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Nahostkonflikt: Können Medien Brücken bauen?

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Foto: Orso, Shutterstock

(iz). Sie gehört zum Nahostkonflikt inzwischen dazu: die Medienschelte. Gerade in den sozialen Medien liest man relativ pauschal, dass die Berichterstattung über das Schicksal der Palästinenser in Deutschland „einseitig, mitleidlos und verzerrend“ sei. Inzwischen wird man dieses generelle Urteil zumindest relativieren müssen, erscheinen doch beinahe täglich Artikel in diversen Zeitungen – Ausnahmen bestätigen die Regel – die den Konflikt durchaus differenziert darstellen.

Worauf beruht das Bild der einseitigen Medien? Muslime kritisieren, dass die Geschichte des Konflikts, die jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser, Not und Verzweiflung nicht genug berücksichtigt werden. Sie bemängeln, dass die hohen Opferzahlen auf Seiten der Palästinenser nicht ausreichend einbezogen werden. Sie werfen Medien vor, pauschale Urteile mit ganzen Bevölkerungsgruppen zu verknüpfen. Es geht dann nicht mehr um Extremisten, sondern um die Muslime, die Flüchtlinge und die Palästinenser. 

Mit am heftigsten fällt die Kritik an Stimmen aus, die den muslimischen Organisationen die Beförderung von Antisemitismus vorwerfen. Der Hintergrund ist ernst, denn der Vorwurf des Antisemitismus bedeutet in Deutschland die endgültige soziale Verbannung. Der Vorwurf sollte daher nicht als erstes, sondern – nach fundierter Begründung – als letztes Mittel eingesetzt werden. Organisationen, die beispielsweise Muslime mit türkischstämmigem Hintergrund versammeln, reagieren empört und verweisen auf die Geschichte der Türkei als Schutzort für deutsche Juden im 2. Weltkrieg. Und junge Palästinenser denken bei ihrer Kritik an Israel oft nicht an die deutsche Vergangenheit, den Holocaust und Verfolgung, sondern allein an ihre Erfahrung mit israelischer Politik im Hier und Jetzt.

Zum zivilisierten Umgang in einer freien Gesellschaft gehört immer auch ein respektvolles Verhalten. Hierzu gehört das Grundverständnis, dass normale Beobachter – auf beiden Seiten – keine zivilen Opfer wünschen oder gar herbeisehnen. Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, nicht jeder, der eine pro-palästinensische Haltung hat, stimmt der Strategie der Hamas zu. Nicht jede Stimme, die die Existenz Israels verteidigt, ist blind gegenüber den Kollateralschäden israelischer Regierungspolitik.

Es ist auch eine wichtige Aufgabe von Medien, zu zeigen, wo ein möglicher Konsens in der Gesellschaft besteht. So hat die absolute Mehrheit aller Muslime, alle großen Organisationen, die Demonstrationen vor Synagogen in Deutschland als abstoßend und sinnlos bewertet. Muslime und Juden haben gemeinsam Interessen. Sie befürchten, um nur ein Beispiel zu nennen, beide einen neuen Nationalismus. Die islamische Lehre, wie jede andere religiöse Lehre, lässt keinen Raum für Vernichtungsphantasien, Terrorismus oder Ideologie. Darauf kann man – wenn man denn will – durchaus aufbauen.

Es gibt Konflikte, die eine gewisse Demut verlangen, da sie leider Gottes nicht einfach zu lösen sind. Hier sollten Meinungsmacher versuchen, Brücken zu bauen: Junge Israelis wollen in Frieden leben. Junge Palästinenser wollen eine Zukunft haben. Die deutsche Regierung und das Feuilleton müssen einen ehrlichen Weg zu diesem Ziel aufzeigen. Viele Muslime und andere Beobachter zweifeln daran, dass eine 2-Staaten-Lösung noch auf der westlichen Agenda steht. Wie soll der Konflikt aber ohne diese reale Option je gelöst werden?

Auf muslimischer Seite sollte genauso klar sein, dass eine Politik, die das Existenzrecht Israels negiert oder Juden per se angreift, im Nachkriegsdeutschland keine Unterstützung finden kann. Wenig hilfreich sind auch Einstellungen, die jede kleinste Kritik am Beitrag der Palästinenser und ihrer Organisationen an der aktuellen Lage hysterisch zurückweist. Eine offene Debatte sollte zumindest versuchen, die Argumente der Gegenseite anzuführen, zu besprechen und – wenn man kann – zu entkräften. Wenn muslimische Kommentatoren dies sachlich tun, dann wird man sie auch zur Kenntnis nehmen.

Muslime beklagen heute die Medienlandschaft in Deutschland. Die Lösung ist klar: mehr Engagement. In Deutschland herrscht Pressefreiheit. Muslime können Foren, Zeitungen, Fernsehkanäle oder Radiosender gründen. Muslimische Journalisten können mit guten Beiträgen bereits heute in vielen Medien veröffentlichen.

Die deutsche Öffentlichkeit muss damit umgehen, dass viele junge Muslime auch konkrete Erfahrungen aus der Nahostpolitik einbringen. Es ist eben ein Unterschied, ob Politik nur aus der Ferne betrachtet wird, oder ob, wie im Fall Syrien oder Palästina, auch Familiengeschichten und persönliche Erfahrungen betroffen sind.

Diese Lage mag kompliziert sein, sie trägt aber auch die Möglichkeit eines faszinierenden Dialogs in sich.