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Florenz – von Dante zu Ibn Sina

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Foto: Kamilla Isalieva, Unsplash

IZ-Reiseblog: Florenz – im Herzen der italienischen Kultur finden sich faszinierende Anknüpfungspunkte zur islamischen Tradition.

(iz). Millionen Touristen besuchen Florenz mit großen Erwartungen, weil die Stadt ein wahres Juwel der Renaissance ist und eine unglaubliche kulturelle und künstlerische Bedeutung hat.

Es war im Mittelalter und in der Renaissance ein Zentrum von Macht, Handel und Kultur – die Medici-Familie spielte dabei eine große Rolle. Die Altstadt mit ihren engen Gassen, Brücken wie der Ponte Vecchio und charmanten Plätzen wirkt wie ein lebendiges Museum.

Florenz – im Zentrum der italienischen Kultur

Wir stehen dicht gedrängt in einem lokalen Bus, der uns ins Zentrum bringt. Auf der Fahrt hören wir die erregte Stimme eines älteren Herrn, der, in gebrochenem Englisch, die Lage aus seiner Sicht auf den Punkt bringt: „Es gibt zu viele Touristen! Wir bezahlen Steuern und dann bekommen wir immer nur einen Stehplatz!“

Darauf folgen einige, vermutliche weniger sachlich formulierte Einwände, auf Italienisch. Im öffentlichen Verkehrsmittel herrscht angesichts des Wutausbruches betretenes Schweigen. „Mamma Mia, der Mann hat Recht, die Stadt ist überfüllt“, denkt nur der Verständige.

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Der Zeithistoriker Joachim Fest hat das Phänomen des Massentourismus gut erklärt: Früher wurden die Besucher durch eine Stadt verändert, heute verändern sich nur noch die Touristenziele.

Nach der Ankunft in der Altstadt schwimmen wir im Strom und bewundern die vergangene Größe, die sich überall in erstaunlichen Bauwerken in Erinnerung bringt.

Der geplante Besuch der Uffizien, Standort berühmter Kunstwerke, fällt allerdings aus. Die Schlangen vor den Kassen sind einfach zu lang. Immerhin laufen wir so nicht in Gefahr, in das Stendhal-Syndrom zu verfallen. Das psychosomatische Phänomen, das vor allem bei Touristen in Städten mit sehr hoher Dichte an Meisterwerken und künstlerischen Eindrücken auftritt – ist besonders bekannt in Florenz. Menschen, die daran leiden, reagieren körperlich und emotional extrem auf den Anblick großer Kunstwerke bzw. überwältigender kultureller Schönheit. Die Symptome können beinhalten: Herzrasen, Schwindel, Ohnmacht, Angstzustände und sogar depressive oder manische Zustände.

Benannt ist das Phänomen nach dem französischen Schriftsteller Stendhal, der 1817 Florenz besuchte und beim Anblick der Fresken in der Kirche Santa Croce ein intensives Gefühl von Ehrfurcht, Rührung und körperlicher Erschöpfung beschrieb. Seine Reaktion gilt heute als einer der frühesten dokumentierten Fälle. In der Stadt gibt es sogar eine psychiatrische Klinik, die Touristen mit entsprechenden Symptomen behandelt!

Nur wenige Gäste bei Dante

Nur wenige Besucher treffen wir dagegen im Dante-Haus an. Der Dichter und Philosoph Dante Alighieri (1265-1321) ist das berühmteste Kind der Stadt. Seine „göttliche Komödie“ – in italienischer Sprache verfasst, gehört zu den Klassikern der Weltliteratur.

Wir spazieren durch die Räume des Museums, in dem es nicht viel zu sehen gibt. Beeindruckend ist die Vielzahl der ausgestellten Übersetzungen, die sein Hauptwerk in Dutzenden verschiedenen Sprachen lesbar macht. Daraus kann man schließen, dass die Faszination des Buches mit seiner religiösen Thematik bis heute ungebrochen weiterwirkt.

Foto: Abu Bakr Rieger

Für Muslime ist die Lektüre ein wenig heikel, da der Dichter nicht nur eine spirituelle Reise zwischen Hölle, Himmel und Paradies beschreibt, sondern ohne großes Zaudern – auch einige griechische Philosophen, historische Größen und nicht-christliche Religionsführer, darunter unseren Propheten – in der Hölle verortet. 

Was soll man dazu sagen? Es gibt sie eben, die Schwierigkeiten des interkulturellen Dialogs! Im Jahr 2024 erregte sich Italien über einige muslimische Eltern, die die Lektüre des Textes, das zum Kulturgut des Landes gehört, in der Schule für ihre Kinder inakzeptabel fanden. Darüber lässt sich streiten; allerdings nur, wenn man sich ein wenig mit Dante beschäftigt hat. Man kann das Werk – in seinem historischen Kontext – durchaus als eine Brücke zum Islam sehen. Die arabische Kultur, das sollte man nicht vergessen, war den Gebildeten der Toskana im 14. Jahrhundert wohlbekannt.

Islamische Quellen in der europäischen Kultur

In den 1920er Jahren löste der spanische Historiker Miguel Asín Palacios mit der Veröffentlichung seines Buches „Die islamische Eschatologie in der Göttlichen Komödie“ eine interessante Debatte aus. Der Autor wies auf die islamischen Quellen und Dantes Faszination für die arabische Kultur hin.

Beim Vergleich seines Gedichts mit arabischen Manuskripten über die sogenannte Nachtreise (bekannt als Miraj) stellte Palacios bedeutende Ähnlichkeiten auf symbolischer und formaler Ebene fest. Die „Göttliche Komödie“ beschreibt seine Reise durch die Reiche des Jenseits und stellt allegorisch die Reise der Seele zu Gott dar. Andererseits beschreibt die Isra und Miraj den Weg des Propheten Muhammad (Friede sei mit ihm) von Mekka nach Jerusalem und seine Himmelfahrt – eine physische und spirituelle Reise, die er in einer einzigen Nacht unternahm.

Foto: Roberto La Rosa, Shutterstock

Kurzum, mit der Islamophobie der Moderne – deren Vertreter ihre Argumente oder Vorurteile oft auf bescheidenem Niveau und mit mangelnder Sachkenntnis vortragen – hat die Welt Dantes wenig zu tun. In seinem Denken spielen viele Namen aus der islamischen Welt, etwa Saladin, Avicenna (Ibn Sina) oder Averroës (Ibn Ruschd) eine wichtige Rolle.

Mit anderen Worten: Sein Bildungsniveau spricht für sich. Das heißt, soweit unser Urteil, warum sollten sich muslimische Jugendliche, die in Europa leben, nicht mit derartiger Überlieferung beschäftigen? Diese Auseinandersetzung mit den Werken der Weltliteratur schadet sicher nicht.

Die wichtigsten Brücken für die Übermittlung islamischen Wissens nach Europa waren Andalusien und Sizilien, wo sich eine intensive arabische Kultur entwickelte. Wie Dantes Fall zeigt, war der Islam ein wesentliches Element der intellektuellen Auseinandersetzung und eine inspirierende Quelle für die westliche Gesellschaft.

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