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Bayern: Verfassungsgericht weist AfD-Klage gegen Unterricht ab

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München (KNA) Der bayerische Verfassungsgerichtshof hat einen Eilantrag der AfD gegen die Einführung von „Islamischem Unterricht“ an den Schulen des Freistaats abgewiesen.

Das vom Landtag vor der Sommerpause beschlossene Wahlpflichtfach kann demnach zum neuen Schuljahr eingerichtet werden. Wie das Gericht am 27. August in München mitteilte, wurde die von der AfD und einer weiteren Person beantragte vorläufige Außervollzugsetzung abgewiesen.

Im Fall des AfD-Eilantrags machten die Richter auf grundsätzliche Mängel aufmerksam. Die Abgeordneten in der Partei hätten während den Gesetzesberatungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel erhoben, sondern lediglich „unspezifische rechtliche Bedenken geltend gemacht sowie politische Vorbehalte gegen den Islamischen Unterricht vorgetragen“. Auch mit Blick auf eine von dem zweiten Antragsteller angekündigte Popularklage äußerte das Gericht „erhebliche Zweifel“ an deren Zulässigkeit.

Der als Wahlpflichtfach nicht nur für muslimische Schüler ausgestaltete Islamische Unterricht „dürfte verfassungsrechtlich grundsätzlich als zulässig anzusehen sein“, heißt es in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs.

Die Richter konnten demnach weder eine Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebots und des Gleichheitsgrundsatzes noch eine Beeinträchtigung individueller Freiheitsrechte von Schülern und deren Eltern erkennen. 

Den „Islamischen Unterricht“ gibt es in Bayern seit dem Schuljahr 2009/10. An dem Modellversuch waren 350 Schulen beteiligt. Etwa 16.500 Schüler nahmen teil. Gegenwärtig stehen bayernweit rund 100 entsprechend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung. Ab September kann das neue Wahlpflichtfach alternativ zum Ethikunterricht an rund fünf Prozent aller Schulen bis zur 10. Klasse angeboten werden.

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Jenseits von Kindern und Küche – zur dynamischen Rolle der muslimischen Frau

Wissen über die umfangreiche Rolle von Frauen in der Geschichte verschiedener muslimischer Gesellschaften ist heute – wenn überhaupt – nur bruchstückhaft vorhanden. Jahrhunderte des Niedergangs, von Kolonialismus und Modernismus haben die Funktion und Rolle von Frauen innerhalb des Islam teils bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. In dieser Hinsicht sind jene Biographien und Verzeichnisse hilfreich, die diese Musliminnen erwähnen, die heute im Gedächtnis auch der Muslime in Vergessenheit geraten sind.

Der folgende Text ist die Einleitung der bekannten Gelehrten und Übersetzerin Aisha Bewley. Zu ihrem wegweisenden Buch „Muslim Women. A Biographical Dictionary“, einem kurzem alphabetischen Glossarium, in dem wichtige Frauengestalten des Islam enthalten sind. Dazu zählen die Ehefrauen des Propheten, Gefährtinnen aus seiner Zeit, Überlieferinnen prophetischer Aussagen, gelehrte Frauen, weibliche Sufis, Stifterinnen, Herrscherinnen und andere bedeutende Frauen.

(iz). Dieses Buch entstand ursprünglich als Antwort auf wiederholte Anfragen nach einer Bereitstellung von Quellen über weibliche Gelehrte. Als ich meine biografischen Referenzen durchging, war ich überrascht von der Menge der Bezüge auf Frauen und der großen Anzahl von Frauen, die in allen Lebensbereichen vertreten waren – von Frauen des Wissens bis zu Herrscherinnen, entweder Regentinnen bis hin zu Frauen, die anderweitig politischen Einfluss ausübten. Dies brachte mich zur Entscheidung, die verfügbaren biografischen Referenzen auf Frauen zusammenzustellen. Angesichts der heutigen Sichtweisen von Frauen im Islam zeichnet das Buch ein überraschendes Bild, wie aktiv Frauen von Anbeginn des Islam bis heute waren.

Das Buch beinhaltet die Periode von der Zeit des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, vom 1./7. Jahrhundert bis ungefähr zur Mitte des 13./19. Jahrhunderts, auch wenn einige Einträge jüngeren Datums sind. Es gibt ein großes Studienfeld, welches es noch zu erforschen gilt, wie sehr der augenblickliche Status der Frauen unter Muslimen den westlichen Einstellungen gegenüber der Weiblichkeit geschuldet ist, und insbesondere gegenüber muslimischen Frauen. Muslime haben diese unwissentlich assimiliert bis hin zu einer Übernahme westlicher Vorstellungen davon, wie Muslime Frauen sehen.

Menschen aus dem Westen begannen – mit Ausnahme früherer Reiseberichte – erst mit Beginn der Kolonialperiode ernsthaft über den Islam zu schreiben. Dies war eine Zeit, in der die westliche Haltung gegenüber Frauen davon geprägt wurde, dass diese das „schwächere Geschlecht“ seien. So erfahren wir, dass französische Kolonialbehörden es Musliminnen verboten haben, in Moscheen zu unterrichten und sich dagegen aussprachen, dass Frauen einflussreiche Positionen einnahmen – ich selbst habe mit älteren Frauen gesprochen, die sich noch an solche Vorgänge erinnern konnten. Daher ist die Linse, durch die der Westen muslimische Frauen sieht, eine verzerrte. Sobald diese den Muslimen aufgezwungen beziehungsweise ihnen eingepflanzt wurde, wurde diese Meinung in steigendem Maße zur festen Norm.

Wie wir aus einem Blick auf die Einträge erkennen können, blieb die Rolle von Musliminnen in den letzten 14 Jahrhunderten auf keinem Fall auf Heim und Familie beschränkt. Sie haben viele verschiedene Rollen gleichzeitig ausgefüllt, alle miteinander verbunden, anstatt nur eine beschränkte Auswahl aus getrennten Kategorien zu haben. Eine Geschäftsfrau bleibt trotzdem eine Mutter und eine Gelehrte eine Ehefrau. Frauen lernen leichter, mit verschiedenen Dingen gleichzeitig umzugehen.

Es gibt verschiedene, überragende Kategorien, die in diesem Lexikon behandelt werden. Eine davon besteht aus den weiblichen Gefährtinnen des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Die zweite wichtige umfasst die weiblichen Gelehrten, insbesondere Überlieferinnen von prophetischen Aussagen (Ahadith). Dabei sollte ich anmerken, dass es hier mehr als 800 weibliche Hadithgelehrte und Überlieferinnen gibt, die ich nicht mit aufgenommen habe. Dann kommen Herrscherinnen und Frauen mit politischem Einfluss und schließlich Frauen im Sufismus.

Es gab auch auf anderen Feldern aktive Frauen, aber es ist offenkundig, dass in diesem Bereich weniger Aufzeichnungen vorliegen. Es gab Frauen wie Busra bint Ghazwan, eine Geschäftsfrau, die Abu Huraira einstellte und ihn später heiratete. Wie haben nicht alle Aufzeichnungen von unabhängigen Unternehmerinnern, aber einige wie die von Khadidscha, der Ehefrau des Propheten, und von Busra und Qaila, sodass es von Anfang an deutliche Nachweise über die weiblichen Aktivitäten auf diesem Gebiet gibt. Mit einbezogen sind auch weibliche Förderinnen, die Moscheen, Madrassen und Auqaf gründeten. Auch hier musste eine große Menge ausgelassen werden. Es gibt eine zu große Tendenz unter vielen Muslimen, die weibliche Rolle auf die von Müttern und Hausfrauen zu beschränken. Aber wie wir aus den historischen Aufzeichnungen erkennen können, ist dies eine eher moderne Übereinkunft.

Tatsächlich zählt – zumindest im malikitischen Recht – die Hausarbeit nicht zu den Pflichten einer Ehefrau, solange dies nicht ausdrücklich im Ehevertrag festgelegt wird. Ein Ehemann sollte dafür dankbar sein, dass Frauen die Hausarbeit verrichten, denn diese entspricht einem Geschenk ihrerseits. Dies soll nicht heißen, dass es nicht auch Frauen gegeben hat, die nur Hausfrauen waren, aber bis zur Ankunft der Moderne gab es unter Musliminnen eine größere Vielfalt als in anderen Kulturen. Dies wird durch die Tatsache bekräftigt, dass die Frau im Islam als eine eigenständige spirituelle und rechtliche Einheit betrachtet wird. Eine Frau kontrolliert ihren eigenen Besitz und sie muss diesen nicht automatisch mit ihrem Gatten teilen.

Das Problem des zeitgenössischen Stereotyps besteht darin, dass es eine scheinbar notwendige Entscheidung erzwingt: Entweder Mutter/Hausfrau zu sein oder Karriere zu machen. Beides zu tun, war immer eine Möglichkeit, insbesondere dann, wenn es erweiterte Großfamilien gab. Diese stehen im deutlichen Gegensatz zur Kleinfamilie beziehungsweise zu den Alleinerziehenden, die durch ihre eigene Situation beschränkt und versklavt bleiben. Offenkundig hat der Islam den Frauen die Erweiterung ihrer Reichweite über ihre eigenen Bedürfnisse, Aspirationen und Fähigkeiten hinaus ermöglicht.

Die Bildung von Frauen ist entscheidend für das Wohlergehen der Gesellschaft. Wir kennen die oft bemühte Aussage: „Al-Umm Madrassa (Die Mutter ist eine Schule)“ Wenn es der Mutter an Wissen fehlt, wie wird dann diese Schule aussehen? Was werden die Kinder lernen? Die Bedeutung der Frauenbildung ist augenscheinlich. Männer und Frauen sind sich eine gegenseitige Hilfe und Unterstützung. Sie sollten sich achten und inspirieren. Es gab in der menschlichen Situation immer die Möglichkeit eines wirklich gemeinschaftlichen Paares – im Gegensatz zum täglichen Drama von Krieg und Frieden. Wir sehen dies beispielsweise an der Beziehung von Fatima von Nischapur zu Dhu’n-Nun Al-Misri und Jazid Al-Bistami. Wir erkennen in der gesamten muslimischen Geschichte, dass Frauen von Männern und dass Männer von Frauen lernten.

Auf die Vergangenheit blickend wird klar, dass wir unsere allgemeine Sicht auf Frauen – und auf die muslimische Frau insbesondere – neu bewerten müssen. Tatsächlich hat der Islam immer eine unglaublich flexible Umgebung geschaffen, in der Frauen erblühen und ihre höchsten Möglichkeiten erzielen konnten. Dies ist sicherlich einer der Bereiche, den westliche Orientalisten entweder ignoriert oder vermieden haben und der eine dringliche Neubewertung braucht. Denn viele Muslime haben die westliche Einschätzung der Rolle von Musliminnen geschluckt und diese dann verteidigt und fortgeführt.

Das negative Vorurteil über die Rolle muslimischer Frauen, welches oft durch Medien verbreitet wird, leitet sich aus der Unwissenheit des Rangs von Frauen im Islam ab und ist von einem kulturellen Imperialismus eingefärbt: Wie kann beispielsweise ein Rechtssystem, dass die Glaubens- und Religionsfreiheit verteidigen will und gleichzeitig das Tragen eines Kopftuches als einen Ausdruck dieser Freiheit untersagt, als aufgeklärt und gerecht gelten?

Zur Zeit des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, waren Frauen in allen Lebensbereichen sehr aktiv und er hat nichts unternommen, sie davon abzuhalten. Es ist diese Qualität des Islam, die das Leben der meisten in diesem Buch beschriebenen Frauen prägte und zwar auf eine Art und Weise, die weit über die sprachliche Beschreibung hinausgeht. Und es ist diese Qualität des Islam, die durch die bestehende direkte Übermittlung prophetischer Weisheit aufrechterhalten wurde, die aufrichtige Muslime heute in ihrer eigenen Lebenszeit etablieren und erfahrbar machen wollen.

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Nur mit Spenden finanziert

(iz). 2012 rief man an der Universität Osnabrück den Studiengang „Islamische Theologie“ ins Leben, was zu einer enormen Ballung von jungen, bewussten und engagierten Musliminnen und Muslimen führte. Bislang fehlte ein zentraler Ort, an welchem es Studenten der Theologie und interessierten Muslimen möglich gewesen wäre, außerhalb der Universitätsgebäude ihre Gebete zu verrichten.
Weiterhin mangelte es an einer Räumlichkeit, in der außeruniversitäre Hilfestellungen im Studium, Intensivierung und Bildungsangebote bereitgestellt werden. Doch neben der Wissensaneignung und dem Gebet ist auch die Stärkung der Gemeinschaft der Studierenden substanziell. Mit viel Engagement gelang es schließlich einigen Studierenden das Projekt „LernCafé e.V.“ auf die Beine zu stellen.
Das Lerncafé in Osnabrück ist ein besonderer Ort. Vorsitzender ist der deutsche Muslim Matthias Schmidt. Er studiert Islamische Theologie am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Mit Kommilitonen, die alle einen unterschiedlichen Hintergrund haben – darunter auch Mitglieder muslimischer Religionsgemeinschaften wie IGMG und DITIB, hat er die Studenteninitiative Lerncafe gegründet. Die Räumlichkeiten befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Universität, sodass die Studenten dort ihr Gebet verrichten können. Dort finden allerdings auch regelmäßige Vortragsveranstaltungen statt. Dieses Semester hielten etwa Dr. Martin Mahmud Kellner und Dr. Hakki Arslan vom IIT, sowie Schaikh Naeem Abdul Wali aus den USA, ʿAbd al-Hafiz Wentzel und Muhammed F. Bayraktar Vorträge und Seminare.
Neben regelmäßigen Seminaren und Vorträgen fungiert das Lerncafe aber auch als offener Treffpunkt für Jugendliche. Bei Kaffee und Tee gibt es die Möglichkeit für einen offenen Austausch und viele Studenten nutzen die Räumlichkeiten auch für das gemeinsame Lernen. Unterschiedliche Themen werden in regelmäßigen Unterrichtsstunden behandelt, darunter Fiqh al ibadat, Lesezirkel zu klassischer Literatur und wöchentliche Mawlid-Sitzungen. Für die Zukunft ist auch ein Debattierklub sowie eine Mutter-Kind-Gruppe geplant.
Wie so oft bei ähnlichen Projekten, finanziert sich das Lerncafe durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Schura und DITIB bieten hier bereits Unterstützung in allen Belangen an.
Die Organisatoren bemühen sich derzeit um Gemeinnützigkeit, damit sie sich langfristig bei Trägern für Projekte bewerben können. Um aber langfristig diese wichtige Arbeit fortführen zu können und die Arbeit noch weiter auszubauen, sind die Macher vom Lerncafe auf Hilfe angewiesen. Die momentanen Räumlichkeiten reichen bei Weitem nicht aus. Um größere mieten zu können und darin auch eine Bibliothek zu schaffen, kann jeder mit einer Fördermitgliedschaft, einem Dauerauftrag oder einer einmaligen Spende die Arbeit unterstützen. Jede Hilfe ist willkommen.
Kontaktdaten: LernCafé e.V., Johannisstraße 74, 49074 Osnabrück, osna.lerncafe@gmail.com
Kontodaten: IBAN: DE26 2665 0105 1551 6189 01, BIC: NOLADE22XXX

Die Ilmihal-Werk sind ein Hilfsmittel für Nichtgelehrte, grundlegendes Wissen zu erlangen. Von Abdullah Cakir

„Die hohe Stellung des Gelehrten gegenüber einem Nichtgelehrten ist wie die Überlegenheit des Propheten gegenüber seiner Prophetengemeinde.“ (Hatib)

(iz). Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie systematisch aufeinander aufbauend strukturiert ist. Ein Beispiel sei angeführt: In der Grundschule erlernen wir die Elementarmathematik. In der Sekundarstufe 1 folgen darauf aufbauend Algebra, Trigonometrie und Arithmetik. In Sekundarstufe 2 Differential- und Integralmathematik, lineare Algebra und Komplexe Zahlen usw. Und für ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium ist die Höhere Mathematik unumgänglich.

Wenn Lücken in den vorherigen Bereichen vorhanden sind, wird es keinen Fortschritt in den höheren Bereichen geben, weil Abhängigkeiten vorliegen. So ähnlich ist es auch in den islamischen Wissenschaften. Es ist oft zu beobachten, dass Muslime ihre Kenntnisse in der Religion punktuell und unsystematisch erwerben und unachtsam bezüglich der Informationsquellen sind.

Ilm-i hal bedeutet wortwörtlich „Wissen vom Zustand“ und gemeint ist „Wissen für das tägliche, religiöse Leben“. Die Ilmihal sind Werke, in denen umfassende Grundlagen für Glaubenslehren (‘Aqaid), Rechtsnormen (Fiqh) für rituelles Gebet, Fasten, Pilgern und Zakat sowie soziale Themen wie Nachbarschaft, Familienumgang, und Verwandschaftspflege behandelt werden. Schließlich werden moralische Normen und Prinzipien (Akhlaq) dargestellt. Drei Bereiche decken diese wertvollen Handbücher ab. Es sind die Grundlagen von Kalam, Fiqh und Tasawwuf.

Diese Gebiete stellen das Fundament, auf denen das islamische Leben steht. Sie stärken den Iman (aus ‘Aqaid-Werken), entfalten den ‘Amal (das islamische Handeln, aus Fiqh-Werken) und stärken die reine Absicht, den Ikhlas aus dem Tasawwuf und den Akhlaq-Werken. Diese drei Grundfundamente sind komplementär und einander ergänzend. Gibt es hier Lücken, Risse oder fehlen gar große Teile, ist ein Weiterentwickeln ausgeschlossen. Kein Bau ist stabil, wenn das Fundament brüchig oder nur in Teilen vorhanden ist.

Notwendiges Wissen für jeden Muslim
Da der Erwerb von Wissen für Muslime fard (religiös verpflichtend) ist, haben die islamischen Gelehrten erläutert, welches Wissen in welchem Umfang fard ‘ain, also für jeden Pflicht ist, und welches Kollektivpflicht (fard kifaja)darstellt, somit also für die Gemeinschaft als Pflicht entfällt, wenn ein Teil der Gemeinschaft dieses Wissen erwirbt.

Die Ilmihal, oder Risala genannten Handbücher umfassen das notwendige Wissen, dessen Erwerb fard ist für jeden Muslim. Wer seinem Erwerb nicht oder nur teilweise nachgeht, und sich stattdessen isolierten Wissenschaften zuwendet, dem wird Allah ta’ala keinen Erfolg geben und er wird keinen Nutzen davon haben. Das ist wie der Versuch, höhere Mathematik betreiben zu wollen, ohne die Grundpfeiler der Mathematik verinnerlicht zu haben. Zweifellos wird es nicht funktionieren. Oder es ist wie, wenn man Zakat nicht gibt, aber stattdessen Geschenke verteilt.

Der grosse islamische Gelehrte Imam Rabbani Ahmad Faruk Sirhindi schreibt in seinem „Maktubat“ zum Thema: „Verglichen zur ‘Ibada (religiöse Taten), die fard sind, haben die nafila ‘Ibadat (nicht verpflichtende, aber verdienstvolle religiöse Taten) keinen Wert. Es ist nicht mal ein Tropfen verglichen zu einem Meer. Der verfluchte Schaitan täuscht die Muslime, indem er die fard als unbedeutend zeigt und stattdessen die Nafila fördert (und so fard verhindert). Obwohl (zum Beispiel) ein Goldstück Zakat einem Armen geben verdienstvoller ist als das Verteilen von Hunderttausend Goldstücken, die Sadaqa (Sadaqa gehört zu den nafila ‘Ibadat) sind.“ (Band 1, Brief 29; Band 3, Brief 17)

Arten und Weisen des Lernens
Gewöhnlich lernt man religiöses Wissen von Angesicht zu Angesicht. Der Gelehrte unterrichtet die Schüler in Madrassen (religiöse Hochschulen), oder im Privatunterricht. In der Moschee, aber auch vor allem an Wintertagen, haben die Muslime sich in Wohnungen versammelt und einem Gelehrten oder einem gebildeten Muslim durch Zuhören als auch mit Unterstützung von islamischen Werken durch Vorlesen umfassendes Grundwissen erworben. Die Treffpunkte der Sufis (Zawiya, Tekke, Dergach) waren ebenfalls Orte der Bildung.

Seit dem Kolonialismus und den darauffolgenden Zeiten durch umwälzende Veränderungen in der muslimischen Welt sind vielerorts diese Strukturen und Netzwerke islamischer Bildung zum Erliegen gekommen. Viele Bildungseinrichtungen machen hohe Versprechungen, aber verglichen zu der traditionellen umfassenden Bildung früherer Zeiten sind sie meist ungenügend.

Es gibt einen zweiten Weg, sich systematisch und umfassend Grundwissen über den Islam anzueignen. Gelehrte haben Werke verfasst, in denen die obigen drei Hauptgebiete für jeden Muslim und jede Muslimin didaktisch mit vielen Erläuterungen in einfacher Sprache für das Volk geschrieben haben. Diese Bücher sind die Werke des Ilm-i hal.

In Nordafrika, wo die malikitische Rechtsschule (Madhhab) verbreitet ist, war die „Risala“ von Imam Abi Zaid Al-Qairawani ein beliebtes und verbreitetes Handbuch. Es gibt auch eine französische Übersetzung. Die Schafi’iten haben insbesondere Werke des Imam Ghazali, allen voran das „Ihja ‘Ulum ad-Din, Bidaja ut-Hidaja“ (in Deutsch vorhanden), „Ajjuhal’walad“, „Kimja-i Seadat“ gelesen. Ferner Imam Nawawis „Umdat As-Salik“ (ins Englisch von Nuh Ha Mim Keller übertragen). Von den Hanbaliten sei das „Gunjatut Talibin“ von Sajjid Abdulqadir Gailani genannt. Die Türken haben Jahrhunderte lang das „Mizrakli Ilmihal“ genannte „Miftah un Dschannah“ gelesen (ein auch ins neue Türkisch übertragene und ins Englische übersetzte Werk). Des Weiteren das „Hudschetut Islam“ genannte Werk von Suleiman bin Dscheza (auf Deutsch vorhanden).

Unter den Ilmihals kann man grob zwei Arten trennen. Die einen sind in sehr einfacher Sprache geschrieben und umfassenden das Allernotwendigste. Sie sind für jedermann geeignet – besonders für Jugendliche. Ferner gibt es Ilmihals, die viel umfassender sind und sowohl für Jugendliche als auch für Gebildete geeignet sind. Des Weiteren gibt es jene Ilmihals, die eher als Nachschlagwerke zu benutzen sind, da auf Erläuterungen und Geschichten zum Thema verzichtet wird. Imam Al-Ghazali pflegte, nachdem ein Thema behandelt wurde, mit Geschichten und Zitaten didaktisch Hilfe­stellungen zu geben, um besser den Inhalt einzuprägen. (auf der Webseite www.ghazali.org sind einige Werke des Imams abrufbar)

Umfassende Ilmihals sind auch das „Nimet-i Islam“ von Muhammad Zihni Efendi. Die Hanafiten auf dem indischen Subkontinent studierten oft das „Rijad An-Nasihin“ von Muhammad Rebhami. Es gibt sicherlich noch weitere Ilmihals, die hier nicht genannt sind. Alle kann man nicht anführen.

Es ist notwendig, in solchen Werken täglich studierend, Stück für Stück lernend und praktizierend, die Grundlagen des islamischen Lebens aufzubauen. Das ist einer der sichersten und stabilsten Wege, den Islam authentisch zu lernen. Der Grund liegt in Folgendem: Es ist meist fatal, wenn nicht von den Gelehrten gelernt wird beziehungsweise aus deren Werken, sondern anderswo. Nicht umsonst gehen so viele Jugendliche Muslime in die Irre, indem sie Sekten verfallen. Es gibt auch viele, die den Islam falsch kennenlernen und sogar ihre Religion verlieren.

Der Konsens hunderter Millionen und Abermillionen Muslime und hunderttausender Gelehrter all die Jahrhunderte hindurch, dass diese oben genannten und ähnliche Werke Grundwerke sind, woraus die Muslime ihre Grundlagen lernten, ist unumstößlich. Ein edler Hadith besagt, dass die Umma, die muslimische Gemeinschaft, sich nicht im Irrweg einigen wird. Wenn die Muslime heute die allgemein anerkannten Werke der muslimischen Gelehrten studieren, werden sie ein Maß bekommen, womit sie die heutigen „messen“ können. Sonst sind sie „blind“. Heutzutage kann und darf ein jeder irgendetwas als „Islam“ darstellen und publizieren. Früher waren die Muslime sehr bedacht. So durften bis 1908 im Osmanischen Reich Bücher über den Islam nicht blindlings publiziert werden, sondern mussten zuvor von einem Gelehrtenteam begutachtet werden.

Fundiertes umfassendes Grundwissen im Islam kann man gewöhnlich nicht in befriedigender Art punktuell und unsystematisch lernen. Ein Gebäude wird auf solidem Fundament errichtet. Hat das Fundament Lücken, Löcher und Risse, so hält es weder Wände noch Decke. Daher ist es nicht nur wichtig, woher man sein Wissen nimmt, sondern auch die Art und Weise des Lernens. Diese Ilmihals sind systematisch aufeinander aufbauend zu lesen und zu studieren. In kleinen Gruppen regelmäßig gemeinsam aus Ilmihal Stück für Stück lesen, lernen und umsetzen hat viele Vorteile. Sich gegenseitig unterstützen und motivieren bringt Erleichterungen.

Innere Dimensionen
Das Thema hat auch eine innere Dimension. Das Lehren religiöser Inhalte, als auch das Erlernen, sind Teil der Religion selbst. Und damit das Erfolg (Taufiq) hat, muss das Lehren sowie das Lernen mit reiner Absicht und Aufrichtigkeit (Ikhlas) stattfinden. Scheich Sadi erzählt in seinem Buch „Gulistan“, dass ein Imam Predigten hielt, aber keine oder kaum Zuhörer fand. Ein anderer Imam erzählte inhaltlich dieselben Themen, aber die Menschen, die ihm zuhörten, bereuten ihre Fehltaten und wurden fromme Menschen. Die Lösung des Rätsels ist, dass Allah ta’alas Zufriedenheit maßgeblich ist. Das Schreiben, Übersetzen, Veröffentlichen und das Lehren müssen für Allah sein. Schleichen sich weltliche Interessen ein, wird die Wirkung teilweise oder ganz verhindert.

Von daher gibt es Werke, die keine oder kaum Wirkungen haben, weil weltliche Interessen sich eingeschlichen haben. Der bedeutende Gelehrte Sajjid Abdulhakim Arwasi sagte über das Buch „Miftah un-Dschannah“: „Der Autor war ein Muslim, der salih (rechtschaffen) war. Man kann von seinem Werk Nutzen ziehen.“

Wie wichtig innere Dimensionen sind, sei mit einer Geschichte erläutert: Molla Dschami hatte sich nach seinem Studium islamischer Wissenschaften auf die Berge zurückgezogen und viele Jahre alleine gelebt. Er wollte, dass keines seiner Glieder sich in irgendwelche Sünden einmischt. Er vertiefte sich ins Studium islamischer Werke und Gebete. Und weil er sich innerlich reinigte und wieder ins Volk mischte und predigte, passierte etwas, was zuvor nicht geschah. Seine Worte hatten derart Wirkungen, dass Hunderttausende Menschen zum Islam kamen oder Tauba (Reue) beziehungsweise Umkehr übten. Dem Prophet Isa, Friede sei mit ihm, sagten einige Menschen: „Die Gebete, die Du vorträgst, haben wir auch vorgetragen, aber kein Toter ist auferstanden. Kein Blinder ist sehend geworden. Was ist der Grund?“ Er antwortete: „Die Gebete waren die selben aber nicht der Mund.“ Es ist vergleichbar mit Rohren, aus denen Wasser strömt. Sauberes Wasser kommt aus sauberen Leitungen. Es ist nicht unbedeutend, welche Motive und welche Zustände jemand hat, wenn er oder sie etwas über den Islam sagt, schreibt oder veröffentlicht. Nicht nur der Inhalt muss richtig sein, sondern auch die Art und Weise, wie das Wissen zum Menschen kommt.

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Debatte zum islamischen Religionsunterricht: Replik auf Abdel-Hakim Ourghi

(iz) Am vergangenen Donnerstag erschien in der FAZ auf der Seite „Bildungswelten“ ein Artikel des aus Algerien stammenden promovierten Islamwissenschaftlers Abdel-Hakim Ourghi. Bereits der Titel „Der Islamunterricht ist eine sunnitische […]

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IZ-Gespräch mit Dr. Cornelia Schu von der Stiftung Mercator über die Aktivitäten der Körperschaft in Sachen Islam

(iz). Dr. Cornelia Schu ist seit 2010 bei der Stiftung Mercator tätig und leitet den Themenschwerpunkt Integration der Stiftung. Zuvor war sie sieben Jahre in verschiedenen Positionen in der Geschäftsstelle […]

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Mit der Islamischen Akademie wollen junge Muslime „islamisches Wissen aufbauen und erneuern“

„Wir leben im digitalen Informationszeitalter! Fakt ist jedoch, dass mit mehr Information nicht mehr Erkenntnis an die Menschen gelangt. Durch diese Informationsüberflutung entsteht nur ein ‘Chaos der Gedanken’. Genau an diesem Punkt setzen wir an!“ (Islamische Akademie Deutschland e.V.)

(iz). Wir leben in Zeiten einer Kakophonie von Meinungen und umfundierten Ansichten. Das betrifft die Gesamtgesellschaft, aber auch die vielfältige muslimische Gemeinschaft. Für sie allerdings hat das noch negativere Auswirkungen, kann ­Allah doch ausschließlich durch Wissen korrekt angebetet werden. Egal ob jemand sich dem so genannten „Mainstream-Islam“ verbunden fühlt oder an einem der vielen Ränder der Community irrlichtet, immer häufiger wird es zur Gewohnheit, dass Aussagen über wichtige Aspekte unserer Religion und Lebensweise nicht auf fundiertem Wissen beruhen, sondern auf Meinungen. Man bekommt so das Gefühl, dass viele Muslime heute ihre eigenen Imame, Qadis und Schaikhs sind.

Es hat bisher nicht den Anschein, dass die entstehende „Islamische Theologie“ daran etwas wird ändern können oder wollen. Auch aus diesen Gründen ist es wichtig, dass sich die dynamische musli­mische geistige Elite – frei von ausländischer Beeinflussung – um die Bewahrung und Weitergabe des Mehrheits-Islam und seiner Wissenschaften bemüht. Eines dieser Projekte, dass seinem Eigenverständnis nach „eine wissenschaftliche Institution“ sein will, ist die Islamische Akademie Deutschland e.V. (IAD) Der eingetragene, gemeinnützige Verein hat seinen Sitz in Frankfurt. Die IAD versteht sich als „unabhängige Vereinigung von jungen Theologen und Religions- sowie Islamwissenschaftlern, die auf der Basis des sunnitischen Islam ihren Beitrag“ zum Aufbau der Islamwissenschaften in deutscher Sprache leisten will. Die IAD-BetreiberInnen verstehen sich als „idealistisches Team aus jungen Wissenschaftlern. (…) Wir sind ideologisch und organisch unabhängig von jeder Gruppe, aber erstreben dennoch eine Zusammenarbeit“. Angesichts des existierenden Eigenbrötlertums in der Community bleibt ehrlich zu hoffen, dass die jungen Akademiker mit ihrem Bestreben Erfolg haben. Immerhin, ihr Ziel ist kein geringeres als „die Wiederbelegung islamischer Wissenschaften in deutscher Sprache“.

Im Wesentlichen stehen „Forschung, Bildung und wissenschaftliche Begleitung der muslimischen Gemeinschaft“ im Zentrum der Absichten vom IAD und ihren GründerInnen. Aus diesem Grund sei die muslimische Jugend eine der „Zielgruppen der Akademie“. IAD-Mitglieder würden sich in der Jugendarbeit betätigen und „helfen Jugendlichen bei der Entde­ckung und Entfaltung der eigenen Fähig­keiten“. Im Hinblick auf junge Muslime gehe es dem Verein um „den Aufbau einer deutsch-muslimischen Identität“ sowie Prävention von „Kriminalität“ und „jeglicher Radikalität“.

Die Arbeit der Akademie behandelt im Kern das Wissen und seine verschiedenen Aspekte. Dazu gehört auch, so eine verfügbare Präsentation über die Vereinsarbeit, dass es heute durch verschiedene Dinge bedroht werde: Zerstückelung der Wahrheit, was zur Aufhebung der „geistigen Einheit“ führe, Zerstreuung des Wissens, was unter anderem zu Gruppenfanatismus führe, sowie die allgemeine Informationsüberflutung. Gleichzeitig ergäben sich aus der deutschen Situation „neue Herausforderungen“ für das islamische Wissen: Relativierung von Wahrheit, Adaption des Wissens sowie der Kontext des „Islam in Deutschland“.

In der Behandlung des Wissens identifiziert die Islamische Akademie Deutschland e.V. neun Schritte: Sammlung, Kategorisierung, Katalogisierung, Sichtung, Rezeption, Systematisierung, Aktualisierung und Erweiterung, Erstellung eines Kontextes sowie seine Vereinheitlichung und Harmonisierung. Wichtig ist der Akademie dabei einerseits die Rückbindung an die Methodenlehre der islamischen Wissenschaften, andererseits will sie aber auch zu einer „Erneuerung“ dieser Wissenschaft sowie zur „Entwicklung einer deutschsprachigen Islamterminologie“ beitragen. Die Islamdebatten der letzten beiden Jahrzehnte, insbesondere die Vereinnahmung von tradierten Begrifflichkeiten durch extreme Randgruppen, belegt gerade die Bedeutung dieses Anliegens.

Nach eigenen Angaben betreibt der Verein „Grundlagenforschung als Beitrag für den Aufbau der Islamwissenschaften in deutscher Sprache“. Außerdem wolle man als Brücken zwischen jener Wissenschaft und der Gesellschaft fungieren, wobei „gewonnene Erkenntnis und erar­beitetes Wissen (…) auch für die Allgemeinheit aufgearbeitet werden soll“.

„Hierbei dienen neben populärwissenschaftlichen Publikationen auch Veranstaltungen wie Vorträge, Lesezirkel etc. als ein wichtiges kommunikatives Medium. Die Vision der Akademie ist eine ‘Meta-Universität‘ zu werden, das heißt, zum Beispiel Wissen und Forschung für die Erwachsenenbildung auch außerhalb der Universität zugänglich zu machen. In diesem Rahmen wird auch die Webseite Islam-auf-deutsch.de betrieben, die ebenso aktiv in Sozialen Medien (Facebook, Twitter) ist.“

Webseiten:
islam-auf-deutsch.de
islam-akademie.de

„IZ-Begegnung“ mit dem Penzberger Imam Benjamin Idriz

„Das Studium der islamischen Theologie in Deutschland hat, meiner Meinung nach, vertikal angefangen, aber in die falsche Richtung, nämlich von oben her. Wie jede Ausbildung muss auch die islamische Theologie von unten nach oben studiert werden, analog zum Bau eines Hauses.“

(iz). Der Penzberger Imam Benjamin Idriz arbeitet seit Jahren an den Plänen für eine repräsentative Moschee in München. Er könne nicht noch zehn Jahre investieren, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „In einer absehbaren Frist“ müsse es Fortschritte geben. Dem scheidenden Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hält der Imam vor, das Projekt zwar unterstützt, aber nie zur Chefsache gemacht zu haben. Der Name des Projektes lautet „Münchener Forum für Islam“ (MFI).

Seit 2007 setzt sich Benjamin Idriz für eine Moschee in München ein. Dazu sollen ein Gemeindezentrum, eine Islam-Akademie mit Imam-Ausbildung, ein Museum und eine Bibliothek kommen. Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Standort. Ein zunächst ins Auge gefasstes städtisches Grundstück kommt inzwischen nicht mehr in Frage. Mit ihm sprach die Islamische Zeitung über das Projekt sowie über die Rolle, die es für den Islam in Deutschland insgesamt spielen könnte.

Islamische Zeitung: Was ist die Absicht Ihres Vorhabens?

Benjamin Idriz: Unsere Initiative will nicht einfach noch eine große Moschee bauen, sondern entscheidend dazu beitragen, dass für Muslime wie Nicht-Muslime sichtbar wird: Islam ist nichts Fremdes in Deutschland und nichts Anachronistisches im 21. Jahrhundert. Die Muslime, die in unserem Fall in München zuhause sind und bleiben, die sich sprachlich und kulturell nicht oder nicht mehr in erster Linie an anderen Ländern orientieren wollen und die sich vom Islam zur Kooperation mit der Gesellschaft, zu Pluralismus und Demokratie, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit inspirieren und verpflichten lassen, sollen eine repräsentative Adresse in der Stadt bekommen.

Wir haben das ursprünglich „Zentrum für Islam in Europa – München (ZIE-M)“ genannt, weil es um Islam im Hier und Jetzt geht. Die Bezeichnung ist aber von islamfeindlichen Extremisten propagandistisch instrumentalisiert wollen, die den Menschen einreden wollten, es ginge um ein „europäisches Islamzentrum“ in München. Nachdem Unterstützer, die das Projekt gern in München verwirklicht sehen wollen, dazu geraten haben, haben wir nach langen internen Entscheidungsprozessen kürzlich beschlossen, die Initiative umzubenennen. Sie heißt jetzt: „Münchner Forum für Islam“ (MFI).

Islamische Zeitung: Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ mahnten sie Fortschritte auf Seiten der politischen Entscheidungsträger an. Was muss Ihrer Ansicht nach Geschehen, damit es zu erkennbaren Fortschritten kommt?

Benjamin Idriz: Wir erfahren schon lange ein eindrucksvolles Maß an Unterstützung quer durch die demokratische Parteienlandschaft und von allen wichtigen Institutionen des öffentlichen Lebens, die großen Kirchen eingeschlossen. Dort ist bekannt, dass wir das, was wir in München verwirklichen wollen, seit vielen Jahren in Penzberg Tag für Tag umsetzen.

Vor mittlerweile vier Jahren haben alle Stadtratsfraktionen gemeinsam eine Beschlussvorlage für die Unterstützung des Projektes formuliert. Für alles Weitere ist aber eine tragfähige Finanzierung Voraussetzung – und darum bemühen wir uns weiterhin. Wir hoffen insbesondere, dass der neue Oberbürgermeister (OB Ude kann bei den bevorstehenden Kommunalwahlen nicht mehr antreten) das Projekt entschlossen unterstützt und wir in enger und guter Kooperation dann zügig vorankommen.

Islamische Zeitung: Welche Elemente sind in Ihrem Projekt vorgesehen? Wie soll es finanziert werden?

Benjamin Idriz: Natürlich ist eine zentral gelegene Gebetsstätte, eine schöne Moschee, Bestandteil des Projekts, die architektonisch in unsere Zeit passt und mit der Umgebung in Einklang steht; aber auch ein Gemeindezentrum, das den Austausch mit allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern der Stadt pflegt, eine Akademie für die Aus- und Weiterbildung von Religionspädagogen/innen, ein Museum, das die Verflechtungen der islamischen Kultur und Geschichte mit Europa, und auch ganz speziell mit München, thematisiert, eine öffentliche Bibliothek über den Islam und interreligiösen Dialog. Das alles macht natürlich nur dann Sinn, wenn es nicht am Stadtrand oder in Industriezonen stattfindet, sondern dort, wo städtisches Leben pulsiert.

Die Finanzierung soll möglichst breit aufgestellt sein, damit auch dadurch zum Ausdruck kommt, wie weit die Unterstützer der Idee reichen. Jeder ist eingeladen, auch nur symbolische Bausteinchen mit beizutragen! Wir freuen uns über Spender jedweder Herkunft, auch über die Unterstützung durch andere Religionen – wir erwarten nur, dass die Sponsoren das Konzept und die Idee des „Münchner Forum für Islam“ befürworten. Was auf jeden Fall ausgeschlossen sein wird, ist eine inhaltliche Einflussnahme durch Geldgeber auf unsere Arbeit, auf die Ausrichtung des MFI.

Das gilt natürlich auch für größere Sponsoren – denn realistischerweise wird es so sein, dass für ganz große Anteile – wir reden hier ja von zweistelligen Millionenbeträgen – nur wenige Spender in Frage kommen können. Das Emirat Qatar hat sich hier seit längerem sehr interessiert gezeigt, und eben erst hat der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude am Rande der so genannten Sicherheitskonferenz in München mit dem qatarischen Außenminister ein Gespräch dazu geführt. Die Signale sind jetzt recht ermutigend.

Islamische Zeitung: In der Vergangenheit mussten Sie Erfahrungen mit Attacken durch so genannte „Islamkritiker“ in München machen. Wie ist die Politik und die Öffentlichkeit mit diesen umgegangen?

Benjamin Idriz: Tatsächlich findet derzeit in München die größte Hetzkampagne gegen Angehörige einer bestimmten Religion statt, die es seit 1945 in Deutschland gegeben hat! Natürlich ist es einerseits so, dass etwas derartiges, wenn es sich gegen eine andere Religion richten würde, nicht im Ansatz geduldet werden würde. Viele Muslime – aber nicht nur Muslime! – sind entsetzt und verstehen nicht, wieso es erlaubt sein kann, dass sie und ihre Religion praktisch täglich per Megaphon in der Fußgängerzone und auf den Straßen und Plätzen der Stadt derart beschimpft werden.

Andererseits erleben wir aber auch, dass die Stadt das ihr Mögliche tut und im Rahmen der Gesetze das Treiben der Rechtspopulisten einschränkt. Es hat sich ein breites politisches und gesellschaftliches Bündnis gegen diese neuen Formen des Extremismus, des Rassismus und der Menschenverachtung gebildet – worin die vielleicht wichtigste Errungenschaft liegen dürfte, die vor dem Hintergrund unseres Projektes jetzt schon verwirklicht wurde. Der Bayerische Verfassungsschutz hat (nachdem dort jahrelang in eine ganz andere Richtung gesteuert worden war) jetzt erstmals die Kategorie „islamfeindlicher Extremismus“ eingeführt und bezeichnet den Landesverband der Mini-Partei „Die Freiheit“ und deren hyperaktive Führungsgestalt, einen gescheiterten Sportjournalisten, der von einer eigenen politischen Karriere träumt, damit ausdrücklich als verfassungsfeindlich. Zu befürchten ist, dass diese Figur bei den bevorstehenden Kommunalwahlen in den Münchner Stadtrat einziehen wird – so wie das bisher vorher schon einem NPD-Mann gelungen war.

Islamische Zeitung: Seit Monaten diskutiert die muslimische Gemeinschaft in Deutschland auch das Thema „Islamische Theologie“. Kann Ihr Projekt auch einen Beitrag zu dieser sich entwickelnden Wissenschaft leisten?

Benjamin Idriz: Die Islam-Akademie des MFI versteht sich als Plattform für den wissenschaftlichen Diskurs. Hier kann an der Entwicklung einer Islamischen Theologie in Deutschland mitgearbeitet werden. Eine theologische Aus- und Fortbildung bringt nicht nur eine Dynamik in die Entwicklung einer Theologie ein, sondern reagiert auch auf das religiöse Leben der Muslime, insbesondere auf das Verlangen der neuen Generationen, ihre Religion in den deutschen Kontext einzubinden, und auf das Bedürfnis der Mehrheitsgesellschaft nach Aufklärung durch kundige Muslime.

Mit den universitären Zentren für islamische Studien strebt MFI eine Kooperation an und will Studierenden die Möglichkeit bieten, in Form von Praktika Gemeindeerfahrung zu erwerben. Hier begegnen die Studierenden den Menschen mit ihren Fragen und Problemen, die eben im Mittelpunkt ihrer Ausbildung stehen müssen, denn nur an der Basis, an den Graswurzeln, wird der akademische Prozess seine Bodenhaftung finden. In Deutschland haben wir mittlerweile in 6 verschiedenen Universitäten theologische Zentren, was wir ausdrücklich begrüßen. Diese Zentren bilden keine Imame aus, auch wenn die Medien das gern so darstellen.

Das Studium der islamischen Theologie in Deutschland hat, meiner Meinung nach, vertikal angefangen, aber in die falsche Richtung, nämlich von oben her. Wie jede Ausbildung muss auch die islamische Theologie von unten nach oben studiert werden, analog zum Bau eines Hauses. Erst steht das Fundament, dann die Wände und dann kommt das Dach. Eine theologische Ausbildung, welche nur an der Uni stattfindet, ist genauso, als wenn jemand ein Haus bauen will und dabei nur an das Dach denkt! Einige, die dort studieren, die kein Fundament haben, lernen erst die arabischen Buchstaben, und das ist dann so, als wenn ein Student der Mathematik erst an der Uni die Zahlen und Nummern lernt.

In islamischen Ländern gibt es zuerst voruniversitäre, anerkannte Schulen mit Schwerpunkt Islamische Theologie, wie „Imam-Hatip Lisesi“ in der Türkei, „Ma’had al-ulum al-schar’iyyah“ in arabischen Länder oder hier in Europa „Medresa“ wie es in Bosnien, Kroatien, Kosovo oder Mazedonien der Fall ist. Nach deren Abschluss erweitern die Schüler ihre Kenntnis an den islamischen Fakultäten.

In Deutschland ist dies leider nicht so, und deswegen ist es fraglich, inwieweit die Universitätsabsolventen entsprechend produktiv für die Gemeinden sein können, und ob überhaupt die Moscheegemeinden bereit sein werden, die Absolventen als Imame einzustellen. Diese Lücke zu schließen kann eine wichtige Funktion der Initiative MFI werden.

Islamische Zeitung: Lieber Benjamin Idriz, vielen Dank für das Gespräch.

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Muslimische Kindergärten stehen unter hohem Rechtfertigungsdruck: Wie gehen ihre MacherInnen damit um?

Karlsruhe/Mannheim (dpa). Es duftet nach frisch gebackenen Brötchen, Spielzeug liegt herum, immer wieder ist Kinderlachen zu hören. Ein kleines Mädchen hilft, den langen Tisch für das gemeinsame Frühstück zu decken. Eigentlich eine Kita wie jede andere. Der Unterschied: Der Halima-Kindergarten in Karlsruhe ist in muslimischer Trägerschaft. Hier gibt es kein Schweinefleisch, die Regeln des Islams und muslimische Feste werden ernst genommen.

Von Michaela Anderer und Christine Cornelius

Bundesweit sind muslimische Kindergärten immer noch die Ausnahme – es werden aber mehr. Neben dem in Karlsruhe gibt es solche Kitas zum Beispiel in Mainz oder Berlin. Wie bei Moscheen ist der Weg bis zur Eröffnung oft langwierig und von Protesten und Skepsis begleitet. Nach jahrelangen Diskussionen wird an diesem Mittwoch auch in Mannheim ein muslimischer Kindergarten offiziell eröffnet, die ersten Kinder kommen im Januar.

Der Vorsitzende des Mannheimer Trägervereins, Faruk Sahin, ist erleichtert und auch ein bisschen stolz. „Es war eine lange Auseinandersetzung, jetzt ist es endlich erreicht, das kann man schon zelebrieren“, sagt er. Das öffentliche Interesse zeige aber auch, dass noch ein langer Weg zu gehen sei. „Wir hoffen, dass es bald Normalität wird, dass auch muslimische Träger Kindergärten eröffnen.“

//1//Die 1999 eröffnete muslimische Kita in Karlsruhe stieß anfangs ebenfalls auf Widerstände, Vorurteile und Ängste, wie der Vorsitzende des Trägervereins, Mesut Palanci, erzählt. Es habe viele Bedenken gegeben – und auch Fragen wie: Werden die Kinder geschlagen? Müssen die Mädchen ein Kopftuch tragen?

Besonders umstritten ist stets die Frage, welche Sprache gesprochen wird. Auch in Mannheim gibt es kurz vor der Eröffnung noch entsprechende Bedenken: Der CDU-Fraktionsgeschäftsführer des Gemeinderats, Matthias Sandel, kann sich zum Beispiel nicht recht vorstellen, dass es mit dem Deutschsprechen tatsächlich klappt. Er nehme an, dass in der Kita vor allem Türkisch gesprochen werde. Palanci und Sahin hingegen betonen immer wieder, die Erzieher sprächen Deutsch mit den Kindern. Außerdem seien die Kindergärten offen auch für Nicht-Muslime.

Die Bedenken rund um das Thema hält Sahin für eine Stellvertreterdebatte. „Alles, was mit dem Islam oder mit Muslimen zu tun hat, ist immer noch ein parteipolitischer Aufreger“, sagt er. „Man kann ja kritisch sein, es geht schließlich um die Zukunft der Kinder. Man sollte aber für alle Religionen dieselben Maßstäbe anlegen.“ Sahin betont: „Die Dreijährigen sollen hier nicht den Koran auswendig lernen, sie sollen erst mal die deutsche Sprache erlernen.“ In diesem Alter könnten die Kinder mit Religion in ihrer ganzen Komplexität noch gar nichts anfangen.

//2//In der Karlsruher Einrichtung treffen Kinder aus neun verschiedenen Ländern aufeinander, darunter auch deutsche. „Halima ist kein rein muslimischer Kindergarten und will es auch nicht sein“, sagt Palanci vom Trägerverein. „Natürlich haben wir unsere religiöse Grundeinstellung. Aber über 95 Prozent der Arbeit ist wie in anderen Kindergärten auch.“ Von Einigelung und Abkapselung könne nicht die Rede sein. „Wir sind sehr stolz darauf, dass 70 Prozent unserer Kinder später ins Gymnasium gehen.“

Migrationsforscher Klaus J. Bade versteht die ganze Aufregung nicht. „In einem Land, in dem es evangelische, katholische und jüdische Kindergärten gibt, kann es selbstverständlich auch muslimische Kindergärten geben“, sagt er. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass eine Einwanderungsgesellschaft aus kultureller Vielfalt besteht.“