
Trotz massiver AfD-Zugewinne bei den NRW-Kommunalwahlen sprechen die großen Parteien CDU und Grüne ihrerseits von Erfolgen.
Düsseldorf (iz). Bei den Wahlen zu den Gemeinden 2025 in Nordrhein-Westfalen waren ca. 14 Mio. Bürger aufgerufen, in 396 Städten/Gemeinden und 31 Kreisen über 20.000 Mandate – darunter rund 3.000 Bürgermeister- und Landratspositionen – abzustimmen.
Die Zahl der Kandidatinnen und Kandidaten lag landesweit im fünfstelligen Bereich, da sowohl Parteien als auch zahlreiche Einzelbewerber und Wählergruppen antreten konnten.
Die Gruppe der wahlberechtigten Personen umfasst Deutsche und ca. 800.000 EU-Ausländer. Hinzu kamen ca. 1,5 Millionen Nicht-EU-Ausländer, die über Integrationsräte mitentscheiden können.
Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei 56,8 % und damit deutlich über den letzten Jahren, vergleichbar mit dem historischen Wert von 1994, als ebenfalls mehr als 56 % gemessen wurden und seitdem ein Tiefpunkt bei etwa 48 % lag.
Daraus ergibt sich ein erheblich bürgerliches Engagement in NRW – insbesondere auch für Einwohner mit internationalen Wurzeln, die verstärkt angesprochen und informiert werden müssen, damit sie ihre Rechte wahrnehmen.
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Kommunalwahlen: NRW-CDU erklärt sich zum Sieger
Die CDU ging erneut als stärkste Kraft hervor. Sie erreichte laut vorläufigem Endergebnis einen Stimmenanteil von etwa 33,3 %, was zwar einen leichten Rückgang gegenüber 2020 bedeutet, sie aber klar vor SPD und Grünen positioniert.
Ministerpräsident und CDU-Landeschef Hendrik Wüst bewertete das Ergebnis als „tollen Erfolg“ und betonte, die CDU bleibe die „Kommunalpartei Nummer eins“ in NRW. Gleichzeitig äußerte er sich besorgt über den starken Zuwachs der AfD und forderte die demokratischen Parteien zum geschlossenen Handeln auf.
Bundesgeneralsekretär Linnemann ergänzte, man müsse jetzt das Ordnungsversprechen erneuern und lokale Probleme wie Armutsmigration und Problemimmobilien entschieden angehen. Mit Blick auf die Stichwahlen kündigte die CDU an, Kandidaten demokratischer Parteien gegenüber der AfD aktiv zu unterstützen, um ein klares Zeichen für die Mitte zu setzen.
Abgeräumt im Ruhrgebiet: die nicht so heimlichen Sieger
Die AfD hat ihr Ergebnis im Vergleich fast verdreifacht und landesweit etwa 14,5 % erreicht, was besonders in Städten des Ruhrgebiets wie Gelsenkirchen, Duisburg und Hagen mit Einzügen in die Stichwahlen sichtbar wurde.
Landeschef Martin Vincentz sprach nach dem Wahltag von einer „Volksabstimmung über die Richtung des Landes“ und wertete das starke Ergebnis als „Signal für die etablierten Parteien, endlich den Willen der Bürger ernst zu nehmen“. Die AfD sieht sich laut Vincentz nun als echte Alternative und bekräftigte, im zweiten Wahlgang die Chance auf kommunale Führungspositionen offensiv wahrnehmen zu wollen.
Aus den Reihen der Kandidaten hieß es, der Aufstieg sei Ausdruck wachsender Unzufriedenheit mit „Immigrationspolitik und Sicherheitslage“, und man wolle Sachpolitik statt Ideologie in den einzelnen Kommunen voranbringen. Die Partei betonte, dass sie in Nordrhein-Westfalen endgültig verwurzelt sei und eine dauerhafte Rolle in der Lokalpolitik beanspruche.
NRW-SPD ist nicht mehr „Schutzmacht“ der Arbeiterschaft
Die SPD gehört zu den Hauptverlierern: Sie fiel landesweit auf etwa 22 % und musste besonders in traditionellen Arbeiterhochburgen herbe Einbußen hinnehmen.
Im Ruhrgebiet verlor sie rund 2,3 Punkte und erzielte mit 28,4 % ihr schlechtestes Ergebnis dort; besonders starke Verluste gab es in Bottrop (-8,6 %), Herne (-7,1 %), Oberhausen und Hagen (jeweils etwa -5,6 %). Nur in Hamm und Mülheim konnte sie zulegen, ansonsten wurde der bundesweite Negativtrend bestätigt.
Der NRW-Landesverband räumte die „enttäuschenden“ Resultate ein und forderte eine Rückbesinnung auf sozialdemokratische Kernthemen. Vorsitzende Bas betonte, dass die SPD wieder Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen müsse – und das AfD-Ergebnis ein „Alarmsignal für die Sozialdemokratie“ sei. Aus Reihen der Ruhrgebiets-SPD hieß es, nur neue Glaubwürdigkeit und lokale Investitionen könnten den Abwärtstrend stoppen.
Die Grünen geben sich als Erfolgspartei
Die Grünen sanken bei der Kommunalwahl 2025 in NRW auf etwa 13–14 % und verloren damit über sechs Punkte gegenüber 2020, inszenieren sich aber dennoch als Gestalter für soziale und ökologische Zukunft.
Ihre zentralen Plakatslogans lauteten: „Deine Stimme. Dein Ort. Deine Zukunft.“ und „Klimaschutz fängt vor deiner Tür an.“. Damit betonten sie Bürgerbeteiligung und lokale Klimapolitik als Identitätskern.
In Stellungnahmen nach der Wahl erklärte Landeschef Felix Banaszak, die Grünen würden ungeachtet des Rückgangs unverändert mit „Zuversicht“ agieren und als „glaubwürdige Alternative zum gesellschaftlichen Druck von rechts“ auftreten.
Man verbreite Mut zum Wandel und setze weiter auf soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, auch als klare Abgrenzung zur AfD und zu stagnierenden Volksparteien. Kampagnenmotive und Statements heben hervor, dass ökologische und soziale Anliegen „direkt vor der Haustür“ entschieden werden müssen – dies bleibt trotz Stimmverlusten die strategische Selbstpositionierung.
Die Kleinparteien: von BSW, über die FDP bis zu Todenhöfer
2025 blieben die Ergebnisse der Kleinparteien BSW, FDP und Team Todenhöfer deutlich hinter den größeren Parteien zurück. Die FDP erzielte etwa 3,3 % der Stimmen und verlor damit weiter an Boden; der Landesverband sprach dennoch von einer wichtigen demokratischen Funktion und hob die erfolgreiche Verfassungsgerichtsklage gegen ungerechte Sitzverteilung als „Sieg der Demokratie“ hervor.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam landesweit nur auf durchschnittlich 1,1 % und erklärte in Stellungnahmen, man habe ein „Signal für soziale Gerechtigkeit gesetzt“, wolle aber regional weiter aufbauen und bedauere die geringe Flächenpräsenz.
Team Todenhöfer hat bei den Kommunalwahlen 2025 in NRW kein Mandat errungen. Es blieb mit etwa 0,2 % eine Randerscheinung. Der NRW-Landesverband betonte weiterhin die Orientierung an „Frieden, weniger Bürokratie und echter Mittelschichtentlastung“ und sieht in der Kommunalpolitik an Rhein und Ruhr eine „Chance für neue Reformideen“. Alle drei Parteien unterstrichen ihre Kritik am etablierten Politikbetrieb und forderten mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz in den Kommunen.
Grafik: IZ (Foto: Adobe Stock)
Gibt es „den Migranten“ überhaupt als Wählergruppe?
Vorab wurde die Rolle migrantischer und muslimischer Wähler von einigen hervorgehoben. Rund 15 % der Wahlberechtigten haben einen internationalen Hintergrund – darunter etwa 800.000 EU-Ausländer und viele deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte.
Muslime sind als politische Gruppe präsent, obwohl ihre Wahlbeteiligung traditionell etwas unter dem Durchschnitt liegt. Verbände wie die IGMG und der Islamrat mobilisierten in diesem Jahr mit Kampagnen wie „Jede Stimme zählt“ und betonten, lokale Entscheidungen über Bildung, Wohnraum und Religionsschutz beträfen muslimische Bürger unmittelbar.
Der Integrationsrat und verschiedene Moscheevereine riefen explizit dazu auf, keine extremistischen Parteien zu wählen und die demokratische Mitte zu stärken.
Traditionell ist die Wahlbeteiligung von Migranten bei Kommunalwahlen sowie anderen Wahlen deutlich geringer als die der Mehrheitsbevölkerung. Studien und Wahlanalysen zeigen, dass diese von Menschen mit Migrationshintergrund oft 15–20 Prozentpunkte niedriger ist als die der Gesamtbevölkerung.
Die Milieuforschung zu Migranten zeigt, dass Mentalität, Lebenswelten und soziale Lage für politische Einstellungen und Partizipation entscheidender sind als ethnische Herkunft. Es existieren verschiedene Milieus mit stark unterschiedlichen Grundhaltungen, politischem Engagement und Interessen.
Selbst innerhalb einer Herkunftsgruppe (z.B. Menschen aus der Türkei, dem Nahen Osten oder der früheren Sowjetunion) gibt es deutliche Unterschiede im Wahlverhalten, etwa bezüglich Präferenzen und Prioritäten. Materielle Sorgen, Bildung und soziale Integration beeinflussen politische Beteiligung und Wertorientierungen teils stärker als die Herkunft selbst.