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Spenden und die Cryptowährungen

Ausgabe 339

spenden Innovation
Foto: Chinnapong, Shutterstock

Spenden: Welche Rolle können Cryptowährungen dabei für Muslime spielen? Ein Bericht.

(iz). Seit ungefähr eineinhalb Jahren verstärkt sich unter den Muslimen im Westen der Trend, Spenden für wohltätige Zwecke in Bitcoin zu verrichten. Von Alp Uçkan

Spenden: Cryptowährungen lassen sich für Sadaqa einbinden

Ein Freund von mir sammelt monatliche Spenden von einer Gruppe Muslime ein und schickt sie an ein Waisenheim in Uganda, welches nicht unter der Schirmherrschaft einer Hilfsorganisationen steht und somit auf direkte Spenden von Individuen angewiesen ist. Am Anfang bestand diese Gruppe aus drei Leuten. Heute sind es mittlerweile ca. zwei Dutzend, die zusammen etwa 500 bis 1.000 Euro monatlich zusammen bekommen.

Nach ungefähr einem Jahr erhielt dieser Freund eine Nachricht von Western Union, das er regelmäßig für die Übermittlung der Spenden nutzte. Sie teilten ihm mit, dass er nun ein monatliches Limit von 650 Euro habe, und darüber hinaus nicht mehr nach Uganda überweisen könne. Einfach so, ohne Angabe von Gründen.

Foto: Pexels Rdne stock-project

Zu bestimmten Anlässen, etwa wenn ein Brunnen gebaut werden soll, benutzt er auch mal PayPal. Dabei ermahnt er jedes Mal alle potentiellen Spender, keine islamisch klingenden Kommentare wie „Inschallah hilft es“ oder „Mashallah, tolles Projekt!“ dazu zu schreiben. „PayPal friert manchmal einfach Konten ein, wenn sie etwas Islamisches sehen“, sagt er, wenn man ihn nach dem Grund fragt.

Wie man Projekte an Bitcoin anschließt

Ein Jahr zuvor hatten wir dieses Waisenheim mit einer Bitcoin-Börse (Bitcoin wallet) und einer Lightning Adresse ausgestattet. Zuerst verstand niemand so Recht, wofür das gut war. Aber dann haben wir die ersten Spenden in Bitcoin überwiesen und sie haben es in Uganda in ihre lokale Währung umgewandelt, sprich wieder verkauft.

Im Ramadan haben wir dann eine größere Aktion auf Twitter (heute 𝕏) gestartet. Jeden Tag eine kleine Spende in Sats, die kleinste Bitcoin-Einheit (1 Bitcoin = 100.000.000 Satoshis oder kurz Sats).

Ein Motto, den ein Muslim dabei etablierte, war „Stack Sats and stack hasanats“ (Sats und Belohnungen stapeln). „Stack Sats“ war schon lange ein geläufiger Spruch unter Bitcoinern, der im Grunde besagt „Kratze jeden Cent zusammen und kaufe davon Sats, wenn du kannst“. Muslime fügten in diesem Ramadan „… Hasanats“ hinzu.

In den letzten zehn Tagen des Ramadan intensivierten sich die Bitcoin-Spenden in der Hoffnung, dass man bei jeder Spende auf die Lailatul-Qadr treffen könnte. Nicht nur Muslime spendeten direkt an das Waisenheim in Uganda, auch viele Nichtmuslime schlossen sich an, weil es so einfach war, Sats zu spenden.

Ende Ramadan kamen dann die Zahlen: Bitcoiner hatten in dieser Ramadan-Aktion insgesamt 21.672.663 Sats (0.21672663 Bitcoin) gespendet, was damals einen Gegenwart von ca. 5.920 darstellte.

Foto: Michael D., Unsplash

Worin liegen die Vorteile?

Dafür erst einmal ein wenig Theorie, ohne zu technisch zu werden. Das Bitcoin-Protokoll selbst hat ein Skalierbarkeitsproblem. Das Bitcoin-Skalierbarkeitsproblem bezieht sich auf die begrenzte Fähigkeit des Bitcoin-Netzwerks, große Mengen an Transaktionsdaten auf seiner Plattform in kurzer Zeit zu verarbeiten, was mit der Tatsache zusammenhängt, dass die Aufzeichnungen (bekannt als Blöcke) in der Bitcoin-Blockchain in Größe und Häufigkeit begrenzt sind. Daher können manche Transaktionen bis zu mehrere Stunden dauern.

Hier kommt das Lightning-Netzwerk, das ich oben erwähnt habe, ins Spiel. Das Lightning Network (LN) ist ein Protokoll, das die Skalierbarkeit und Geschwindigkeit von Bitcoin verbessert, ohne den vertrauenslosen Betrieb zu beeinträchtigen.

Das Lightning Network fordert eine Finanzierungstransaktion in der Blockchain, um einen Zahlungskanal zu eröffnen. Sobald ein Kanal geöffnet ist, können angeschlossene Teilnehmer schnelle Zahlungen innerhalb des Kanals vornehmen oder Zahlungen durch „Hopping“ zwischen Kanälen an Zwischenknoten für geringe oder keine Gebühren weiterleiten.

Das sieht dann in der Praxis so aus, dass, wenn man einige Sats an eine Lightning-Adresse verschickt (die übrigens genauso aufgebaut ist, wie eine Email-Adresse), sie in 1-2 Sekunden beim Empfänger ankommen. Egal, wo auf der Welt.

Die Transaktion findet Peer-to-Peer (P2P), ohne irgendwelche Mittelsmänner oder Institutionen statt. Es ist deshalb „permissionless“ (erlaubnislos), wie man sagt. Keiner kann sich einmischen, keiner kann es verhindern oder hacken, keiner kann es rückgängig machen (es sei denn, der Empfänger schickt freiwillig den Betrag zurück). Schnell, Mensch-zu-Mensch, erlaubnislos, grenzenübergreifend und sicher. Das ist der Reiz und die Innovation des Lightning-Netzwerks.

In der Praxis funktioniert so eine Transkation wesentlich einfacher als eine Überweisung mit Kreditkarte oder Western Union. Initial lädt man sich eine Lightning-App wie Wallet of Satoshi herunter und schon hat man auch eine Lightning-Adresse, denn diese App vergibt bei der Installation eine zufallsgenerierte, leicht merkbare Adresse, wie flyingracoon38@walletofsatoshi.com.

Ab dann kann man im Prinzip auch schon Sats empfangen, die Gegenseite braucht nur die Lighting Adresse des Empfängers. Wenn man ein paar Sats auf die eigene Lighting-Adresse aufladen möchte, nutzt man die integrierte Bitcoin-Kaufmöglichkeit. Oder wenn man bereits woanders Bitcoin besitzt, kann man sich die Sats auf die eigene Lightning-Adresse senden und von dort aus weiter ausgeben.

Das Lightning-Netzwerk, welches eine technische Schicht über dem eigentlich Bitcoin-Netzwerk ist, ist die Basis für stetig neue Anwendungsmöglichkeiten. Etwa das Social-Media-Netzwerk Nostr, wo man neben Likes und Shares die Beiträge anderer auch „zappen“ kann. Das heißt, wenn einem ein Beitrag gefällt, schickt man dem Autor mit einem Klick ein paar Sats. Direkte Content-Wirtschaft.

Es sind Marktplätze auf Lightning- und Nostr-Basis im Aufbau, ähnlich wie Ebay, nur dezentral, P2P und erlaubnislos. Da stellt man dann seinen alten Schaukelstuhl als Anzeige online und der erste Käufer, der es gegen Sats kauft, bekommt es dann auch zugeschickt.

Foto: Anke van Wyk, Adobe Stock

Wo kann man Spenden?

Die Waisen aus Uganda sind mittlerweile komplett auf Bitcoin umgestiegen und halten sich, nach eigenen Angaben, hauptsächlich damit über Wasser. Andere lokale Organisationen wie „Bitcoin Kampala“, die sich auf die Verbreitung und Etablierung einer zirkulären Bitcoin-Wirtschaft verschrieben haben, sind mit auf den Zug aufgesprungen. Auch in anderen Teilen der Muslimischen Welt fangen Einrichtungen und Projekte an, Bitcoin als Spenden zu akzeptieren.

Die Crowdfunding-Platform Geyser Fund ermöglicht es jeder Organisation, Spenden in Bitcoin zu empfangen. Auch sogenannte Crowdfunding-Projekte können darüber finanziert werden.

Bitcoin-Spenden erreichen sogar Menschen, die kein Smartphone besitzen. Der Übersetzungsdienst Machankura  ermöglicht es, Lightning-Transaktionen per SMS zu empfangen.

Man darf bei all den technischen Vorteilen vor allem nicht vergessen, dass es sich bei Bitcoin um ein Zahlungsmittel handelt, welches nicht das Element des Riba in der Entstehung beinhaltet, sondern seit der Abkopplung vom Gold und Silber wieder das erste gesunde und deflationäre Zahlungsmittel ist, das wir heute zur Verfügung haben.

Immer mehr Muslime weltweit sehen es deshalb als die einzige Alternative, mit der man sein Geld ‘vom Staub des Ribaa’ säubern kann, ohne dabei auf technologische Fortschritte, wie E-Commerce, verzichten zu müssen.

* Der Autor ist Gründer von islamic-marketplace.com, in der Muslimische Verkäufer und Dienstleister Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren, sowie Gründer der bald startenden Beratungsplatform bitcoin-experts.com. Kontakt: mslmdvlpmnt@gmail.com