Sudan: Humanitäre Helfer verlangen mehr Geld für Nothilfe, aber auch diplomatischen Druck.
Berlin (KNA) Angesichts der Gewalt in der sudanesischen Stadt El Faschir (oder El Fasher) hat die Hilfsorganisation Aktion gegen Hunger mehr Hilfe für Notleidende und Helfer gefordert.
Das Ausmaß der Vertreibung, der Gefahren für die Zivilbevölkerung und der humanitären Bedarfe sei enorm, teilte der Verein vor einigen Tagen in Berlin mit.
Die internationale Gemeinschaft müsse ihre diplomatischen Bemühungen intensivieren, um den Schutz der verbliebenen Zivilbevölkerung und humanitärer Helfer sowie sichere Wege für Flüchtende zu gewährleisten. Geber sollten flexible Finanzmittel aufstocken.
Auch der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) hat die Gewalt in der sudanesischen Stadt Al-Faschir als „unbeschreiblich“ bezeichnet und die Angriffe der Rapid Support Forces (RSF) auf Zivilisten scharf verurteilt. Die Miliz führe einen „nicht zu rechtfertigenden“ Angriff auf Familien, die versuchen zu fliehen, hieß es in einer Erklärung der Hilfsorganisation.
Zivilisten würden unter Beschuss genommen, Krankenhäuser seien getroffen worden, und auch humanitäre Helfer sowie lokale Freiwillige gerieten ins Visier. Flüchtende berichteten demnach von Erpressung, Schikanen und Angst an bewaffneten Kontrollpunkten.
„Niemand ist verschont geblieben“, erklärte der NRC. Viele sudanesische Mitarbeiter trauerten um getötete Angehörige. „Dieses Blutvergießen muss enden.“
IKRK-Chefin verurteilt Kriegsverbrechen in Sudan
Die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric, hat auf X (Twitter) die schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Sudan scharf verurteilt. Zivilisten seien brutalen Angriffen, sexueller Gewalt und der gezielten Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur ausgesetzt. Krankenhäuser, einst Orte der Heilung, hätten sich in Stätten des Todes verwandelt.
„Kein Patient darf in einem Krankenhaus getötet und kein Zivilist erschossen werden, während er versucht zu fliehen“, sagte sie. Die anhaltenden Übergriffe seien „nicht zu rechtfertigen“ und müssten umgehend beendet werden.
Das IKRK habe wiederholt alle Konfliktparteien aufgefordert, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten – bisher ohne Erfolg. Erst in dieser Woche seien im Bundesstaat Nordkordofan fünf Mitglieder des Sudanesischen Roten Halbmonds getötet worden. „Die Welt darf nicht länger wegsehen, während Zivilisten unvorstellbare Grausamkeiten erleiden“, mahnte die IKRK-Chefin.
Sudan: Wirkungslose Appelle aus der Politik – Menschenrechtler kritisieren RSF-Unterstützer deutlich
Reaktionen westlicher Staaten und der internationalen Diplomatie bleiben bislang weitgehend wirkungslos. Zwar wurde auf einer Hilfskonferenz in Paris im Frühjahr 2024 finanzielle Unterstützung von rund zwei Milliarden Euro zugesagt, doch die Finanzierungslücke bleibt gravierend und behindert den humanitären Einsatz vor Ort.
Die Schweiz beispielsweise verstärkte jüngst ihre Nothilfe und entsandte zusätzliches Fachpersonal in die gefährdeten Regionen. Gleichzeitig bleibt die diplomatische Bemühung um eine politische Lösung, etwa durch vertrauliche Gespräche in Genf oder Berlin, weit hinter dem Ausmaß der Krise zurück.
Staatsministerin Serap Güler (CDU) im Auswärtigen Amt sagte im Interview mit den Sendern RTL und ntv, die EU und die Staatengemeinschaft müssten „diejenigen beim Friedensprozess unterstützen, die in der Region ein stärkeres Gewicht haben als wir“. Dies seien Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA.
Hingegen warf der Menschenrechtsermittler Nathaniel Raymond den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, mit Waffenlieferungen an die RSF-Miliz den Konflikt zu befeuern. Motive seien regionale Machterweiterung und Ressourcen wie Gold, sagte Raymond, Direktor des Humanitarian Research Lab an der US-amerikanischen Yale-Universität, im Interview des „Spiegel“ am Freitag.

Foto: UNICEF/Jamal
Grauenhafte Nachrichten aus El Faschir
Die RSF hatten El Fasher als letzte Hochburg der Regierungstruppen in Nord-Darfur am 26. Oktober eingenommen.
Laut Raymond deuten Satellitenbilder darauf hin, dass sich in der Stadt augenblicklich Massaker ereignen. Auf den Aufnahmen seien Leichenberge zu erkennen.
„Was wir aus dem Weltraum verfolgen können, deutet auf eine solche Intensität der Massenmorde hin, dass wir hier in ein oder zwei Wochen mehr Leichen sehen könnten als in zwei Jahren Krieg in Gaza“, sagte Raymond.
Um das Morden der RSF aufzuhalten, müsse man Wirtschaftssanktionen gegen die Vereinigten Arabischen Emirate verhängen.
Nach Angaben von Hilfsorganisationen wurden allein in einer Geburtsklinik mehr als 460 Menschen ermordet, insgesamt sind mindestens 1.500 Tote binnen weniger Tage zu beklagen.
Die RSF-Miliz setzte die Einnahme von Al-Faschir mit brutaler Gewalt und menschenverachtenden Gräueltaten durch, die sich gegen die lokale Bevölkerung, medizinische Einrichtungen und humanitäre Helfer richten.
Vereinte Nationen warnen, greifen aber nicht direkt ein
Internationale Stimmen zeigen sich tief besorgt: Die Vereinten Nationen warnen eindringlich vor der fortschreitenden humanitären Katastrophe und betonen, dass mittlerweile über 30 Millionen Menschen im Land auf Unterstützung angewiesen sind. Über zehn Millionen wurden vertrieben, vier Millionen flohen in Nachbarländer wie Ägypten, Tschad und Südsudan.
UNICEF wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das Welternährungsprogramm WFP und die Internationale Organisation für Migration (IOM) fordern unisono einen sofortigen Waffenstillstand und humanitären Zugang zu allen betroffenen Regionen.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bestätigt, dass in weiten Teilen des Landes kaum noch funktionierende Gesundheitseinrichtungen existieren und Millionen Menschen keinen Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung erhalten.

Das von den USA veranstaltete Treffen der „Quad“-Gruppe – darunter Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – konnte keine Einigung über eine vorgeschlagene dreimonatige Waffenruhe im Stellvertreterkrieg im Sudan erzielen. (Foto: X / @US_SrAdvisorAF)
Derzeit keine realistischen Aussichten für ein Ende
Amnesty International kritisiert das „völlig unzureichende“ Engagement der internationalen Gemeinschaft scharf und wirft der Afrikanischen Union wie dem UN-Sicherheitsrat vor, das Thema lange nicht prioritär behandelt zu haben.
Erst vor wenigen Monaten verabschiedete der Sicherheitsrat eine Resolution, in der ein sofortiger Zugang für humanitäre Hilfe und die Einstellung der Gewalt gefordert werden, doch die Kämpfe gehen unvermindert weiter, während Zivilisten weiterhin fliehen oder getötet werden.
Aktuell gibt es keine realistische Aussicht auf eine Waffenruhe, da beide Kriegsparteien — die regierungsnahe Armee unter Abdel Fattah Burhan und die RSF-Miliz von Mohamed Hamdan Daglo — ihren jeweiligen Endsieg zum Ziel erklären und internationale Vermittlungsversuche ignorieren.
Die Rolle regionaler Akteure, insbesondere der Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten, bleibt umstritten. Waffenlieferungen und geopolitische Interessen verhindern konkrete Friedensfortschritte und vertiefen die Krise.
Unterdessen vermittelt die sudanesische Zivilgesellschaft weiterhin Hoffnung auf demokratische Strukturen, trotz massiver Vertreibungen und internationaler Gleichgültigkeit.
Lokale Netzwerke von Ärzten, Journalisten und Aktivisten dokumentieren das Leid und drängen auf eine stärkere internationale Aufmerksamkeit.
Hilfsorganisationen wie CARE und Ärzte ohne Grenzen mahnen zudem an, dass die Medienpräsenz des Konflikts in Sudan—trotz seiner globalen Dimension—bedenklich gering ist und der Krieg Gefahr läuft, als „vergessene Krise“ stillschweigend andauern zu können.
In Sudan – wie in anderen afrikanischen Kriegen – kommen auch ausländische Söldner zum Einsatz. Kolumbiens Präsident hat den Krieg im Sudan als Völkermord bezeichnet und den Einsatz kolumbianischer Söldner in dem Konflikt scharf kritisiert.
„Unsere ehemaligen Soldaten werden als Söldner nach Sudan und in die Ukraine geschickt – im Auftrag von Mafia-Netzwerken, die von Dubai, Rom und Miami aus operieren“, sagte er am 2. November.
Die Regierung werde „nicht tatenlos zusehen“, wie Kolumbianer in „die Vernichtung eines Volkes“ verwickelt würden. Der Präsident kündigte an, juristisch gegen die Verantwortlichen vorzugehen und das kriminelle Netzwerk zur Rechenschaft zu ziehen.