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Streit um Deutungshoheit wird heftiger

Screenshot: Yeni Şafak

Köln (iz). Am 8. September erschien in der türkischen Tageszeitung „Yeni Şafak“ ein ungewöhnlich heftiger und aggressiver Artikel. Die Autorin Yasemin Asan, die nicht in Deutschland lebt, warf einigen muslimischen, zivilgesellschaftlichen Initiativen und Vereinen in Deutschland vor, einen „Plan zur Spaltung der Muslime“ zu verfolgen. Die Betroffenen vermuten, dass die Verfasserin in ihrer Argumentation aus Deutschland gespeist wurde.
Am Mittwoch, den 12. September wandte sich eine der kritisierten Einrichtungen, die in Köln beheimatete Alhambra Gesellschaft, in einer öffentlichen Erklärung gegen die Einlassungen der „Yeni Şafak“-Autorin. Man verurteile den Text der „Yeni Şafak“. Asan wolle nicht erkennen, dass die namentlichen genannten Einrichtungen „und viele andere namentlich nicht genannte Vereine“ mit „falschen und haltlosen Anschuldigungen“ zur Zielscheibe gemacht würden.
Muslime, die seit mehr als 50 Jahren in Deutschland lebten, würden im Duktus des Textes immer noch als willenlose Verfügungsmasse behandelt. Wer „nicht einmal im Ansatz“ die Bedeutungen des zivilgesellschaftlichen Engagement verstehen könne, werde „diesen Einsatz und dieses Verantwortungsbewusstsein niemals verstehen“. Und auch nicht davor zurückschrecken, die beteiligten Menschen als „fremdgesteuert“ zu stigmatisieren.
Denn diese genannten Menschen, „die den Islam und die Muslime als integralen Bestandteil der Gesellschaft sehen wollen“, hätten aus ihrem muslimischen Selbstverständnis und einem Verantwortungsbewusstsein der deutschen Gesellschaft gegenüber neue Einrichtungen geschaffen. „Sie haben sich nicht als Fremdkörper definiert, sondern als Teil der Zivilgesellschaft in Deutschland verortet und gehen nun mit großer Hingabe ihrer Arbeit nach.“
Man glaube daran, so die Alhambra Gesellschaft abschließend, „dass die Muslime in Deutschland die Leistung der muslimischen Zivilgesellschaft anerkennen werden“.
Auch Taner Beklen vom Muslimischen Jugendwerk äußerte sich zum Text der „Yeni Şafak“ auf seinem Blog. In der Darstellung einer ausländischen Zeitung, dass der Erhalt von etwaigen staatlichen Fördermitteln oder der Gründung eigenständiger Vereine einer spalterischen Absicht diene, erkenne man das „übliche Vorgehen“. Alle, die von einem angeblichen Konsens abweichen würden, werden zu „Feinden und Verrätern“ stilisiert, schreibt Beklen.
Die diffamierende Absicht diene auch der Ablenkung von der eigenen Plan- und Ahnungslosigkeit. Stattdessen würden diejenigen als Feinde markiert, die trotz erlebter Enttäuschungen „mit Motivation und Tatendrang“ für etwas Neues einstünden. „Hat sich die Autorin des Artikels überdies mit der Frage beschäftigt, warum so viele Menschen ihrem vormaligen Verband den Rücken zukehren oder warum so viele junge Menschen, Intellektuelle, Visionäre und Macher von Bord gegangen sind? Hat sich die Autorin auch gefragt, warum in diesen Häusern Stillstand herrscht?“, fragt Beklen kritisch nach.
Weder lebe die Autorin in Deutschland, noch kenne sie die genauen Umstände der deutschen Muslime. Bei dem Text handle es sich „schlichtweg um Auftragsjournalismus“. (sw, mö)