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UN-Agentur beklagen Zunahme von Sklavenarbeit

NEW YORK (MEMO). Die Zahl der Menschen, die durch Armut und andere Krisen in moderne Formen der Sklaverei gezwungen werden, ist in den letzten Jahren um ein Fünftel auf rund 50 Millionen gestiegen, wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen am 12. September mitteilte, wie Reuters berichtete.

Mehr als die Hälfte von ihnen sei gegen ihren Willen zur Arbeit gezwungen worden, der Rest zur Heirat, so die ILO. Beides falle unter die Definition der modernen Sklaverei, da es sich um Menschen handele, die sich „aufgrund von Drohungen, Gewalt, Täuschung, Machtmissbrauch oder anderen Formen des Zwangs nicht weigern oder nicht gehen können“.

Die Situation habe sich durch Krisen wie COVID-19, bewaffnete Konflikte und den Klimawandel verschärft, die dazu geführt hätten, dass mehr Menschen in extremer Armut lebten und mehr Menschen zur Migration gezwungen seien, so die Agentur. Im Vergleich zur letzten Zählung für das Jahr 2016 sei die Zahl der Menschen in moderner Sklaverei um rund 9,3 Millionen gestiegen, heißt es in dem Bericht.

Die ILO, die ihre Schätzungen zum Teil auf Haushaltserhebungen stützt, stellte fest, dass mehr als die Hälfte aller Fälle von Zwangsarbeit in Ländern mit mittlerem oder hohem Einkommen auftraten, wobei Wanderarbeiter mehr als dreimal so häufig betroffen waren wie Einheimische.

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Gesellschaft für bedrohte Völker zu sechs Monaten russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

Ordnung

Göttingen (GfbV). Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, sich für die Schaffung eines internationalen Gerichtes einzusetzen, das die russischen Verantwortlichen für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zur Rechenschaft zieht:

„Wladimir Putin und seine Geheimdienste haben sich geirrt, als sie am 24. Februar 2022 davon ausgingen, dass die Menschen in der Ukraine ihre Unabhängigkeit und ihre Demokratie mehr oder weniger kampflos aufgeben. Am heutigen Nationalfeiertag der Ukraine ist die Entschlossenheit, die russische Invasion zurückzuschlagen, größer als je zuvor. Die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofes für die russischen Verbrechen gegen die Ukraine würde zeigen, dass Putin auch die Willenskraft der Staatengemeinschaft unterschätzt hat. Die Strafverfolgung der für den Krieg Verantwortlichen ist darum ein wichtiges Signal“, sagte GfbV-Direktor Roman Kühn am heutigen Mittwoch in Göttingen.

„Grundlage aller Verbrechen, die die russische Armee in den letzten sechs Monaten auf dem Territorium ihres Nachbarstaates begangen hat, ist der Angriffskrieg Putins. Die Erschießungen von Zivilisten, Bombardierungen von Krankenhäusern und Opern, die Deportation von Ukrainerinnen und Ukrainern nach Russland und die kommenden Pseudo-Referenden über die Zugehörigkeit okkupierter Gebiete zu Russland sind Konsequenz der Entscheidung des Kremls, ein benachbartes Land anzugreifen.“ 

Ukrainische Ermittler verfolgen derzeit ungefähr 25.000 Fälle von Kriegsverbrechen russischer Soldaten in der Ukraine. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Ermittlerinnen und Ermittler in die Ukraine geschickt, die Fällen von Kriegsverbrechen nachgehen. Er hat aber im Falle der Ukraine und Russlands keine Zuständigkeit für das von Putin begangene Verbrechen der Aggression, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. 

„Ein neuer ad-hoc-Strafgerichtshof, der eigens für den russischen Krieg eingesetzt wird, würde den Fokus auf die Entscheidung Putins lenken, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu beginnen“, so Kühn. „Die Verteidigung der ukrainischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität verlangt nach einem Gericht, dass Verantwortliche auf höchster Ebene belangen kann. Deswegen sollte sich Bundeskanzler Scholz gemeinsam mit Deutschlands Verbündeten für ein solches Gericht einsetzen.“

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Fasten in Kriegszeiten

(iz). Angesichts der Verwüstungen von Kriegen und dem ökologischen Zustand der Erde ist der Mensch in seiner spirituellen Veranlagung herausgefordert. Friedrich Nietzsche warnte seine Leser vor einer wachsenden Wüste, die […]

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„IZ-Begegnung“ mit Emran Feroz über die Bedeutungen der Ereignisse in Afghanistan

(iz). Der Autor und Journalist Emran Feroz wurde 1991 als Kind afghanischer Eltern im österreichischen Innsbruck geboren. Feroz, der sich auch als „Austroafghane“ bezeichnet und 2021 mit dem Concordia-Preis für eine Reportage ausgezeichnet wurde, erwies sich in den letzten Jahren als hellsichtiger Kritiker des „War on Terror“, des fragwürdigen weltweiten Einsatzes von Kampfdrohnen in aller Welt sowie der westlichen Politik in Afghanistan, das er regelmäßig und vor Ort bereiste.

Kurz vor dem Fall Kabuls an die Taliban hat Emran Feroz sein drittes Buch veröffentlicht: „Der längste Krieg“. Darin beschäftigt er sich mit dem beinahe 20-jährigen Militäreinsatz des Westens am Hindukusch, seine humanitären Kosten und warum er schlussendlich gescheitert ist. Mit ihm sprachen wir über das Land seiner Eltern, eine vom Krieg zerrissene Gesellschaft sowie über mediale Stereotypen und Fehleinschätzungen.

Islamische Zeitung: Lieber Emran Feroz, was bedeuten die Ereignisse der letzten Wochen und Monate für die Afghanen und ihr Land? Was leitet sich daraus für Sie ab?

Emran Feroz: Es ist so eine Sache, für die Afghanen zu sprechen. Zum Beispiel gibt es genug Provinzen, in denen der Abzug schon vor Jahren stattgefunden hat. Die verbliebenen Truppen, die jetzt gingen, waren ein paar tausend Mann. Und das wurde jetzt alles in jederlei Hinsicht mit den ganzen Evakuierungskommissionen so schlecht koordiniert. Wir konnten das bei den letzten US-Soldaten sehen, die am Flughafen Kriegsgerät und Helikopter zerstört haben, damit die Taliban sie nicht benutzen können. Die mit ihnen verbundenen Bilder, als sie von den Taliban zum Abflug eskortiert wurden, dokumentieren in jederlei Hinsicht einfach ein totales Versagen.

Was das jetzt für viele Afghanen bedeutet, lässt sich schwer zusammenfassen. Ich denke, dass dieses Kapitel abgeschlossen wurde und viele gleichzeitig jetzt in eine sehr ungewisse Zukunft blicken. Afghanistan als Staat kann ohne ausländische finanzielle Hilfe nicht überleben. Und von dieser Hilfe sind Millionen abhängig. Das sind jetzt die Sorgen, mit denen sich eigentlich die meisten sowohl auf dem Land als auch in den Städten beschäftigen. Und diese anderen Sachen, von denen man in diesen Tagen in Medien hört, wie individuelle Freiheiten, Menschen- und Frauenrechte, kommen noch hinzu. Was den Großteil der Gesellschaft vereint, ist einfach, dass man eigentlich vor einer humanitären Katastrophe steht und dass die verhindert werden muss. 

Islamische Zeitung: Es gibt verschiedene Organisationen, die in den letzten Wochen davon sprachen, dass rund 12 Millionen Menschen vor Lebensmittelunsicherheit stünden und zwei Millionen Kinder akut mangelernährt seien. Was sagen Ihre Kontakte vor Ort über die akute Belastung der Menschen?

Emran Feroz: Ja, das ist so. Heute haben die Taliban ein exemplarisches Bild aus dem Präsidentenpalast gepostet. Auf dem sieht man, wie sie auf dem Boden essen. Das sah sehr wie ein durchschnittliches afghanisches Essen aus – also Gemüse, ein bisschen Fleisch. Und die haben das natürlich inszeniert. Die Botschaft lautet: Wir sind nicht wie die alten Eliten, sondern sitzen alle auf dem Boden. Und der Führer sitzt ja auch da. Und wir essen alle das Gleiche. Viele haben kritisiert, dass es momentan viele gibt, die bald gar nichts mehr zu essen haben. Es gibt Regionen Afghanistans, in denen Hungersnot herrscht. Das sind Gegenden, die total isoliert sind, oder die von den Taliban besetzt wurden, wo die Nahrungsmittelreserven ausgehen. In der Region Pandschir, die offiziell von den Taliban erobert wurde, aus der aber noch Kämpfe berichtet werden, ist die Informationslage sehr undurchsichtig. Es ist sehr unklar, was da eigentlich passiert. Das liegt auch daran, dass sie keine Medien hereinließen. Irgendwie sind von dort trotzdem Berichte durchgesickert, wonach die Nahrungsmittel ausgehen und dass sich die Menschen nur noch von Brot und irgendwelchen Resten ernähren. Und ich denke schon, dass in vielen Regionen des Landes das Ganze immer mehr auf so eine Richtung zusteuert, wenn nicht bald Hilfe von außen das Land erreicht.

Islamische Zeitung: Das heißt, Sie würden aus Ihrer Sicht auf die Dinge auch dafür sein, dass es zumindest minimale Gespräche gibt und dass die Hilfslieferungen und -projekte weitergehen können?

Emran Feroz: Ja, auf jeden Fall. Und noch einen Zusatz zur letzten Frage: Natürlich sind auch die Preise für Grundnahrungsmittel und so weiter gestiegen. Sie sind höher als sonst und viele stehen unter Druck. Man merkt auch, dass vielen Bargeld ausgeht. Wir sahen, was vor den Banken, Western Union und MoneyGram los war. Viele Afghanen haben bisher Geld aus dem Ausland bekommen. Die meisten haben Verwandte im Ausland und sind gerade sehr von ihnen abhängig. Auch für mich war es in den letzten Tagen schwierig, ihnen Geld zu schicken. Mittlerweile sind sie wieder geöffnet, aber dort ist im Moment die Hölle los.

Es ist jetzt so, dass sie an der Macht sind und es darf nicht der Fehler gemacht werden, den man in den 90ern gemacht hat, nämlich das Land – was die Taliban natürlich selbst zu verschulden hatten – wieder in eine Isolation zu treiben. Die Bevölkerung wurde kollektiv bestraft. Und genau das darf sich jetzt nicht wiederholen. Dass die Taliban an der Macht sind, hat viele Gründe und hat auch Gründe in Teilen der Bevölkerung. Im Großen und Ganzen hatten die Afghanen mit dem Abzug und dem Friedensdeal nicht viel zu tun. Es wäre meiner Meinung nach nicht in Ordnung, wenn sie jetzt alle sanktioniert werden würden. Es ist ein Unterschied, wie man mit den Taliban umgeht und der Bevölkerung im Ganzen. Und wenn man da jetzt Hilfslieferungen stoppt oder das Land sanktioniert, bestraft man in erster Linie die Bevölkerung. 

Islamische Zeitung: Sie sind Journalist und beobachten, was im Land vor sich geht; aber auch, was hier im Westen geschrieben wird. Beinahe schon wütend machte es, dass direkt ab dem 16. August von „unserer Niederlage in Afghanistan“ gesprochen wurde. Geopolitisch und militärisch mag das eine Niederlage gewesen sein, obwohl es de facto seit 2014 keinen Kampfauftrag mehr in Afghanistan gab. Ist das nicht eine unheimliche Egozentrik, dass man das so sagt und die Niederlage der Afghanen selbst verschweigt?

Emran Feroz: Ja, natürlich. Das ist ein Problem, das sich durch die jüngste Berichterstattung gezogen hat. Man sprach von „unserer Niederlage“ und „unseren Soldaten“. Und man hat sich gleichzeitig für wichtige Fehlentwicklungen gar nicht verantwortlich machen wollen und wiederum die Afghanen beschuldigt. Das klingt an in Sätzen wie: Wir haben unser Bestes gegeben, aber die afghanische Armee wollte nicht kämpfen. Die meisten Menschen, die in diesem Krieg gelitten haben, die vor Ort gekämpft und viele Opfer gebracht haben, waren Afghanen. Die Armee wurde in den letzten Jahren, Monaten und Wochen im Grunde verpulvert. Man hat arme Männer in den Krieg geschickt und gleichzeitig mit Leuten zusammengearbeitet, die korrupt waren und sich persönlich bereicherten.

Islamische Zeitung: Es gibt Stimmen, die dieses Narrativ, die afghanische Armee und Polizei hätte nicht gekämpft, geradegerückt haben. Ab 2014 lag die Hauptlast der Bodeneinsätze bei Armee und Polizei. Sie haben mindestens 74.000 Tote zu verzeichnen gehabt. Dass sie nicht gekämpft hätten, ist so nicht wahr, oder?

Emran Feroz: Genau richtig. Allein die Anzahl der Todesopfer der Sicherheitskräfte war in den letzten Jahren mindestens drei bis viermal so hoch wie die der Zivilisten. Das war mindestens eine fünfstellige Zahl, die jedes Jahr zustande kam. Es wurde gekämpft, obwohl grundlegende Dinge fehlten. Das letzte Mal habe ich im Frühling afghanische Soldaten an der Front gesehen. Denen fehlt es an allem Möglichen. Sie wurden auch nicht regelmäßig entlohnt und haben trotzdem gekämpft. Das war zum Beispiel in einer Provinz im Nordosten, aus der die Amerikaner vor fast 10 Jahren abgezogen sind. Und dort hat für diese Menschen der Abzug keine große Rolle gespielt, weil die meisten sowieso schon allein waren. Aber gleichzeitig hat man gemerkt, wie tief die Gräben zwischen diesen Soldaten und den herrschenden Politikern waren. Es ist auch verständlich, wenn sie irgendwann kampfesmüde wurden und sich sagten: Okay, ich kann nicht mehr. Wieso schickt Person X nicht ihre Kinder? Die sind alle im Ausland und studieren.

Islamische Zeitung: … beziehungsweise betreiben Restaurants in Dubai, von denen Sie einige Fälle beschrieben haben… 

Emran Feroz: Richtig. Genau diese Perspektive wird gerne ausgeblendet. Man sucht gerne die Schuld bei anderen und redet von der eigenen Niederlage, obwohl man gar nicht versteht, was die letzten und auch die kommenden Jahre eigentlich für die meisten Afghanen bedeuteten und weiterhin bedeutend werden.

Islamische Zeitung: Wenn man Erinnerungen westlicher Soldaten liest, die 2007 oder 2008 in Helmand oder Kandahar eingesetzt waren, sprechen diese von teilweise intensiven und blutigen Gefechten. Wie sah der innerafghanische Krieg aus? War das eine sehr blutige Angelegenheit? 

Emran Feroz: Ja. Allerdings auf beiden Seiten; Sowohl von Seiten der Taliban als auch der Armee und verschiedenen Milizen, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Das hat sich in manchen Gebieten auch auf verschiedene Stammesfehden und damit verbundenen Strukturen bezogen. Es konnte dort wie (???) beschrieben werden, wenn in einem Dorf Talibankämpfer oder ein Kommandeur vermutet wurde und das ganze Dorf blindlings bombardiert wurde, zu vielen Toten kommen. Auf der anderen Seite hat sich Vergleichbares ereignet, wenn die Taliban irgendeinen Ort erobert haben. Dann konnte die ganze Verwandtschaft von Angehörigen eines Soldaten oder eines Mitglieds des Sicherheitsapparates getötet werden. Es gab zusätzlich viele verschiedene Strukturen. Nicht nur die afghanische Armee, sondern die Polizei sowie verschiedene Milizen, die von der CIA aufgebaut wurden und einen Geheimdienst mit eigenen Milizen, sodass es zum Teil sehr unübersichtlich war. Man hat oft Exempel statuiert und sich gegenseitig massakriert.

Islamische Zeitung: Es wird häufig so gesprochen, als wären die Afghanen in den letzten 20 Jahren keine Akteure gewesen. Das sind Menschen, die haben gehandelt, die haben sich gefreut, haben gelitten, sind gestorben und haben gelebt. Also braucht es da nicht auch einen Perspektivwechsel, der den Menschen vor Ort keine Handlungsfähigkeit abspricht?

Emran Feroz: Das ist ganz wichtig, weil man in den letzten Jahren in vielen Analysen bis jetzt sieht, dass das immer noch oft versucht wird. Es wird versucht, Probleme mit irgendwelchen Verschwörungstheorien zu externalisieren. Da gibt es viele Fake News. Ich habe ja den Fall Pandschir beschrieben. Da hat sich in den letzten Tagen viel Aufmerksamkeit drauf gerichtet. In den ersten Tagen nach der Stürmung durch die Taliban haben Propagandisten der Gegenseite Gerüchte gestreut von pakistanischen Drohnen und Einsatzkräften, die die Taliban unterstützt hätten. Es wird ja von einer Taliban-ISI-Achse gesprochen, wonach Pakistan die Taliban unterstützt und auch in den 90er Jahren unterstützt hat. Das ist ein offenes Geheimnis, aber oft wird es dann so vermengt, dass am Ende selbst viele Afghanen denken, diese Taliban seien eigentlich gar keine Afghanen, sondern wie Aliens von einem anderen Ort. Man sagt dann, dass seien Pakistaner oder Punjabis. Ich habe unter den Taliban bisher keinen einzigen Pakistaner oder Punjabi getroffen. Da herrscht oft ein verzerrtes Bild. Das wurde dann alles als Fake News entblößt, die indische Medien gestreut haben. Jeder seriöse Beobachter weiß eigentlich sofort, was Sache ist. Aber viele sind leider darauf reingefallen. Das ist nur ein aktuelles Beispiel, was sich jetzt wiederholt hat. Ein Grund hierfür war, dass man den Menschen diese Handlungsfähigkeit und die eigene persönliche Agenda aberkannt und sie auch nicht wirklich gekannt hat. Auch, wie die Taliban die ganzen Provinzhauptstädte und Kabul einnehmen konnten, hat viele überrascht, weil sie einfach nicht einsehen wollten, dass diese Leute nicht irgendwelche Ausländer sind, die von irgendwo herkommen, sondern Menschen aus diesem Land. Irgendwie muss man damit klarkommen. Anstatt das zu machen, wurde man halt von dieser Realität und von vielen anderen eingeholt. 

Islamische Zeitung: Wir sind darauf angewiesen, komplexe Vorgänge mit einer langen Geschichte in Form von Bildern zu erklären. Derzeit werden über Afghanistan sehr viele stereotype Bilder gezeichnet mit Begriffen wie „Mittelalter“, „Moderne“ und ähnlichem. Dabei dauert die oft gewaltsame „Modernisierung“ und Zentralisierung Afghanistans seit mehr als 100 Jahren an. Dann wird gerne von Stämmen geredet, obwohl selbst Paschtunen bei genauem Blick keine Einheit sind. Und es gibt den Gegensatz von Stadt und Land. Kurzum, es ist von außen sehr schwer, sich ein angemessenes Bild zu machen. Um es in einer Frage zusammenzufassen: Was haben die Taliban denn mit dem afghanischen Mittelalter zu tun? 

Emran Feroz: Es ist immer lustig, wenn es um Mittelalter oder Steinzeit geht. Und dann sieht man die Taliban-Spezialkräfte, die mittlerweile wie amerikanische Spezialeinheiten aussehen. Ich denke, von solchen Bildern sollten wir uns verabschieden. Die Taliban leben im 21. Jahrhundert. Sie haben ein anderes Wertesystem, total andere Vorstellungen als viele Menschen hier im sogenannten Westen und auch als viele andere in Afghanistan. Aber sie sind auch modernes oder postmodernes Phänomen. Natürlich gab es in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten Kriege in Afghanistan wie die mehreren anglo-afghanischen. Dort ließen sich natürlich auch gewisse Akteure finden, die den Taliban nicht unähnlich waren. Aber die gelten heute unter den meisten Afghanen trotzdem als Nationalhelden, weil sie die Briten verjagt haben.

Etwas, was solche Akteure immer in Afghanistan gestärkt hat – egal ob bei den Briten, den Sowjets oder den Amerikanern –, lässt sich mit dem Tiroler Volkshelden Andreas Hofer vergleichen. Der lebte im frühen 19. Jahrhundert und wurde 1809 hingerichtet. Ich versuche, in meinem Buch und auch mit dem von Pankaj Mishra zu verdeutlichen, dass es solche Bewegungen auch hier gegeben hat und vielleicht sogar auch heute geben könnte, wenn die Umstände andere wären. Hofer hatte damals einen Bauernaufstand gegen Napoleon und die Bayern angezettelt. Er hat sich als Verteidiger bestimmter Werte inszeniert – hier eines konservativen Katholizismus. Auf der Gegenseite gab es Leute, die sagten: Ihr lebt im Mittelalter und wir klären euch jetzt auf. Dann ist aber genau das Gegenteil eingetreten, was sie wollten. Die Menschen haben umso mehr an diesen Werten festgehalten und gewisse Aufstände unterstützt. Man kann diese Werte – in diesem Fall Liberalismus, Demokratie etc. – nicht von außen aufzwingen. Ähnliches wurde in den 70er und 80er Jahren von den Sowjets versucht.

Islamische Zeitung: Ist dieses Projekt der Modernisierung von oben in Afghanistan nicht viel älter? Fand das nicht schon unter Königen wie Amanullah statt? 

Emran Feroz: Ja, genau. Natürlich ist es viel älter. Es gab die großen Versuche von außen, aber dann auch jene von innen wie dem Amanullah Khan, der das durchsetzen wollte – auch mit Gewalt. Das muss man auch bedenken. Er war nicht der superdemokratische Reformer. Er setzte auf paschtunische Stämme, denen er diese Dinge überstülpen wollte. Die hat er dann zum Teil wirklich erniedrigt und niedergemetzelt. Und da sind dann auch wieder viele Feindschaften entstanden. Aber im Großen und Ganzen ist jeder gescheitert, der es von innen oder außen mit Gewalt versuchte. Und gleichzeitig wurden Kräfte stärker, die den Taliban gar nicht so unähnlich waren.

Islamische Zeitung: Wir können bei manchen jungen Muslimen im Westen beobachten, wie sie sich teils auf eine „glorreiche“ Vergangenheit beziehen, die dann aber auch eine konstruierte ist. Was ist diese „Tradition“, auf welche sich die Taliban überhaupt beziehen? Lässt die sich aus der realen Vergangenheit begründen oder ist sie eher die Folge von 42 Jahren Krieg und Konflikt?

Emran Feroz: Ich denke, in Teilen lässt sich das aus der Vergangenheit begründen. In Teilen ist es aber auch Folge aus diesen Kriegen.

Islamische Zeitung: Die Taliban haben gerade eben ihr Übergangskabinett vorgestellt. Jetzt müssen sie einen Staat betreiben. Es gibt ein Phänomen, das wir auch aus der Russischen Revolution kennen. Am Ende haben in den Folterkammern weiterhin die Leute vom zaristischen Geheimdienst gearbeitet oder im Militär zaristische Offiziere. Jetzt werden die Taliban wahrscheinlich nicht umhinkommen, auch auf das bisherige Personal zu setzen. Sind sie auf die bisherigen Beamten angewiesen, um das Ganze halbwegs am Laufen zu halten? 

Emran Feroz: Auf jeden Fall. Sie können nicht mal definieren, was genau der Unterschied sein soll zwischen der Islamischen Republik Afghanistan, die in den letzten 20 Jahren existiert hat, und dem Islamischen Emirat, wie sie es propagieren. Und es wurde jetzt auch offiziell immer noch nicht umbenannt. Es sind noch viele Fragen offen. Die Taliban müssen sich auf jeden Fall in vielerlei Hinsicht öffnen. Sie sind auf solches Personal angewiesen. Diese Interimsregierung ist nicht mal für die traditionell konservativen Verhältnisse Afghanistans inklusiv. Wenn man betrachtet, welche afghanischen Gelehrte miteinbezogen wurden, ist das alles andere als inklusiv. Es gab Stimmen, die den Eindruck hatten, sie wären jetzt progressiv. Sie stehen vor großen Problemen. Es gibt sehr wohl in ihren Reihen Leute, die wissen, wie schwer dieser Spagat ist. Sie hätten ja, wenn wirklich Inklusivität gewollt wäre, zum Beispiel eine Regierung aufstellen können, in der man Gesichter aus der alten Regierung sieht, in der man mehrere Frauen sieht, in der man auch ehemalige korrupte Politiker wie Karzai sieht. Das hätte vielleicht auf der internationalen Bühne besser ausgeschaut als das jetzige Ergebnis.

Aber sie hätten so wahrscheinlich viele in ihren eigenen Reihen verloren. Selbst der durchschnittliche Fußsoldat hätte sich die Frage gestellt, wofür sie denn gekämpft haben. Dieser Spagat ist sehr schwierig. Und ich denke allerdings, dass sie ohne diese anderen Experten nicht umhinkommen. 

Islamische Zeitung: Glauben Sie, dass sich die Taliban akut und zukünftig in einem Vakuum befinden, sodass sie Knowhow aus Staaten wie China, Pakistan oder den Iran beziehen müssen? 

Emran Feroz: Ich denke schon. Die genannten Staaten werden immer mehr eine dominante Rolle in Afghanistan einnehmen. Die Taliban sind jetzt in einer Situation, in der sie abhängig sein werden. Der Punkt ist auch, dass sie ein bisschen vor einer ideologischen Krise stehen. Was die meisten innerhalb der Taliban zusammengehalten hat, war die Präsenz der ausländischen Truppen, war die Korruption. Das ist jetzt weg. Das heißt, dass viele auch viel mehr hinterfragen werden, was ihre Führer machen. Aber das eröffnet die Gefahr einer weiteren Radikalisierung.

Das ist der nächste Punkt. Wir haben immer noch den IS in Afghanistan. Sie wissen ganz genau: Wäre das Szenario einer inklusiven Regierung mit Leuten wie Abdullah, wie Karzai und so weiter eingetreten, wären Abspaltungen vorstellbar. Und die sieht man am Ende dann beim IS.

Islamische Zeitung: Es mag ein bisschen abstrus klingen, aber müssen die Taliban nicht jetzt den Habitus des Widerstandskämpfers aufgeben und beispielsweise auch Uniformen tragen, um überhaupt den von ihnen kontrollierten Staat repräsentieren zu können?

Emran Feroz: Die müssen jetzt den Staat zum Laufen bringen, was natürlich so eine Sache ist. Die müssen erkennbar sein. Viele von ihnen tragen jetzt auch Uniformen. Erkennbarkeit ist wichtig. Das wird schon mehr in diese Richtung gehen. Natürlich sieht man noch viele Soldaten, die man am Turban und mit ihrer Waffe erkennt, wenn sie patrouillieren. Wenn sie den Staat führen in jeglicher Hinsicht und ernst genommen werden wollen, dann wird sich das mehr in eine solche Richtung bewegen. Ich denke aber, dass sie damit auch überfordert sein werden. Wie gesagt, bis vor Kurzem waren sie eine Guerillagruppierung. Dort, wo sie regiert haben, konnten sie das Vakuum aufgrund der Korruption schnell fühlen. Aber das alles fällt jetzt weg und die ganze Verantwortung liegt bei ihnen. 

Islamische Zeitung: Zu den sechs Kernpunkten, die Sie in „Der längste Krieg“ als Momente des Scheiterns der westlichen Intervention in Afghanistan identifizieren, gehört ein Versagen beim Thema „Frauen“ beziehungsweise die Instrumentalisierung der Frage. Jenseits der realen Lage von Frauen im neuen Afghanistan, welche Funktion hatte die „Befreiung der Frau“ für die Intervention und die folgende Besetzung?

Emran Feroz: Wir müssen eines bedenken und das ist dieses Bild von der Befreiung der Frau. Es wurde immer wieder rekonstruiert. Auch die Medien haben es ständig angerufen, dass man nach Afghanistan geht um dort die afghanische Frau zu befreien. In den 80ern haben die Sowjets gleich argumentiert wie zuvor auch die Briten. Per se wird dem afghanischen Mann unterstellt, dass er ein zurückgebliebener Barbar sei, der nicht wisse, wie er mit seiner Frau umzugehen hat.

Als Folge davon konnten wir in den letzten Jahren und eigentlich auch bis jetzt Beiträge zum Thema aus verhältnismäßig privilegierten Stadtteilen Kabuls sehen, in denen ein liberales Leben geführt wird. Hier werden Künstlerinnen oder Regisseurinnen gezeigt, was den Eindruck erweckt: All das wurde durch die Intervention geschaffen und würde jetzt durch die Taliban zunichte gemacht.

Das ist halt falsch. Die dargestellten Szenen repräsentieren nur einen Bruchteil der weiblichen Gesellschaft. Diese kleine urbane Elite hat sich in den letzten 20 Jahren entwickelt und von dieser militärischen Besatzung auf die eine Art und Weise profitiert. Und so wird versucht, dieses Bild auf alle Afghaninnen anzuwenden. Die meisten von ihnen, die auf dem Land leben, sind in einer komplett anderen Realität aufgewachsen. Und das hat viel zu tun mit Armut, mit wirtschaftlicher Ungleichheit, mit fehlender Entwicklung, die dort halt nicht stattfand und den ganzen verschwundenen Hilfsgeldern. Es hängt auch mit der betriebenen Kriegswirtschaft sowie dem Kriegsgeschehen selbst zusammen.

Es macht für viele westliche Akteure die Sache einfacher, diese Dinge jetzt nicht zu erklären oder nicht auf diese komplexen Realitäten einzugehen. Stattdessen werden Bilder aus irgendeinem Stadtteil gesendet, nicht einmal aus ganz Kabul, wo es auch eher ländliche und ärmliche Distrikte gibt. Man will den Leuten weismachen, diese Dinge seien für die Mehrheit repräsentativ. Ähnliches findet sich aus den 80ern in den Propagandafilmchen der afghanischen Kommunisten und Sowjets. Dort wurden Frauen präsentiert, die einen sehr westlichen Lebensstil pflegten oder daheim Alkohol tranken. Da wurde vieles so sehr propagandistisch inszeniert.

Islamische Zeitung: Was in der Berichterstattung vor und nach dem Fall Kabuls auffällt, ist die teils vollkommende Abwesenheit der zehntausenden Frauen und zehntausenden Mädchen, die von Anfang bis Ende der Besatzung durch Bombardierungen, Drohnen und nächtliche Überfälle auf ihre Dörfer ums Leben kamen beziehungsweise verstümmelt wurden…

Emran Feroz: Ich will niemandem Böses unterstellen, vor allem nicht irgendwelchen Kollegen. Aber mir ist in den letzten Wochen auch aufgefallen, auch nach dem Erscheinen des Buches, dass man hier überhaupt keine Ahnung hatte, mit was für Menschen man dort zusammenarbeitete. Da war beispielsweise Asadullah Chalid. Der hielt sich entführte Mädchen als Sexsklaven und wahrscheinlich auch Jungen. Er hat viele Menschen sexuell missbraucht, ermordet und gefoltert. Der Mann hatte seine eigene Villa, in der er machen konnte, was er wollte, während er von den Alliierten hofiert wurde. Vor ein paar Jahren wurde er durch einen mutmaßlichen Angriff der Taliban schwer verletzt und in den USA behandelt, wo ihn Obama persönlich besuchte.

Wenn man solche Details kennt, ist es heuchlerisch, wenn man beim Lesen immer wieder auf die gleichen Narrative stößt, als ob man mit irgendwelchen Saubermännern zusammengearbeitet hätte. Und jetzt kommen halt die bösen Taliban und das ganze Projekt ist gescheitert. So war es nicht. Ich denke, viele wollten sich mit solchen Fällen nicht beschäftigen, weil sie das Narrativ nicht unterfüttern.

Und dieses Narrativ war wirklich wichtig. Ich habe in meinem Buch den Fall einer Aischa aufgezeichnet, die von ihrem Ehemann verstümmelt wurde. Sie war auch auf dem Cover des „Time Magazine“ zu sehen. Als Unterschrift konnte man lesen, was passieren werde, wenn wir Afghanistan verlassen. Das ist einige Jahre her. Und in dem Text wurde das explizit wiederholt. Später wurde dann klar, was afghanische Lokaljournalisten berichteten und berichtigten, dass es nicht die Taliban waren. Vielmehr wurde sie Opfer familiärer Gewalt.

Man hat oft versucht, das dominante Narrativ zu nähren und erhalten. Das merkt man auch jetzt in diesen Tagen. Alle Stories wollen immer sortieren und herausfinden, was die Verbindung zu den Taliban dabei ist. Gleichzeitig will man sich nicht damit auseinandersetzen, dass es dort eigentlich kein Gut und Böse gab, dass die Lage dort viel komplexer war. Und dass man sich nicht nur mit Menschenrechtsverbrechern und Frauenfeinden gemein machte, sondern selbst so in den betroffenen Gebieten agierte, die von Drohnenangriffen, Spezialeinheiten und so weiter heimgesucht wurden.

Islamische Zeitung: Nach 42 Jahren Schweigen – von Ausnahmen abgesehen – die Waffen in Afghanistan. Halten Sie es für möglich, dass dies ein Moment ist, in dem die Menschen zur Ruhe kommen können und vielleicht auf lokaler Ebene auch so etwas wie eine Heilung eintreten könnte? 

Emran Feroz: Manche sind da recht nüchtern, und ich bin es meistens auch. Wenn man es von den Zahlen her betrachtet, ist es tatsächlich eine große Sache, dass in den letzten Wochen in Afghanistan so wenig Menschen getötet wurden oder generell, dass die Gewalthandlungen so stark abgenommen haben. Man muss aber bedenken, dass die Taliban auch terroristisch gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen sind und in den Städten Selbstmordanschläge und so weiter verübt haben. Und die bekämpfen jetzt niemanden mehr als den IS. Aber das ist jetzt weniger ausschlaggebend und nicht so dominierend.

Man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr auf das Narrativ der Taliban eingeht. Gerade ließen sie propagandistisch die ganzen Betonmauern in Kabul abbauen, die oft für viel Verkehrschaos gesorgt haben und die Sicherheit von irgendwelchen Politikern und deren Häusern gewährleistet haben. Es wurde alles abgebaut und die Taliban wollen damit sagen: So, jetzt gibt’s hier Frieden. Aber das wurde ja aufgebaut, weil solche Angriffe stattgefunden haben. 

Viele Menschen nehmen das auch als einen Unterschied wahr. Aber ob die politischen Entwicklungen in diese Richtung gehen, wird sich noch zeigen müssen. Das hat vieles einfach mit dem Handeln der Taliban zu tun, aber auch mit dem Verhalten der internationalen Staatengemeinschaft. In den Teilen der afghanischen Gesellschaft, vor allem in den Städten, in denen die Taliban Probleme mit ihrer Art von Regierung haben, hat in den letzten 20 Jahren ein sozialpolitischer und technologischer Fortschritt stattgefunden. Und da wird es sicher weiterhin zu Demonstrationen und irgendeiner Art von politischem Aktivismus gegen sie kommen. Und das ist auch gut und wichtig. Der Punkt ist halt, ob sich die Taliban an ihre Ankündigungen halten oder totalitärer werden. Mein Optimismus oder Pessimismus hängen auch davon ab, welche Richtung sie einschlagen werden. Pessimismus hat man mir nicht so leicht austreiben können. 

Afghanistan steht vor einer humanitären Katastrophe. Es gibt viele Binnenflüchtlinge. Es gibt auch viele andere Menschen, die einfach raus wollen. Und dieses ganze Gerede von den Taliban kurz nach ihrer Machtübernahme wurde auch von vielen westlichen Medien irgendwie für gut befunden. Alles, was sie bis jetzt so gemacht haben, und vor allem die Art, wie sie ihre Regierung aufgestellt haben, die hat nicht nur bestätigt, dass man ihnen eben keinen großen Vertrauensvorschuss geben sollte und dass das Ganze sehr schnell ausarten könnte.

Islamische Zeitung: Lieber Emran Feroz, wir bedanken uns für das Gespräch.

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Emran Feroz hat ein wichtiges Buch über den Afghanistankonflikt geschrieben

„Trauernde Mütter beerdigen ihre Söhne, den einen mit schwarzem Taliban-Turban, den anderen mit der Uniform der afghanischen Armee. Das ist die wahre Tragödie des Krieges, und sie will, so scheint es, einfach kein Ende nehmen.“

Am 15. August verkündeten die Medien der Welt die Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul nach einer rapiden, und oft kampflosen, Kampagne der Taliban. Ihre konfusen und erschreckenden Bilder illustrieren das Schlagwort eines „2. Saigon“ und einer „Niederlage des Westens“. Erschreckend aktuell und als Abgesang auf den längsten Krieg der US-Geschichte ist ab dem 30. August das neue gleichnamige Buch des Journalisten und Autoren Emran Feroz im Handel erhältlich.

(iz). Was den Text des Autors, der sich in einem Interview just als „Austro-Afghanen“ bezeichnete, so wichtig macht: Er erzählt nicht den Krieg der Amerikaner (und ihrer Verbündeten), sondern den der Afghanen, der „bereits seit dem Ende 1970er-Jahre“ andauert. Liest man ihn, mutete das jüngst kolportierte Schlagwort von „unserer Niederlage“ beinahe zynisch an, wenn wir bedenken, dass es vor allem die Menschen dieses Landes waren, die seit 1979 (spätestens aber 2001, den eigentlichen Zeitraum des Buches) den höchsten Preis zahlten und weiterhin zahlen.

Sagen, was ist

Emran Feroz’ Buch ist ein starker Text, der noch dadurch gewinnt, dass er sich so weit wie möglich einer Metaebene enthält und dass er Geschichte und Gegenwart sowie seine direkten Erfahrungen und die Berichte seiner Gesprächspartner sprechen lässt. Feroz, der mit offenen Augen durch das Land, seine Geschichte und die aktuellen Vorgänge geht, verzichtet auf die Klassifizierung und Othering des Gegners. Er schildert die Taliban als real-existierenden Bestandteil der afghanischen Gesamtlage.

Seine Absicht sei vor allem gewesen, „die afghanische Sichtweise der Dinge deutlich zu machen“. Er wollte einige Märchen und Falschaussagen „rund um den Afghanistan-Krieg“ dekonstruieren. Afghanistan dürfe „nicht zur Projektionsfläche für den eigenen Eurozentrismus“ werden. Wegen einer Vorprägung „durch die mediale Berichterstattung“ gleiche sein Vorhaben „auch einer Zurückeroberung dieser ganz anderen Sichtweise auf den Krieg in Afghanistan“.

Für ihn sei die eigene Herkunft kein Hindernis, sondern habe vielmehr „eine wichtige, konstruktive Rolle“ gespielt. Denn sein Zugang unterscheide sich grundsätzlich von dem der meisten Kolleg:innen aus dem Westen. Meist sei er, so Emran Feroz, in einfachen Taxis unterwegs gewesen, „und nicht mit kugelsicheren SUVs und bewaffneten Sicherheitspersonal“. Das Buch ist nicht von der Warte des „eingebetteten“ Journalisten geschrieben, sondern profitiert von direkten Eindrücken vor Ort und von Gesprächen mit allen Beteiligten – von Vertretern der Zivilgesellschaft, über korrupte Politiker bis hin zu Repräsentanten der Taliban.

So wie Feroz die Geschichte des unendlich scheinenden Krieges in Afghanistan schreibt, so lässt er auch seine Biografie anklingen an Stellen wie: „Ab dem 12. September 2001 war ich in der Schule plötzlich ‘der Afghane’, mit dem selbst die Türken, Bosniaken oder Serben nichts anfangen konnten.“ Obwohl es notwendigerweise um die Afghanen und ihr Land geht, zeichnet Emran Feroz gleichermaßen die globalen Dimensionen des Anti-Terror-Krieges, den weltweiten Verlust von Bürgerrechten sowie die Militarisierung von Islamkritik. Und „Der längste Krieg“ – auch das ist wichtig – ist eine kritische Obduktion der deutschen Berichterstattung und Debatte. Das ist nicht nur ein theoretisches Spiel, denn beinahe alle Menschen beziehen ihr Wissen (oder Nichtwissen) von Afghanistan über die mediale Vermittlung. „Die westliche Kriegsberichterstattung hat mich meist frustriert (…). Oftmals war sie geprägt von Unwissen oder rassistischen und orientalistischen Stereotypen.“ Allein schon von „den Afghanen“ zu sprechen, offenbare große Ignoranz, denn die verschiedenen Gruppen, die auf dem Boden des heutigen Afghanistan leben, seien überaus heterogen.

„Am 7. Oktober 2001 begann der längste Krieg der amerikanischen Geschichte. Zum damaligen Zeitpunkt wusste das natürlich noch niemand“, beginnt Feroz seine Beschreibung des blutigen Konflikts. Um die folgenden Ereignisse der letzten 20 Jahre zu begreifen, muss man allerdings die Vorgeschichte kennen. Und diesen Dienst leistet der Autor mit seiner präzisen Erzählung, die durch Berichte und Erlebnisse damaliger Zeitgenossen unterfüttert wird.

Genauso wichtig wie die nüchterne Darstellung eines blutigen Krieges ist, deren Opfer noch nicht einmal gänzlich bekannt sind, ist der Perspektivwechsel, zudem uns Emran Feroz zwingt. Denn häufig werde versucht, die Gewalt dieses Konfliktes zu „afghanisieren“. So entstehe ein Bild, wonach der Westen mit all dem nichts zu tun hätte. „Wir wollen doch nur helfen, doch die Barbaren zerfleischen sich untereinander.“ Dieses Narrativ, so der Autor, werde konsequent durchgedrückt und immer wieder neu aufgerollt. „Die Opfer westlicher Gewalt werden stets als Kollateralschäden dargestellt, die man eigentlich nicht töten wollte.“

Friedhof der Afghanen

Ein anderer Topos, der nach dem rapiden Durchmarsch der Taliban erneut die Runde in Redaktionen macht, ist das Schlagwort vom „Friedhof der Supermächte“. Einerseits stimmt das „in gewisser Hinsicht“. Immerhin scheiterte nach den Briten und den Sowjets erneut eine Supermacht am Hindukusch. Andererseits seien es „in erster Linie“ jene Supermächte gewesen, die Afghanistan zum Friedhof der Afghanen gemacht hätten. „All die namenlosen Zivilisten, die in den letzten zwei Jahrzehnten getötet wurden, sind auch der Grund, warum die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten heute als Verlierer dastehen.“ Und diese Gewaltexzesse haben laut dem Autor einen „Rückstoß“ (oder Blowback) für die westlichen Militärmächte erzeugt. „Extremistische Akteure wie die Taliban sind ein großer Teil des Problems. Allerdings sind sie in erster Linie ein Symptom und nicht die Ursache.“

Es ist Emran Feroz zu danken, dass er allzu simple binäre Weltbilder nicht durchgehen lässt. Dies richtet sich vor allem an linke Kritiker des westlichen Engagements am Hindukusch, die gleichzeitig die Besetzung durch die Sowjets und ihren blutigen verherrlichen. „Im Laufe der zehnjährigen sowjetischen Besatzung wurden rund zwei Millionen Afghanen getötet, während zahlreiche weitere als Geflüchtete durch die verschiedensten Länder ziehen mussten.“ Das Buch macht deutlich, dass viele Dinge aus dieser Zeit weiterhin stark mit der Gegenwart verstrickt seien.

Was „Der längste Krieg“ interessant und relevant macht, sind jene Episoden und Entwicklungen, die es nicht in die heutigen Schlagzeilen schaffen. Dazu gehört die Erinnerung, wie der blutige Bürgerkrieg nach Ende der kommunistischen Episode den Boden für die Ankunft der Taliban bereitete. Eine andere, von Emran Feroz beschriebene Entscheidung, ist der Vorgang, durch den der erste Präsident Afghanistans im 21. Jahrhundert, Hamid Karzai, überhaupt an seine Position kam. „Der paschtunische Stammesführer mittleren Alters“ sei damals praktisch ein Niemand gewesen. „Doch er wusste, dass seine Zeit gekommen war.“ Was ihn von den anderen Gegnern der Taliban unterschieden habe, sei gewesen, dass er kein Krieger, sondern ein Diplomat und Politiker gewesen sei. Obwohl ihn Beobachter wie der Diplomat Norbert Holl als Figur mit „begrenztem Potenzial“ erlebt haben, wurde er dank seiner Verbindungen zu entscheidenden Akteuren in das spätere Amt gehievt.

„Der längste Krieg“ ist kein Buch über die politische Klasse des Afghanistans zwischen 2001 und 2021. Aber am Beispiel Karzais, der den ganzen Text hindurch immer wieder auftaucht, wird deutlich, wie ungeeignet sie im Laufe der letzten 20 Jahre war, die Mindestbedingungen für ein friedliches Land zu gewährleisten. Da die Warlords, ehemaligen Kommandeure der Mudschahidin sowie Drogenbarone die Innenpolitik der letzten 20 Jahre mitbestimmten, durch ihre Korruption schon alleine eine größere Entwicklung verunmöglichten und die Menschen von der Regierung entfremdeten, müssen auch sie beleuchtet werden.

Neben einer Darstellung der ideologischen Hintergründe des „War on Terror“ sowie einem Kapitel mit „Auszügen des Grauens“, in dem drastisch die Kriegsverbrechen der internationalen Allianz in Afghanistan beschrieben werden, bildet die Beschreibung der „sechs großen Vergehen des ‘War on Terror’ in Afghanistan“ den Kern des Buches. Gerade durch diese beiden letzten Abschnitte wird klar, dass sich die Menge der Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung nicht einfach in der Logik einzelner, krimineller Soldaten erklären lassen. Vielmehr sind sie – hier bietet sich der häufig unpassende Vergleich mit Vietnam tatsächlich an – das Ergebnis eines bewussten Kalküls und dementsprechender operationeller und taktischer Vorgaben gewesen. Jüngst merkte selbst „Foreign Affairs“ an, dass das berühmte Schlagwort von „Hearts & Minds“ auch in Afghanistan nicht funktioniert habe.

Folter

Das erste „Vergehen“ der westlichen Mächte sei die Beförderung von Terror durch Folter gewesen. Feroz erzählt die Geschichte der Misshandlungen und ihres „Blowbacks“ anhand des berühmt-berüchtigten Stützpunktes Bagram. In dieser „Art afghanisches Guantanamo“ sei tagtäglich gefoltert worden. Die meisten Häftlinge in der bereits von den Sowjets errichteten Basis blieben namenlos und unbekannt. Entschädigungen für die Getöteten und Misshandelten wurden bisher nicht gezahlt. Bagram war aber nicht „nur“ Ort von Folter und Tod, sondern auch der Anstoß für Radikalisierung. Viele Opfer hätten sich „erst nach ihrer Freilassung“ extremistischen Gruppen angeschlossen.

Rassismus und Muslimfeindlichkeit

Als zweiten Punkt sieht Emran Feroz eine „Kreuzzügler-Kultur“ unter westlichen Truppen, Ideologen des Einsatzes und in den Medien. Das Narrativ von Gut gegen Böse sei ein Tabu im Westen und würde in den USA, in Europa und in Australien nur selten hinterfragt. Viele westliche Soldaten in Afghanistan hätten die Afghanen „nicht als Individuen“ gesehen, denen man auf gleicher Augenhöhe begegnen müsse, „sondern als Freiwild, das zum Abschuss freigegeben wurde“. Ein Beispiel dafür sei die Verherrlichung der Soldaten in der heutigen Popkultur.

Korruption und politisches Scheitern

Drittens beschreibt „Der längste Krieg“ den Komplex aus „Warlordismus“, Korruption und der „Lüge der Demokratie“. Es sei das Personal, das nach dem Einmarsch ab 2001 an die Macht kam, welches einen möglichen Rechtsstaat in Afghanistan „konsequent ausgehöhlt“ habe. Karzai und Konsorten hätten Korruption geduldet und gefördert. Außer den Familien im Umfeld der politischen Macht zählten die ehemaligen Warlords und Mudschahidin-Führer zu den größten Plünderern des jungen Staates. Von den vielen Geldkoffern, welche die neuen Herren nach Afghanistan brachten, hätten viele das Land auch wieder verlassen. „Im Schatten von Slums und Flüchtlingslagern“ in Kabul seien pompöse Villen und Hochhäuser entstanden. Milliarden Hilfsgelder für Witwen, Kinder und Bauern seien an die Profiteure der Regierung geflossen.

Gegen-Terror

Das vierte Vergehen des Westens in Afghanistan sei der Terror durch „CIA-Schergen“ gewesen. Im Laufe des Anti-Terror-Kriegs wurde dieser Gegen-Terror durch Medien und Experten als „Aufstandsbekämpfung“ beschönigt. Den Menschen im Westen sei immer wieder weisgemacht worden, dass die nötige Gewalt nur gegen Terroristen und nicht gegen Zivilisten gerichtet sei. Entgegen des herrschenden Narrativs von „präzisen“ Drohnen und Geheimoperation seien unzählige Menschen durch „Predator-Drohnen der Amerikaner“ gejagt und ermordet wurden. Bisher blieben diese Opfer sowohl namenlos als auch gesichtslos.

Verursachung von Flucht

Als vorletzten Kritikpunkt am westlichen Projekt in Afghanistan führt Emran Feroz die „Generierung von Fluchtwellen“ an. Am Beispiel 2015 macht der Autor deutlich, dass die Regierung allein durch die Ausstellung von Reisepässen Profite durch die Ausreisewilligen erzeugen wollte. Dank einer instabilen Regierung des nun geflohenen Präsidenten Ghani schufen Selbstmordangriffe der Taliban und Anschläge ein Klima der Angst, vor dem viele über die Grenze flohen. „2015 gehörte der Krieg in Afghanistan zu den tödlichsten Konflikten der Welt.“ Bereits an diesem Punkt hätten die NATO-Missionen all ihre Ziele verfehlt. Anhand eindrücklicher Beispiele beschreibt Emran Feroz, wie diese schon schwere Lage durch das langjährige Abschieberegime europäischer Staaten wie Deutschland und Österreich erschwert wurde. In diesem Thema sieht Feroz eine verhängnisvolle Verbindung von inhumaner Abschiebepraxis mit einer korrupten afghanischen Regierung.

Frauen

Und schließlich spricht Emran Feroz das schmerzhafte Kapitel der Lage von Frauen während des gesamten Krieges, unter den Taliban aber auch in unserer hiesigen Propaganda an. Für ihn ist die vorgebliche „Frauenbefreiung“ des westlichen Einsatzes eine „Mär“. Seit jeher gehöre dieses Thema „zu den wichtigsten Argumenten für Militärintervention am Hindukusch“. Ein Topos, an dem sich bereits das imperiale Großbritannien versucht habe. Dabei werde meist unterschlagen, „dass es den westlichen Mächten in Afghanistan nie um die afghanische Frau ging“. Es seien vor allem Afghanen selbst gewesen, die positive Errungenschaften in Gang gebracht hätten – „ohne westliche Hilfe“. Vielmehr hätte der Westen in den letzten zwei Jahrzehnten Strukturen gefördert, die zutiefst frauenfeindlich seien. Sie stünden echten progressiven Projekten aufgrund ihrer Korruption und Machtgier im Weg. „Die Kabuler Regierung und ihre westlichen Verbündeten schrieben sich zwar die Rechte der Frau auf die Fahne, allerdings traten sie diese meist mit Füßen.“

„Alle Beteiligten sollten wissen“, schreibt Emran Feroz im Schlusskapitel, „dass der Krieg am Hindukusch nur mit Worten und nicht mit Waffen gelöst werden kann.“ Diese neue Geschichte des modernen Afghanistankrieges ist ein hartes und manchmal drastisches Buch. Aber es ist auch Aufklärung im echten Sinne des Wortes, die mit Verzerrungen, Missverständnissen und krassen Fehlern aufräumt. Als solches gehört es in die Hand eines jeden, der diesen „längsten Krieg“ verstehen will. Es ist darüber hinaus auch die Frucht einer jahrelangen Beschäftigung durch Emran Feroz mit Afghanistan und seinen Menschen, wie sie nur die wenigsten seiner Kollegen in den „Qualitätsmedien“ fertigbringen.

Und, es gibt Momente der Hoffnung: „Während der Feiertage des islamischen Opferfests fanden in den letzten Jahren stets Waffenstillstände zwischen den Kriegsparteien statt.“ Warum nicht immer Opferfest, fragt Emran Feroz Taliban-Kämpfer und -Unterhändler gleichermaßen.

Emran Feroz, Der längste Krieg, Westend Verlag Berlin, August 2021, broschiert (auch eBook und Audio-CD), 176 Seiten, ISBN 978-3864893285, Preis: EUR 18.–

Beunruhigende Rhetorik

Die Waffen schweigen in Syrien noch längst nicht: Der Münchner Hoffnungsschimmer vom Freitag auf ein Ende des blutigen Bürgerkriegs wird immer kleiner. Die Kontrahenten Russland und die USA reden zwar miteinander – doch die Rhetorik lässt nichts Gutes erahnen.
München/Moskau (dpa). Die Hoffnungen auf Frieden in Syrien und ein Ende der Massenflucht in Richtung Europa haben am Wochenende einen schweren Dämpfer erhalten. Die am Freitag in München vereinbarte Waffenruhe in dem blutigen Bürgerkrieg und der Beginn der humanitären Hilfen in belagerten Orten waren nicht in Sicht. Stattdessen verstärkte Russland, das Machthaber Baschar al-Assad unterstützt, die Bombenangriffe auf Regimegegner in Syrien.
Nachdem der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew bei der Sicherheitskonferenz in München einen „neuen Kalten Krieg“ beklagt hatte, telefonierten Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama am Sonntag miteinander. Sie hätten ausdrücklich die Einigung auf eine Feuerpause gelobt und weitere Verhandlungen vereinbart, hieß es aus Moskau.
Die Sicherheitskonferenz stand im Zeichen der Ost-West-Konfrontation und gegenseitigen Misstrauens. Medwedew schockte die Teilnehmer mit drastischen Worten: „Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht.“ Russland und die EU hätten ein „verdorbenes Verhältnis“.
Dann schlug er einen anderen Ton an: Angesichts der Konflikte in der Ukraine und in Syrien müsse jetzt wieder Vertrauen aufgebaut werden. Dies sei zwar ein schwieriger Weg. „Aber wir müssen diesen Prozess anfangen. Und da darf es keine Vorbedingungen geben“, sagte Medwedew.
Die USA warnten die Russen davor, zu glauben, sie könnten an der Seite Assads den Bürgerkrieg gewinnen. „Wir sind an einem Scheidepunkt“, sagte US-Außenminister John Kerry.
Moskau müsse auf die Feuerpause hinarbeiten und den Beschuss von Zivilisten einstellen. Bei einem Scheitern der Waffenruhe stünden die USA vor „schwierigen Optionen“. Ob das den Einsatz von Bodentruppen umfasst, sagte Kerry nicht.
Russland, die USA und wichtige Regionalmächte wie der Iran, die Türkei und Saudi-Arabien hatten sich in der Nacht zu Freitag in München auf das Ziel einer Feuerpause in Syrien geeinigt, die innerhalb von einer Woche in Kraft treten soll.
Ausgenommen sind Angriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Zudem soll es schnelle Hilfslieferungen geben.
Dem fünfjährigen Bürgerkrieg sind Hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen, Millionen sind auf der Flucht. Die syrische Opposition warf Assad und Moskau eine „Politik der zwangsweisen Vertreibung“ vor. Er glaube nicht, dass sie eine Waffenruhe wollten, sagte Riad Hidschab vom Hohen Verhandlungskomitees der Regimegegner. „Heute gibt es für die meisten Syrer keinen Hoffnungsschimmer.“
Russland verstärkte seine Luftangriffe im Norden Syriens nach Angaben von Aktivisten weiter. Die Intensität der Angriffe habe am Samstag zugenommen und sei am Sonntag auf hohem Niveau geblieben, berichtete der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur.
Er gehe davon aus, dass dies der Vorbereitung eines weiteren Vormarsches der Regime-Anhänger nördlich der umkämpften Metropole Aleppo diene. Nach Angaben der Menschrechtler starben am Sonntag sieben Zivilisten in der Großstadt Aleppo bei Luftangriffen.
Die Armee und ihre Verbündeten hatten Anfang des Monates mit russischer Luftunterstützung im Norden Syriens große Geländegewinne erzielt. So konnten sie etwa die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der umkämpften Stadt Aleppo in Richtung Türkei kappen.
US-Senator John McCain zweifelt an einer Feuerpause in Syrien. „Herr Putin ist nicht daran interessiert, unser Partner zu sein“, sagte der republikanische Hardliner am Sonntag in München.
Dagegen stellte der russische Außenminister Sergej Lawrow infrage, ob die Amerikaner zu weiteren Schritten bereit seien. Die Chance auf eine Feuerpause schätzte er auf 49 Prozent.
Die Vereinten Nationen warteten auf Sicherheitsgarantien für die Transporte. „Da muss sich jetzt schnell etwas tun“, forderte der Vize-UN-Generalsekretär Jan Eliasson. UN-Schätzungen zufolge sind in 50 belagerten Orten in Syrien etwa 400 000 Menschen eingeschlossen.
Nahe der Grenze zur Türkei beschoss die türkische Armee derweil von syrischen Kurden neu eroberte Gebiete mit ihrer Artillerie – mindestens zwei Kämpfer starben. Die Türkei befürchtet, dass die Kurden, die mit der verbotenen Arbeiterpartei PKK verbunden sind, und ihre Verbündeten die gesamte Grenze zur Türkei unter ihre Kontrolle bringen könnten.
Saudi-Arabien bestätigte zudem, dass es Kampfjets zum türkischen Nato-Stützpunkt Incirlik geschickt habe. Die Maßnahme sei Teil des saudischen Plans, den Kampf gegen die Terrormiliz IS in Syrien zu intensivieren. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu schloss auch einen möglichen Bodeneinsatz der Türkei und Saudi-Arabiens gegen den IS nicht aus.

Straflosigkeit bei sexueller Gewalt muss beendet werden. Von Valentina Ieri

(IPS). Die Straflosigkeit für sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten müsse endlich beendet werden. Das ist die Ansicht von Zainab Hawa Bangura. Bangura ist Sondergesandtin beim UN-Generalsekretär für sexualisierte Gewalt in Kriegsgebieten.

Am 15. April erläuterte sie dem UN-Sicherheitsrat einen Bericht der UN-Führung zum Thema. Vor dem Rat erklärte sie: „Die Geschichte der Vergewaltigung in Kriegsgebieten ist eine Geschichte des Leugnens. Es ist an der Zeit, diese Verbrechen, und diejenigen, die sie begehen, in den Fokus des internationalen Interesses zu bringen.“ Sexualisierte Gewalt und Missbrauch würden im Krieg von Staaten, nichtstaatlichen Akteuren sowie von bewaffneten Rebellengruppen als Werkzeug des Terrors, der Vertreibung der Opfer und zur Schaffung von Machtverhältnissen benutzt.

Der UN-Bericht erkennt zum ersten Mal die Folgen des „Einsatzes von sexualisierter Vergewaltigung als eine Kriegstaktik gegen Frauen, Mädchen, aber auch Männer und Jungen, durch bewaffnete Gruppen“ an. Enthalten ist eine Liste von 45 verdächtigen Konfliktparteien: in Ländern wie dem Irak, Mali, Nigeria, Somalia und Syrien. Analysiert wurde die Lage in 19, von Krieg zerrissenen Ländern in Europa, Afrika, Asien, Südamerika und dem Nahen Osten. Hier wird sexualisierte Gewalt als ein „wahrhaft globales Verbrechen“ beschrieben – in der Form von Missbrauch, Sklaverei sowie erzwungener Ehe und Nacktheit.

Diese Form der Gewalt wird nach Aussage des UN-Berichts auch als ein Instrument für die Diskriminierung von ethnischen und religiösen Minderheiten benutzt. Bevor Zainab Hawa Bangura vor dem UN-Sicherheitsrat sprach, wandte sie sich einige Tage zuvor an die Presse. Sie halte die Einbeziehung von Frauen in friedensschaffende und -erhaltende Maßnahmen für einen starken Schritt, um ihnen die Möglichkeit zu verleihen, ihre Macht und Rolle in Konflikt-Gesellschaften zu erhöhen.

Ihrer Ansicht nach gebe es auch Fortschritte. So habe in den letzten beiden Jahren die internationale Gemeinschaft mit der Afrikanischen Union und der Internationalen Konferenz der Region der Großen Seen (in Ostafrika) zusammengearbeitet – und werde es auch bald mit der Arabischen Liga tun.

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