Mitgliedern.

„Seit Jahrhunderten werden einzigarti­ge Manuskripte in Timbuktu – der ge­lehr­ten Stadt der 333 Heiligen – aufbewahrt. Hier ist praktisch jeder Haushalt ein historisches Denkmal, eine Bibliothek“, berichtete Hamady Bocoum vom Afrika­nischen Institut für Grundlagenforschung (IFAN) der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Timbuktu, entlang der Nordschleife des Flusses Niger gelegen, befindet sich an der antike Handelsroute, als Salz aus Nordafrika für Gold aus Schwarzafrika gehandelt wurde. Es blühte ab dem 16. Jahrhundert als Sitz islamischer Gelehrsamkeit – eine Heimat für Imame, Rechtsgelehrte und Schreiber. Ein Sprichwort aus dem 15. Jahrhundert sagt: „Salz kommt aus dem Norden, Gold aus dem Süden, aber das Wort Gottes und die Schätze der Weisheit können nur in Timbuktu gefunden werden.“

In dieser Stadt des Wissens befinden sich beinahe 100.000 alter Handschriften, von denen einige aus dem 12. Jahrhundert stammen. Viele von ihnen werden – unter Aufsicht einiger Gelehrter – in Familienhäusern und Privatbibliotheken aufbewahrt. Verfasst wurden sie – in Arabisch und in Fulani – von Gelehrten des islamischen Reiches Mali. Ihre Themen reichen von Islam, über Ge­schichte, Astronomie und Musik bis zu Botanik und Anatomie.

Der Fall Timbuktus hat die Kulturorganisation der Vereinten Nationen UNESCO dazu veranlasst, zum Schutz der historischen Stadt aufzurufen. „Timbuktus herausragende Lehmarchitektur wie die großen Moscheen von Djingarey­ber, Sankore und Sidi Yahia müssen ge­schützt werden“, verlautbarte UNESCO-Generalsekretärin Irina Bokova. Timbuk­tu sei „wesentlich für die Identität der Be­völkerung in Mali“, aber auch für das universale Menschheitserbe. Seit 1988 wird die Stadt am Niger, deren Geschichte bis ins 5. Jahrhundert zurück­reicht, auf der UNESCO-Welterbeliste geführt.

Hamady Bocoum schließt sich dem Aufruf an. Der IFAN-Leiter befürchtet, dass wertvolle Handschriften von Rebellen an die Meistbietenden verkauft werden könnten. Noch gefährlicher aber seien die „Neuankömmlinge“, darunter mutmaßliche Mitglieder des dubiosen Netzwerkes „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“. Sie könnten aus ideologischen Gründen Manuskripte der Privat­samm­lungen zerstören. Die AFP zitierte den Besitzer einer solchen Bibliothek, der nicht weiß, was mit seinen Handschriften geschehen werde: „Ich warte. Aber ehrlich gesagt bin ich besorgt.“

Zwischen Djenné und Timbuktu
Gemeinsam mit Timbuktu war Djenné – bekannt für seine große Moschee in Lehmbauweise -, ein wichtiger Ausgangs­punkt für die Ausbreitung des Islam ins Innere von Afrika. Auch wenn der Islam hier erst im 13. Jahrhundert auf breiter Basis Fuß fasste, nachdem ein lokaler Herrscher den Islam annahm, kamen die muslimischen Einflüsse bereits Jahrhunderte zuvor von der Mittelmeerküste und dem Nahen Osten hierher.

Gemeinsam mit Salz, Gold und Sklaven führten die Handelskarawanen ­Gelehrter und Schreiber mit sich, von denen sich viele auf dem Weg niederließen. Dort grün­deten sie Qur’anschulen oder Werkstätten für Handschriften. Ihr Weg lässt sich erahnen, wenn man die unzähligen kleinen Dorfmoscheen Malis betrachtet, welche wie kleine Punkte die Landschaft durchziehen. Man kann sich leicht das uralte Staunen bei der Ankunft in Djenné selbst vorstellen – mit seiner majestätischen Großen Moschee, die sich schon vorm Horizont abhebt.

Das Gebäude ist eines der am meisten geachtetsten religiösen Monumente von Afriks. Errichtet wurde es fast nur mit son­nengetrockneten Lehmziegeln. Es ist das größte Beispiel dieses afrikanischen Baustils.