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Drei Westmächte erkennen Palästina an. Deutschland im Abseits?

Palästina
Foto: UK Prime Minister

Kanada, Großbritannien und Australien haben am Sonntag überraschend bekanntgegeben, Palästina künftig als eigenständigen Staat anzuerkennen.

(iz). Mit diesem Schritt wollen die drei westlichen Staaten ein Signal setzen, dass ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten nur auf Grundlage einer Zweistaatenlösung erreichbar sei.

Palästina: Worum geht es überhaupt bei der Anerkennungsfrage?

Die Frage der internationalen Anerkennung Palästinas wurzelt in der langen Geschichte ungelöster Konflikte und unvollendeter Staatlichkeit. Seit dem Ende des britischen Mandats und der UN-Teilungsresolution von 1947 ist das Streben nach einem eigenen Staat eng mit den großen Konfliktlinien des Nahen Ostens verknüpft.

Während Israel 1948 seine Unabhängigkeit erklärte und von einer wachsenden Zahl an Regierungen anerkannt wurde, blieb die palästinensische Seite ohne einen souveränen Rahmen, obwohl ihr laut dem UN-Plan ein Staat zugestanden war.

Nach dem Krieg von 1967 erlangte besonders das besetzte Westjordanland einschließlich Ostjerusalem sowie der Gazastreifen symbolische Bedeutung, da sie von der internationalen Gemeinschaft als Kerngebiet eines künftigen Palästinas betrachtet werden.

Seither gilt die sogenannte Zweistaatenlösung – also die Koexistenz Israels und Palästinas in klar definierten Grenzen – als Leitidee der Diplomatie, auch wenn sie in der Realität immer weiter an Boden verliert. Internationale Anerkennung wurde lange davon abhängig gemacht, dass eine Verhandlungslösung erzielt wird.

Doch wiederholte Friedensinitiativen scheiterten an der Asymmetrie der Machtverhältnisse, an territorialen Fragen wie Siedlungen und Grenzen wie auch an der Frage Jerusalems.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) beschloss 1988 einseitig die Staatsgründung, was bereits von mehr als 100 Staaten anerkannt wurde. Heute erkennt eine deutliche Mehrheit der UN-Mitglieder Palästina als Staat an. Doch zentrale Akteure wie die USA, Deutschland oder Frankreich machen ihre Haltung von einem ausgehandelten Abkommen abhängig.

Das palästinensische Volk sah darin eine Blockade des Selbstbestimmungsrechts, zumal sich faktisch durch fortgesetzte Besatzung und Siedlungspolitik die Möglichkeit eines zusammenhängenden Territoriums immer stärker verengt.

Für Befürworter steht daher im Vordergrund, dass Anerkennung nicht als Endpunkt, sondern als notwendiger Punkt verstanden wird: Ausdruck völkerrechtlicher Gleichberechtigung, der sie auf Augenhöhe an künftigen Verhandlungen beteiligt. Gegner befürchten, dass ein solcher Schritt Spannungen vertieft oder Friedensgespräche erschwert.

In jedem Fall bleibt die Anerkennungsfrage ein Gradmesser internationaler Gerechtigkeit und der Bereitschaft, den palästinensischen Wunsch nach Souveränität ernst zu nehmen.

Foto: Israeli Defence Forces Spokesperson’s Unit, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Drei einflussreiche Staaten des Westens schwenken um

In einer gemeinsamen Erklärung betonten die Regierungen in Ottawa, London und Canberra, die Zeit sei gekommen, den Palästinenserinnen und Palästinensern die völkerrechtliche Legitimität zuzugestehen, die bislang aus geopolitischen Erwägungen oft aufgeschoben worden sei.

Die Entscheidung bedeutet eine bemerkenswerte Verschiebung im außenpolitischen Kurs gleich mehrerer enger Verbündeter der USA. Bisher hatten Kanada, Großbritannien und Australien die Frage der Anerkennung stets an erfolgreiche Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern geknüpft. Nun wird der Schritt auch als Reaktion auf die anhaltende Gewalt in Gaza und im Westjordanland gewertet. Führende Politiker verwiesen darauf, dass die diplomatische Blockade der vergangenen Jahrzehnte weder Sicherheit für Israel noch Gerechtigkeit für die Palästinenser hervorgebracht habe.

Aus Jerusalem kamen umgehend kritische Stimmen. Mitglieder der israelischen Regierung warnten, dieser Schritt könne „Terrorismus belohnen“ und die Chancen für neue Verhandlungen weiter erschweren. In Ramallah dagegen begrüßte die Palästinensische Autonomiebehörde die Entscheidung als „historischen Wendepunkt“. Präsident Mahmud Abbas sprach von einem „mutigen Signal“, das Hoffnung auf eine gerechtere Friedensordnung wecke.

Auch in Europa und den Vereinten Nationen löste die Ankündigung Reaktionen aus. Mehrere EU-Staaten, darunter Spanien und Irland, hatten Palästina bereits zuvor anerkannt. Nun könnte der Schritt von Kanada, Großbritannien und Australien den Druck auf Deutschland, Frankreich und die USA erhöhen, ihre bisherige Haltung zu überdenken.

Diplomatische Beobachter sprechen von einer möglichen Dynamik, die in den kommenden Monaten weitere internationale Anerkennungen nach sich ziehen könnte.

Damit erhöht sich die Zahl der Länder, die Palästina offiziell als Staat anerkennen, auf mehr als 140. Während Kritiker vor symbolischem Maßnahmen ohne unmittelbare Wirkung auf die Lage vor Ort warnen, verweisen Befürworter auf die politische Signalwirkung: In Ermangelung gleicher Rechte für beide Seiten werde jede Friedenslösung fragile Makulatur bleiben.

minister afghanen

Foto: Deutscher Bundestag / Tilo Strauss / photothek

Seit Jahren auf der Stelle getreten: Die Bundesregierung schließt sich ihren Alliierten nicht an

In Deutschland wird die Anerkennung eines palästinensischen Staates seit Jahren kontrovers diskutiert, doch bislang bleibt die Bundesregierung auf einem restriktiven Kurs. Während Länder wie Spanien, Norwegen, Irland und aktuell Großbritannien, Australien sowie Kanada mit ihrer Anerkennung neue Impulse setzen, lehnt die deutsche Regierung diesen Schritt weiterhin ab.

Sie begründet dies mit ihrer langjährigen Linie: Eine Akzeptanz Palästinas solle erst am Ende eines erfolgreichen Friedensprozesses als Konsequenz direkter Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern stehen, nicht aber als symbolischer Akt zu dessen Beginn oder im Verlauf schwerer Krisen.

Diese Position wird parteiübergreifend getragen, von Kanzler und Außenministerium über die CDU/CSU bis hin zu Teilen von SPD und Grünen. Ein Hauptargument der Bundesregierung ist, dass derzeit keine funktionierende, allgemein legitimierte palästinensische Staatsstruktur existiert.

Die fragmentierte Lage zwischen Westjordanland und vom Machtkampf gezeichneter Verwaltung in Gaza, sowie die bis heute ungelöste Frage einer einheitlich anerkannten palästinensischen Führung, gelten als wesentliche Hindernisse für eine volle Staatlichkeit.

In der öffentlichen Debatte äußern sich insbesondere weiter links stehende Parteien klar für eine Anerkennung. Sie verweisen auf das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Kritiker des Regierungskurses werfen Berlin Mutlosigkeit und ein zu enges Festhalten an veralteten Realitäten vor. Die AfD sowie Teile des konservativen Lagers lehnen jedoch eine Anerkennung strikt ab, mit Verweis auf fehlende Staatlichkeit oder auf sicherheitspolitische Bedenken.

Im Fazit sieht sich Deutschland im Dilemma zwischen historischer Verantwortung, Völkerrecht, internationaler Dynamik und der Sorge, mit einem symbolischen Schritt die fragile Ausgangslage im Nahen Osten weiter zu verkomplizieren. Bis auf Weiteres bleibt Berlin dabei: Die Anerkennung Palästinas ist für die deutsche Politik erst dann denkbar, wenn ein umfassender Friedensprozess glaubhaft zum Abschluss gekommen ist.

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