
Das Beispiel Kanada zeigt: Ohne Jugend und Frauen verlieren Moscheen weiter an Relevanz.
(The Conversation). Ich wurde relativ jung Witwe. Als Muslimin und alleinerziehende Mutter hatte ich die Pflicht, die Kinder – einen Sohn und eine Tochter – freitags in die Moschee zu bringen, um Trost zu finden und zu beten. Von Tamer Gaber
Doch jedes Mal wurde ich von meinem Sohn getrennt. Er ging in den größeren Gebetsraum für Männer, während meine Tochter und ich in den abgetrennten Bereich für Frauen gingen. Er war noch ein Kind, und ich hatte keine Möglichkeit zu erfahren, wie oder wo er war, bis das Gebet zu Ende war.
Ich suchte ihn in der Menge der Männer, die den Gebetsraum (arab. musalla) verließen. Der Stress und die Angst, von ihm getrennt zu sein, führten dazu, dass ich eine Zeit lang nicht mehr mit ihnen in die Moschee ging.
Moscheen: Genügend Platz für Frauen und andere?
Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich damit verbracht, den Platz und den Raum von Frauen in der Moscheearchitektur zu erforschen. Im Buch „Beyond the Divide. A Century of Canadian Mosque Design“ dokumentiere ich 90 Einrichtungen in meiner Heimat sowie die Räume, die Frauen darin zur Verfügung stehen.
Die Gebäude, in denen ich in Kanada aufwuchs, waren anders als die historischen Einrichtungen und die Große Moschee in Mekka, die ich als junge Gelehrte besuchte.
In den wenigen kanadischen Bauten, die ich in meiner Jugend betrat, war der Raum für Frauen stets eine Überraschung und in ständiger Veränderung begriffen: ein Nebenraum, ein Keller, ein Hinterzimmer – immer mit niedriger Decke und minderwertiger Ausstattung.
In den Gebäuden der Vergangenheit, die ich in Kairo, Istanbul, Tunis, Córdoba und anderswo besucht habe, kam ich dagegen in weite, offene Innenräume, in denen ich alles sehen konnte – auch den Mihrab, die Nische, die die Richtung nach Mekka anzeigt.
Wenn es in diesen historischen Moscheen Räume für Frauen gab, waren sie meist provisorisch und aus neuen Materialien gebaut: eindeutig moderne Anbauten an jahrhundertealte Gebäude, die ursprünglich beide Geschlechter ohne getrennte Räume beherbergt hatten.
In Mekka betete ich während meiner Pilgerreise und führte die Rituale durch, wie es Muslime seit über 1400 Jahren tun, ohne Geschlechtertrennung. Diese Diskrepanz zwischen dem Historischen und dem Modernen war real und verwirrend. In den zeitgenössischen Räumen, in denen ich Gemeinschaft finden sollte, fühlte ich mich architektonisch zweitklassig.
Beim Lesen des Qur’an werden Männer und Frauen aufgefordert, sich in Innenräumen der Niederwerfung vor Gott zu verneigen. An keiner Stelle schreibt Allahs Buch einen baulich abgetrennten Raum für sie vor.
Foto: Tyrone Tower, Diyanet USA
Kaum Grundlagen für separate Räumlichkeiten
In sekundären Quellen, den Hadithen, haben Gelehrte im Laufe der Jahrhunderte die Handlungen des Gesandten Allahs interpretiert: Es gibt Beispiele dafür, dass er Männer aufforderte, ihren Blick zu senken, gemischtgeschlechtliche Gruppen in einer spezifischen Weise anzuordnen oder sogar die Gebete zu verkürzen, um die Unannehmlichkeiten von Müttern, die ihre Kinder betreuen, zu mindern.
Die Idee, dass es für Frauen besser sei, zu Hause zu beten, tauchte erst spät im 13. Jahrhundert auf, als kulturelle Interpretation von Rechtsgelehrten wie Ibn Jauzi – und nicht von einer religiösen Anordnung. Im ersten Jahrtausend des Islam wurden Moscheen ohne Geschlechtertrennung gebaut. Zahlreiche historische Texte belegen, dass Frauen in den Gebäuden lernten und lehrten.
Tatsächlich begann die Verbreitung von speziellen, vorgesehenen separaten Räumen in den Bauten erst in der osmanischen Ära. Im 15. Jahrhundert, mit der Eroberung von Konstantinopel (dem heutigen Istanbul), wurde die 1.000 Jahre alte byzantinische Kirche Hagia Sophia in eine Moschee (dann: Aya Sofya) umgewandelt.
Wie viele andere byzantinische Kirchen verfügte sie über separate Gebetsräume für Frauen, darunter den Balkon oder Gynäzeum, ein Element, das in späteren Epochen der Kirchenarchitektur nicht mehr übernommen wurde.
Nach ihrem Vorbild wurden osmanische Moscheen unter Verwendung vieler byzantinischer Elemente erbaut, darunter die Kuppel, die heute am meisten mit Moscheen in Verbindung gebracht wird. Dazu gehörte der separate Balkon, der in einem spezifischem Umfang oder einer bestimmten Größe für Frauen reserviert war.
Foto: Unsplash
Ambivalente Erfahrungen
Während meiner Forschung besuchte und untersuchte ich 90 Moscheen in 53 Städten in ganz Kanada – von Victoria bis St. John’s und von Inuvik bis Iqaluit. Ich habe Moscheebesucher, Vorstandsmitglieder und Architekten befragt. Ich habe jedes Gebäude fotografiert (von außen und innen), mit meinen Forschungsassistenten architektonische Zeichnungen angefertigt, die die Geschlechtertrennung zeigen, und die Geschichte jedes Raumes recherchiert.
In den meisten Moscheen wurde ich herzlich empfangen. In anderen stieß ich auf Vorbehalte oder Zweifel. Im Großen und Ganzen neutralisierte meine akademische Laufbahn mein Geschlecht und „erlaubte“ mir den Zugang zu Räumen, die Männern vorbehalten waren. Mein Geschlecht ermöglichte mir wiederum das Betreten zu Innenräumen für Frauen, die in baulichen Texten so gut wie nie erwähnt oder analysiert werden.
Frauen in Kanada (und in vielen anderen Teilen der Welt) betreten Moscheen oft mit der Unsicherheit, was sie dort erwartet. Gibt es genug Platz zum Beten? Ist der Raum gut beleuchtet und gepflegt? Diese Fragen behindern die Integration und stellen ein ernsthaftes soziales und architektonisches Problem dar.
Offenen Moscheen brauchen angepasste Architekturen
Architekten und Designer zögern vielleicht, die ihnen vorgegebenen Richtlinien für den Entwurf einer Moschee in Frage zu stellen, aus Angst, unsensibel zu sein. Wenn jedoch ein Baumeister beauftragt wird, Räume zu planen, die Mitglieder der Gemeinschaft ungleich behandeln, ist dies ein Problem, das professionelle Kritik erfordert. Wenn ein Architekt eine Turnhalle oder eine Bibliothek entwerfen soll, in der Frauen nur ein Viertel des Raumes mit schlechteren Einrichtungen zur Verfügung steht, würde er das nicht in Frage stellen?
Moscheen mit Mauern, Schranken und getrennten Eingängen senden eine klare Botschaft an muslimische Frauen: Diese Räume sind nicht für uns. Damit sie auch für kommende Generationen relevant und wichtig bleiben, müssen sie sich anpassen und aus den historisch gewachsenen geschlechtsneutralen Normen lernen.
Unter solchen Bedingungen ist Teilhabe und Partizipation nicht möglich – vor allem nicht für jüngere Menschen, die sich sonst überall gleichberechtigt fühlen, nur nicht dort.
Anfang 2023 wurde ich gebeten, als Designberater für islamische Architektur an einem großen Moschee- und Schulprojekt in Edmonton mitzuwirken. Die Schule und die Moschee sollen Platz für 1.500 bis 2.000 Menschen bieten. Schüler, Lehrer, Eltern und andere, die sie nutzen werden, brachten ihre Ideen in das Projekt ein: ein Entwurf ohne Geschlechtertrennung, der eine Reihe von Themen berücksichtigt, die für die Gemeinde und die Region relevant sind.
* Übersetzt und veröffentlicht im Rahmen einer Creative Commons-Lizenz.