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Kommentar zum Tag der offenen Moschee (TOM) 2013

(iz). Na also, wir Muslime müssen nicht immer nur reagieren. Wir können auch – wenn wir gut organisiert sind – ein Thema offensiv besetzen. Am Tag der Offenen Moschee ging […]

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Zum Hintergrund der jüngsten Übergriffe auf Moscheen. Interview mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer

(iz). Vor Kurzem wurde bekannt, dass vier Moscheen an unterschiedlichen Orten zum Ziel anti-muslimischer Übergriffe wurden. Trotz muslimischer Stellungnahmen dazu erreichte das ­Thema entgegen der Schwere der Vorgänge nur die Seiten einiger Lokalblätter sowie von Muslimen betriebene Webseiten.

Die IZ sprach mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer über den Zusammenhang zwischen medialer Muslimfeindlichkeit und solchen Übergriffen. Wir fragten nach den Mechanismen der öffentlichen Islamkritik, wollten wissen, wie groß die Fähigkeit zur Selbstkritik unter Deutschlands Qualitätsmedien ist und reflektieren über die Möglich­keit, ob und wie anti-muslimische Webseiten einer stärkeren Kontrolle unterzogen werden. Dr. Schiffer sieht „Zitierzirkel“, die am Fortbestand und der Verfestigung von Vorurteilen beteiligt sind. Abschließend beleuchten wir mit der Expertin die Möglichkeit, ob und wie Muslime Gegenstrategien entwickeln können, solange sie – wie bisher – keine Diskurshoheit in den Mainstreammedien haben.

Islamische Zeitung: Frau Dr. Schiffer, in den letzten Tagen wurde bekannt, dass es Übergriffe auf vier unterschiedliche Moscheegemeinden gab. Viele Muslime sehen Zusammenhänge zwischen solchen Taten und einer medial präsenten „Islamkritik“ unterschiedlicher Färbung. Erkennen Sie als Medienwissenschaftlerin hier einen Zusammenhang?

Dr. Sabine Schiffer: Ja, wir sehen hier einen Zusammenhang und warnen davor bereits seit Langem.

Islamische Zeitung: Wie genau funktioniert dieser Zusammenhang zwischen den Segmenten der medialen Muslimfeindlichkeit und dieser ideologischen Kriminalität?

Dr. Sabine Schiffer: Die so genannte „Islamkritik“, die oft weit über Religionskritik hinausgeht, führt zu einer regelrechten Dämonisierung aller Muslime und schürt Ängste. Sie wird in Teilen der allgemeinen Medien seit Langem, extrem im Internet und jetzt auch auf der Straße in Form von ­Infoständen ausgefochten. Das ist gewissermaßen eine Dauerberieselung, die bei einigen verfängt und Ängste auslöst. Es ist immer wieder so wie das, was wir von den Anschlägen von vor 20 Jahren kennen [Solingen], sodass sich gerade junge Leute aufgefordert fühlen, endlich mal etwas zu tun, während die Alten nur reden. Der Ausgrenzungscharakter ­solcher diffamierenden Debatten wird sehr oft unterschätzt.

Islamische Zeitung: Gilt das für alle Erscheinungen, die unter „Islamkritik“ firmieren, oder gibt es eine Grenze zwischen legitimer Meinung und Diffamierung?

Dr. Sabine Schiffer: Natürlich gibt es solche Grenzen. Die Frage ist aber, ob noch zwischen beidem ­unterschieden wird. Geht es wirklich um Religionskritik? Das ist ja normalerweise kein Thema öffentlicher Debatten. Währenddessen gibt es Muster bei der Äuße­rung bestimmter Themen, deren ­Kritik oft berechtigt ist. Deren Fokus aber ist ein anderer. Sehr oft werden ­allgemeine Missstände wie Gewalt, Terror, Krieg, Frauenunterdrückung oder Antisemitismus, die auf der ganzen Welt zu beklagen sind, einfach Muslimen allein zugewiesen. Derart wird eine kleine Verschwörungstheorie konstruiert, so als müsse man gegen Islam und Muslime vorgehen, um diese Probleme zu beseiti­gen. Hier haben diese Kritik beziehungs­weise die allgemeine Religionsdiffamierung eine Funktion, die man in einem solchen Moment erkennen muss. ­Dabei werden immer wieder zu verallgemeinernde Klischees in den Raum gestellt und wiederholt, sodass ich glaube, dass die öffentliche Debatte ein bisschen kritischer betrachtet werden müsste.

Islamische Zeitung: Jüngst veröffentlichten Medienwissenschaftler Studien, in denen sie das Maß der Selbstkritik in der Medienarbeit untersuchten. Das Ergebnis sah nicht so gut aus… Gibt es Reflexion in Medien, was Veröffentlichungen über den ­Islam auslösen können?

Dr. Sabine Schiffer: So wenig, wie es „den Islam“ gibt, so wenig gibt es „den Journalisten“ oder „die Medien“. Viele stellen selbstkritische Fragen. Aber es gibt auch einige, die dadurch auffallen, dass sie eine ganz starke Tradition einer bestimmten Ausrichtung pflegen. Insofern herrscht ein bisschen der Ruch, dass ja nur über Fakten berichtet werde. Es wird aber nur selten überprüft, ob diese ­Fakten überhaupt relevant für den vorliegenden Sachverhalt sind. Wenn ich dies immer zusammen konstruiere, dann suggeriere ich natürlich Zusammenhänge, die vielleicht bei etwas umfassenderer Betrachtung gar nicht als etwas spezifisch musli­misches oder islamisches erkennbar wären. Hier gibt es Leute, die das reflektie­ren, und es gibt solche, die eine Reflektion verweigern. Sie halten sich für sehr gut informiert und entwickeln daher sowieso eine gewisse Barriere, die Dinge selbstkritisch zu betrachten. Studien belegen dies. Auch die Fähigkeit der Kolle­gen untereinander, in öffentlichen Debatten tatsächlich Dinge und Kollegen in Frage zu stellen, ist gerade in Deutschland eher selten ausgeprägt.

Islamische Zeitung: Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass Behauptungen, die ihren Ursprung in Meinungen haben (wie „der Islam unterdrückt Frauen“) gerade in letzter Zeit zu nicht hinterfragten Fakten geworden sind. Ist das ein Problem?

Dr. Sabine Schiffer: Ja, das ist wohl richtig. Aus Vorurteilen sind inzwischen feste Wissensstrukturen geworden, die dann auch gar nicht mehr hinterfragt werden. Gerade beim Thema Frauen herrscht bei sehr vielen Leuten eine ganz feste Vorstellung. Diese wurde in den letzten Jahren durch derlei Debatten noch weiter verfestigt. Da die Benachtei­ligung von Frauen ein allgemeines Phänomen ist, fehlt zwar die Spezifik, aber entsprechende Beispiele werden trotzdem traditionell Muslimen zugewiesen, weil Muslime im Fokus der Debatte stehen und nicht alle, die Frauen unterdrücken.

Das ist ein Phänomen der Feindbildkonstruktion. Man sollte ganz klar erken­nen, dass wir es hier mit einer tiefsitzen­den rassistischen Struktur zu tun haben, die eben Feindbildcharakter hat.

Islamische Zeitung: Welche Rolle spielen Aktivisten, die öffentlich als Experten oder objektiv schreibende Journalisten wahrgenommen werden?

Dr. Sabine Schiffer: Es gibt natürlich gewisse, zu beobachtende Zitierzirkel, in denen sich kolportierte Meinungen von einflussreichen Leuten ­verselbstständigen, wobei die Gegenstimmen schnell unter­gehen. Insofern haben wir keine gleichwertige Debatte zwischen einzelnen Meinungen, sondern ganz starke Kräfte, die bestimmte Dinge veröffentlichen können; und andere eben nicht.

Andererseits fehlt in Sachen Strafverfolgung von behördlicher und politischer Seite eine Gleichbetrachtung der Dinge. Man sollte alle bedrohten Menschen schützen und nicht nur bestimmte Opfergruppen als solche festlegen, wobei andere nach dem Motto ignoriert werden: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Hier wird ein Potential unterschätzt, dessen extremste Ausformungen sich in Norwegen beobachten ließen.

Islamische Zeitung: Ist es ein Fortschritt, dass bestimmte Landesverfassungsschutzämter anfingen, bestimmte muslimfeindliche Webseiten und Newsgroups zu beobachten?

Dr. Sabine Schiffer: Zunächst ja, aber wenn der oberste Dienstherr des „Verfassungsschutzes“ erklärt, dass man den wichtigsten Hetzblog nicht beobachtet, weil man den Islam nicht lieben müsse, dann ist das natürlich ein ganz starkes Signal. Es wird in den entsprechenden Kreisen wahrgenommen und auch gelobt. Da fühlt man sich bestätigt.

Wir hätten längst aus den Anschlägen vor 20 Jahren lernen müssen, dass solche Äuße­rungen aus der politischen Mitte den rechtsextremen Rand stärken, dass der Rassismus der Mitte die Ränder stärkt und die Extremisten irgendwie ermutigt, dann aktiv zu werden. Wir sehen das an den zunehmenden Anschlägen auf Einrichtungen, die ganz klar als ­muslimische erkennbar sind.

Islamische Zeitung: Sie haben eben vom rechten Rand gesprochen. Oft wird die kritisierte Islamkritik mit den Vokabeln rechts, rechtsextrem oder rechtspopulistisch in Verbindung gebracht. Dieses Phänomen findet sich – Stichwort Kritische Islamkonferenz oder Zentralrat der Ex-Muslime – auch bei Leuten, die gemeinhin als Linke wahrgenommen werden. Ist das nicht ein simples Beschreibungsmuster?

Dr. Sabine Schiffer: Da haben Sie Recht. Die Verlagerung an den rechten Rand suggeriert ein bisschen, dass die Gesellschaft an sich immun sei und funktioniere und dass es nur rechts ein Problem gäbe. Hier handelt es sich auch darum, eine Projektionsfläche zu haben. Wir haben es hier mit einem ganz breiten Phänomen zu tun und das ist genau das Problem, warum es politisch so anschlussfähig ist. Teilweise wird es auch von politischen Gruppierungen und Strömungen ausgenutzt.

Islamische Zeitung: Haben Sie Ratschläge, wie Muslime und/oder ihre Interessenvertretungen im Rahmen eigener Medienstrategien etwas tun können? Sehen Sie hier Potenziale?

Dr. Sabine Schiffer: Ehrlich gesagt sehe ich da kein großes Potenzial, weil sie nicht entscheiden, was in den Mainstreammedien erscheint. So erschien zu den Anschlägen auf die Moscheen nichts beim ZDF oder bei der Tagesschau.

Die Presseerklärung des KRM fand ein Echo bei Lokalzeitungen; ich nehme an, nicht auf deren Titelseiten. Insofern ­haben wir es hier mit einer Diskurshierarchie zu tun. Hier Einfluss zu nehmen, ist sehr, sehr schwierig.

Eine Strategie wären sicherlich, Bündnisse mit rassismuskritischen Organisationen und deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um eine ganz besondere Form von Rassismus handelt, sondern eine wie andere Rassismen auch. Über die Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen lassen sich Leute werben, die diese Problematik jetzt schon ernstnehmen. Ich denke, die Zielgruppe muss ganz klar die Zivilgesellschaft sein, denn von politischer Seite hätten sich bisher schon klare Akzente setzen lassen.

Islamische Zeitung: Angesichts des stellenweise phänomenalen Erfolges, den kleine Teams oder Einzelpersonen haben, auch ohne große Mittel Gegenöffentlichkeit herzustellen, sollte es möglich sein, koordiniert etwas auf die Beine zu stellen…

Dr. Sabine Schiffer: Es bleibt das Problem zu lösen, dass Betroffene sehr oft als unglaubwürdig wahrgenommen werden, da sie ja im eigenen Interesse sprechen. Zudem erkennt das Unterbewusstsein Verneinung nicht, das heißt, dass oftmals eine Wiederholung der Klischees stattfindet – mehr nicht. Hier könnten wir aus dem antisemitischen Diskurs Ende des 19. Jahrhunderts lernen, wie es nicht geht.

Was die neuen Medien anbelangt, gibt es da natürlich Potenziale, aber die nutzen auch andere – und die erreichen nur bestimmte, eingeschränkte Zielgruppen. Wie aber die Mainstreammedien zu gewinnen sind für eine menschenfreundlichere und repräsentativere Darstellung, das bleibt eine wichtige Frage, die wiederum auch andere Themen betrifft.

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Alltag der Muslime: Wie gehen wir mit ethnischen Identitäten um?

„O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ (Al-Hudscharat, 13) […]

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Hansestädte haben die Nase vorn bei Verhandlungen mit Muslimen

Bremen/Köln (iz). Nach der Hansestadt Hamburg ist es wieder eine Hansestadt, die einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften unterzeichnet hat. In Bremen und Bremerhaven sind von nun an islamische Feiertage, die Besetzung einiger, öffentlich-rechtlicher Gremien, Bestattungsrituale oder der Bau von Moscheen vertraglich geregelt.

Mit diesem Staatsvertrag gehört der Islam nun auch zu Bremen. Zuvor hatte Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Islam in die Hansestadt „eingebürgert“.

Zu den Unterzeichnern des Bremer Staatsvertrags gehören neben der Schura Bremen auch der Landesverband der islamischen Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen (DİTİB), unter dem erfolgreichen Vorsitzenden Yılmaz Kılıç aus Melle und der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ). Alle Beteiligten, angefangen vom Bremer Senat über Kirchen, Moscheen und weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen bewerten den Staatsvertrag als einen „Meilenstein“ und wichtige Anerkennung der muslimischen Religionsgemeinschaften sowie ihrer langjährigen, ehrenamtlichen Arbeit.

Den islamischen Religionsgemeinschaften ist es nun gesetzlich erlaubt, Moscheen mit Kuppeln und Minarette zu bauen, sofern diese sich mit den geltenden Baugesetzen vertragen. Außerdem bekennen sich beide Seiten ausdrücklich zur Gleichstellung von Mann und Frau. Dass dieser Punkt in dem Vertragstext ausdrückliche Erwähnung findet, weist auf eine offene Wunde in der Einwanderergesellschaft hin: Noch immer gibt es in den oftmals patriarchalischen Familienstrukturen vieler Muslime, Araber und Türken Defizite bei der geschlechtlichen Gleichstellung.

Dies hat aber im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung in der Mehrheitsgesellschaft überhaupt keine Grundlage in der islamischen Religion. Patriarchalische Gesellschaftsstrukturen und geschlechtliche Diskriminierung haben vorislamische Zusammenhänge, die öffentlich auch klar benannt werden müssen. Kulturelle Eigenschaften mit pseudoreligiösen Merkmalen zu vermischen, bringt die Migrantencommunity nicht voran. Bei der Geschlechtergleichstellung müssen sich viele Muslime noch weiter anstrengen. Der kulturelle, soziale und wirtschaftliche Erfolg der muslimischen Frau sollte die Männer nicht irritieren.

In dem Bremer Vertragstext finden weiterhin Abkommen zu Bestattungen auf öffentlichen Friedhöfen, die Beteiligung in öffentlich-rechtlichen Institutionen, zum Beispiel in den Rundfunkräten sowie die Achtung islamischer Speisevorschriften für die Bremer Muslime Erwähnung. Des Weiteren können sich die Muslime an islamischen Feiertagen wie dem Ramadan-Ende und dem Opferfest unbezahlten Urlaub nehmen und die Kinder vom Schulunterricht befreien lassen. Muslimische Schüler bekommen grundsätzlich frei an den Feiertagen und müssen nicht, wie früher, um Erlaubnis bei der Schulleitung fragen.

Daneben müssen Betriebe ihrem Personal an diesen Tagen die Teilnahme an dem Gebet erlauben, falls seitens des Arbeitgebers keine ernstzunehmenden Gründe dagegen sprechen. Weitere wichtige Fragen, wie etwa der Schwimm- und Religionsunterricht oder die Speisevorschriften auf Klassenfahrten, finden in dem Staatsvertrag keine Erwähnung. Diese müssen aber ebenso schnell geklärt werden.

In dem Stadtstaat (Bremen und Bremerhaven) leben nach Schätzungen etwa 50.000 Muslime. Diese bekommen durch den Vertrag, zwar mehr Rechte, aber auch mehr Pflichten im Alltag. Dennoch bedeutet ein Staatsvertrag noch keinen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Erst dadurch wäre es aber möglich, auf „gemeinsamer Augenhöhe“ zu diskutieren, wie so oft von Integrationsexperten gefordert wird. Erst durch einen Körperschaftsstatus können wichtige Mitspracherechte und nötige Finanzmittel für eine qualitativ wertvolle Arbeit beansprucht werden.

Sie müssen aber auch mehr Finanzmittel bekommen, um die ehrenamtlichen Tätigkeiten zu professionalisieren und geeignete sowie dringend benötigte Fachkräfte einzustellen. Bei der Finanzmittelvergabe und der zukünftigen Einstellungspraxis des Landes Bremen wird sich herausstellen, ob sich Wohlfahrtsverbände, Kirchen und andere öffentlich-rechtliche und zivile Organisationen wirklich über diesen Staatsvertrag freuen und es ernst meinen oder ob dies nur Politik mit Symbolcharakter ist.

Man muss sich nichts vormachen: Es geht hier auch um die Verteilung von knappen Ressourcen. Wo Geld und Macht geteilt werden, muss jeder zu Kompromissen bereit sein. Mit der Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften und der Unterzeichnung des Staatsvertrags kommt ein weiterer „Akteur“ hinzu, den die etablierten Kräfte als Konkurrenz ansehen könnten.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue Situation zu neuen Kooperationen und gegenseitigem Nutzen führen wird; ein Nutzen für die gesamte Gesellschaft. Eine „win-win-Situation“ gewissermaßen, in der alle Seiten profitieren und keiner verliert.

Zum Autor:
Yasin Bas ist Politologe, Historiker, Autor und freier Journalist. Zuletzt erschienen seine Bücher: „Islam in Deutschland – Deutscher Islam?“ sowie „nach-richten: Muslime in den Medien“.

„IZ-Begegnung“ mit dem Kriminologen Charles A. von Denkowski über die fehlende Erfassung anti-muslimischer Straftaten

(iz). Spätestens seit dem 11. September verzeichnen die deutschen Muslime regelmäßig die verschiedensten Formen anti-mus­­limischer Straftaten. Von Pöbeleien, über Schmierereien, Wandalismus, bis zu tätlichen An­griffen und Brandstiftungen, all das ist leider Realität in unserem Land. Um das Problem zu lösen, braucht es aber neue Kategorien bei der Erfassung dieser Kriminalität, meint der Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Charles A. von Denkowski im Gespräch mit der IZ.

Er betreibt die Hannoveraner Firma Crime Prevention Solutions, welche Kriminalprävention und kriminologische Forschung sowie kriminalitätsbezogene Beratung als Dienstleistungen anbietet. Nach dem 11. September leistete er als kriminalpolizeilicher Ermittler im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Dienst. Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit lehrt praktizierende Katholik und Experte an zwei ­Universitäten.

Islamische Zeitung: Seit mindestens zehn Jahren verzeichnen muslimische Organisationen und Dachverbände stetig auftretende Übergriffe gegen Muslime beziehungs­weise gegen Einrichtungen wie Moscheen. Warum werden diese Handlungen nicht als eigenständige Kategorie bei Straftaten erfasst?

Charles A. von Denkowski: Es fehlt der politische Wille. Das wäre ohne Weiteres möglich, da antisemitisch motivierte Delikte seit rund zehn Jahren auch erfasst werden. Im so genannten Definitionssystem politische motivierte Krimina­lität, Kriminalpolizeilicher Meldedienst (KPMD), könnte man das, da es eine Angelegenheit von Bund und Ländern ist, von Unterkommission Staatsschutz (K-Staatsschutz) der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Kriminalpolizei (AG Kripo) des Bundesinnenministeriums organisieren lassen, sodass die Länder entsprechende Fälle statistisch erfassen und der Bund eine zentrale Datensammlung aufbereitet. Man muss sich dabei in Bund und Ländern auf eine gemeinsame Kate­gorie für die Phänomene „Muslimfeindlichkeit“ oder „Islamfeindlichkeit“ verständigen, damit die kriminalstatistische Erfassung bundesweit einheitlich erfolgt.

Wir hätten dann aber nur Daten im so genannten „Hellfeld“ der ­Kriminalität. Allerdings kennen wir die Belastung im „Dunkelfeld“, der Anzahl der nicht bei der Polizei angezeigten beziehungsweise von nicht im KPMD-registrierten ­Delikte auch mit so einer Statistik nicht. Wir bräuchten zusätzlich kriminologische Dunkelfeld-Forschung über die Opferwerdung von Muslimen durch islamfeindliche oder muslimfeindliche motivierte Kriminalität.

Islamische Zeitung: Wie viele gibt es? Könnten Sie diese beziffern?

Charles A. von Denkowski: Nein, aufgrund der mangelnden Datenquellen und der völligen Unerforschtheit dieses Phänomenbereichs kann ich das nicht.

Islamische Zeitung: Was wäre von muslimischer Seite für die Erfassung solcher Straftaten nötig? Bräuchten diese ein Netzwerk, das sie erfasst?

Charles A. von Denkowski: Letzteres klingt interessant. Aber es würde dennoch eine zentrale Erfassung benötigen. Wie gesagt: Es gibt in der Kriminalitäts­statistik keine Kategorie dafür, in der ­solche Delikte spezifisch erfasst werden; sondern nur als entsprechend „fremden­feindlich“ motiviert. Es gibt eben keine Kategorie „islamfeindlich“ oder „muslim­feindlich“, ich möchte dieses erneut betonen. Zur Illustration ein Beispiel:

Stellen Sie sich vor, dass eine deutsche Rechtsanwältin, die Muslimin ist – konvertiert oder deutsche Staatsbürgerin mit Migrationshintergrund –, angegriffen oder mit einem Schimpfwort im Kontext des Wortes „Muslimin“ beschimpft wird und dann Anzeige erstattet. Weil sie keine Ausländerin ist, ergibt die Einstufung dieser Strafanzeige als „fremdenfeindlich“ keinen statistischen Sinn. Der Aussagegehalt des KPMD-PMK wird mit solche Fällen völlig verfälscht. Es finden sich darin keine muslimfeind­lich motivierten Delikte. Und doch werden sie angezeigt und diese Anzeigen erfahren auch eine Einstufung. Nur eben völlig unspezifisch. Das ist weder sachge­recht und es trifft nicht die Motivation mancher Täter.

Noch einmal: Es gibt nach dem 11. September 2001 ein gesellschaftliches Phänomen der öffentlichen Islamkritik, aber auch muslimfeindliche Straftaten, über die einige Moscheen ­Fallmeldungen gesammelt haben. Doch das reicht nicht aus.

Islamische Zeitung: Wo sehen Sie den Übergang zum Verhalten? Wann ist die Grenze erreicht, ab der man von antimuslimischen Straftaten sprechen kann?

Charles A. von Denkowski: Diese Grenze definiert unser Strafgesetzbuch. Verhalten, welches kriminalisiert ist, stellt eine entsprechende Straftat dar, eben eine Handlung von strafwürdigem Unwertge­halt. Von der Meinungs- oder Kunstfrei­heit rein rechtlich gewährleistete und daher zulässige Islamkritik grenzt sich – wie alle Kritik an Religionen – von Straftaten­beständen ab.

Islamische Zeitung: Nun gibt es ja im angelsächsischen Raum Konzepte wie „hate speech“ oder „hate crime“…

Charles A. von Denkowski: Würden wir Muslimfeindlichkeit unter „Hasskriminalität“ erfassen, dann müssten wir auch Angriffe auf Buddhisten erfassen. Das ist wiederum nicht spezifisch genug. Mir ist von in Deutschland erfolgenden Angriffen auf öffentlich als solche erkennbaren Buddhisten nichts bekannt. Sicherlich kann ein Mönch in safrangel­ber Robe öffentlich beleidigt werden, doch Angriffe auf Tempel sind mir nicht bekannt, dafür aber Angriffe auf Moscheen und das Senden von ­Hassbriefen und Drohschreiben an diese. Sie stehen meiner Ansicht nach im Kontext der nach dem 11. September 2001 politisch von einigen Kreisen – übrigens aller Sparten, so genannter linker und rechtskonservativer Interessengruppen – immer wieder in Schüben initiierten Islamdebatte, welche pseudowissenschaftlich geführt wird und in Wahrheit gruppenbezogen menschenfeindlich motiviert ist. Zulässige und für unsere gesellschaftliche Entwicklung notwendige Religionskritik sieht dagegen anders aus, als den Begriff „Kopftuchmädchen“ zu verwenden, wie ein bekannter ehemaliger Berli­ner Finanzsenator es in einem seiner pseudowissenschaftlichen Werke tat, was schlichtweg menschenfeindlich und die Würde dieser Frauen verletzend ist.

Islamische Zeitung: Ließe sich denn eine Entwicklungskette, beispielsweise bei einem Internetblog, nachzeichnen, wo „hate speech“ in tatsächliche Straftaten mündet. Viele Muslime in Deutschland sind besorgt, dass dieser Übergang hier viel zu selten kritisch beleuchtet wird…

Charles A. von Denkowski: Die verfassungsrechtlich garantierte Grauzone im Rahmen von Artikel 5 unseres Grundgesetzes, ist – bildlich gesprochen – ein Teil unserer Meinungsfreiheit. Diese werden wir – manchmal leider – ertragen müssen. Das zeichnet unseren Staat aus, beispielsweise im Gegensatz zur DDR. Oder zu den heutigen Verhältnissen in China, Nordkorea oder dem Iran…

Islamische Zeitung: Es besteht aber in Deutschland nicht nur bei Muslimen die Vermutung, dass es ein relativ ungehindertes Ausufern einer bestimmten Rhetorik gibt…

Charles A. von Denkowski: Ich stimme Ihnen zu, dass ausufernde Islamkritik der gesellschaftlichen Kohäsion keinesfalls förderlich ist. Hier kann eine Art geistiger Brandstiftung geschehen. Sie ist aber nicht zu bestrafen, weil wir sonst keinen freiheitlichen Staat mehr haben. Es ist unheimlich wichtig, das auszuhalten, und mit Hilfe von Stellungnahmen deutscher Muslime dagegen vorzugehen. Es sollte sich zudem ein Bund muslimischer Polizeibeamter gründen, der nach Außen hin vertritt, dass auch Muslime in der Polizei tätig sind und sich zu solchen Dingen dann fachlich – politisch neutral – äußern.

Diese Beispiele zeigen: Die deutsche muslimische Community ist gefordert, sich sachlich im Rahmen des Rechts als Betroffene zu zeigen und möglichst sachlich – das ist zu betonen – Stellung zu beziehen. Wir haben ein großes Spektrum an Meinungsfreiheit und ein ­solches Verhalten ist auszuhalten, solange es keine strafrechtlichen Grenzen berührt sind. Dass dieses konsequent religiösen Menschen sehr schwer fallen mag, verstehe ich. Aber das Aushalten dieser nicht strafrechtlich relevanten Inhalte der Islamdebatte – etwa die widerlichen Karikaturen vom heiligen Propheten Mohammed – es weist auf den Status der Integration auch strenggläubiger Muslime hin. Sie sollten daher friedlich dagegen demonstrieren und Medienarbeit betreiben. Diese könnte die Urheber ­dieser Karikaturen in sachlicher Weise als für unser Zusammenleben als nicht förderlich darstellen, da der Glaube einer Minderheit durch diese Karikaturen angegriffen wird. Folgt man Gottes Idee für den Umgang mit solchen Herausforderungen an uns Gläubige, so sollte ­diesen Feinden des Glaubens gegenüber friedlich und mit Sanftmut reagiert werden. Das allein ist im Sinne unseres einen abrahamitischen Gottes.

Islamische Zeitung: Lässt sich das Milieu der Straftäter eindeutig einordnen? Ich habe erfahren, dass ein deutsch-arabischer Student wegen seines Palästinensertuches ein paar Häuserblocks von so genannten anti-deutschen Linken gejagt wurde.

Charles A. von Denkowski: Das ist ein sehr interessanter Fall und ein weiterer Grund, warum wir die erwähnte Dunkelfeld-Forschung brauchen. Es handelt sich bei Muslimfeindlichkeit um ein sehr differenziertes Kriminalitätsphänomen. Ich werde meinen Studierenden dazu auch damit verwandte Themen für Bachelor-Arbeiten anbieten und wenigs­tens auf dieser Ebene mittelbar Forschung betreiben. Doch die deutsche Kriminologie sollte sich über den Weg von Promotionsvorhaben und Forschungsprojekten der Muslimfeindlichkeit und ihren verschiedenen Tätertypologien annehmen. Auch aus dem so genannten linken politischen Bereich heraus, wenn man die Begriffe links und rechts benutzen möchte, ereignen sich durchaus Straftaten gegen Muslime. Genauso wie es sein kann, dass ein sich politisch links verortender, sehr palästinaorientierter Mensch jemanden mit einem Davidstern in der U-Bahn angeht, weil dieser angeblich für die so genannte zionistische Politik Isra­els stünde.

Fazit: Wir haben hier eine sehr differenziert zu betrachtende politische Situation und eine Auseinandersetzung divergierender politischer Meinungen, die teilweise mit Straftaten ausgetragen wird. Daher brauchen wir, ich wiederhole es erneut, eine differenzierte Erfassung muslimfeindlicher Delikte und zudem eine kriminologische Erforschung dieses Phänomens. Hier könnte man analysieren, mit welcher Tatmotivation Täter vorge­hen und aus welcher politischen Richtung das kommt. Es könnte sich auch um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ohne bestimmten politischen Einschlag handeln. Es sind also diverse Tätermotivationen denkbar.

Islamische Zeitung: Stichwort Bonn, bedauerlicherweise gibt es auch auf muslimischer Seite radikale Gruppierungen und Einzelpersonen. Schaukeln sich hier die Extreme beider Seiten gegenseitig auf?

Charles A. von Denkowski: Seit 9/11 meine ich, genau diesen Aufschaukelungseffekt beobachten zu können. So etwas gab es zuvor nicht. Die Attraktivi­tät des Salafismus für Jugendliche – teils für solche mit Migrationshintergrund, teils für deutschstämmige – ist neu. Das ist eine gefährliche Projektionsfläche, da der Weg in den Dschihadismus drohen kann. An dieser Stelle sind die muslimischen Verbände gefragt, mit kre­ativer ­Jugendarbeit solche von einer Radikalisierung gefährdeten Jugendlichen anzu­spre­chen. Dazu muss ein den mit zumeist älteren Herren besetzten Vorständen von Moscheegemeinden ein Um­denken erfolgen.

Dazu ein Beispiel: Ich habe gerade mit meinen Studenten des von mir an der Universität Vechta gelehrten Seminars Islam und Integration eine Moschee der Ditib besucht und dort sehr intensive, gastfreundliche Aufnahme sowie eine intensive Führung sowie theologische Einführung in den sunnitischen Islam erfah­ren. Wir konnten unsere gegensätzlichen religiösen Positionen, aber auch Gemein­samkeiten, sehr differenziert darstellen. Das umfasste auch, nur so ist Wissenschaft möglich, höflich gestellte kritische Fragen. Es waren Christen und ­Atheisten unter den Studierenden dabei – ich selbst bin praktizierender Katholik – und eben unsere muslimischen Gastgeber. Wir haben alle unsere Identität bewahrt, und trotzdem konnten wir uns über Gemein­samkeiten und Unterschiede verständigen. Das ist möglich. Auch sachliches Hinterfragen strenger Religionsauffassungen aller Konfessionen ist zum ­einen grundgesetzlich gestattet, zum anderen für unseren gesellschaftlichen Diskurs wichtig – denn nicht nur Gläubige ­leben hier miteinander. Insoweit war dieser Besuch ein voller Erfolg. Aber: Ich stellte fest, dass es an der Jugendarbeit mangelte. Das ist verbesserungswürdig.

Die islamischen Verbände müssen auf die jugendbezogenen Werbestrategien der Salafisten, etwa um Pierre Vogel, reagieren. Man könnte von seiner Rekrutie­rungstaktik auch ein wenig lernen. Denn muslimische Jugendliche anzusprechen können nicht nur außerhalb der Gemein­den laufende Projekte, wie etwa JUMA in Berlin, leisten. Jugendarbeit ist zuvör­derst eine Aufgabe der Moscheegemeinden. Hier stellt sich die Frage an die muslimischen Verbände in Deutschland! Mein Rat ist – und meine Firma steht hier auch gerne pro bono als Consulting­büro zur Unterstützung der Umsetzung bereit: Die muslimische Jugendarbeit muss zum einen in die deutsche nicht-muslimische Gesellschaft hinein ausgerichtet sein. Zum anderen muss sie ein nachhaltig bindendes Angebot schaffen, um zu verhindern, dass jugendliche Muslime sich an einem aufgrund seiner Radi­kalität und seiner Subkulturcodes extre­mistischen Islamverständnis, etwa an dem der Salafisten, orientieren. Die Jugendlichen, die im Islam Halt suchen, müssen dazu zuerst von den Moscheen vor Ort angesprochen werden, um sie dort sinnvoll zu integrieren. Dazu bedarf es ausgebildeter Jugendleiter – in jeder Moschee! Jede katholische oder evangelische Gemeinde, so denn junge Menschen in ihrer Gemeinde leben, betreibt bewusst Jugendarbeit. Auch das Internet ist wichtig – jede Moschee muss eine Webseite (auch in deutscher Sprache!) haben, die auch Jugendliche gezielt anspricht.

Islamische Zeitung: Was können betroffene Muslime in Ermangelung der erwähnten Erfassung antimuslimischer Straftaten jetzt tun?

Charles A. von Denkowski: Zuerst einmal Strafanzeige erstatten… Ich denke schon, dass die islamischen ­Verbände – weil nicht abzusehen ist, ob die Erfassung des KPMD PMK geändert wird – eine zentrale Erfassung zunächst intern initiieren sollten. Man sollte aber aufpas­sen, sich in der Außenwahrnehmung nicht in eine Opferrolle zu manövrieren. Wird das zu sehr postuliert, kann man sich auch öffentlich zum Opfer ­stilisieren, dem der Staat nicht helfen will. Davor warne ich!

Vor allem im letzten Jahr waren immer wieder muslimfeindliche Vorfälle Gegenstand von Medienberichten. In Berlin war dies im letzten Jahr sehr extrem, bedenkt man die Angriffe auf die am Columbiadamm befindliche Moschee. Ich denke, dass Muslime auf jeden Fall Anzeige erstatten müssen. Wir brauchen zudem die Dunkelfeld-Forschung; auch ohne reformierte KPMD-PMK-Statistik, wenn es nicht anders geht. Hier ließe sich überlegen, ob nicht sehr wohlhabende Muslime Kriminologen unterstützen, um ein solches Forschungsprojekt durch Spenden zu ermög­lichen. So könnte man sich dem Phäno­men auch mit den Mitteln der qualitati­ven Sozialforschung annähern, um den Kontext der Opferwerdung und diese Vorfälle im Allgemeinen zu verstehen. Es gilt zu fragen: Wie sieht die Täter-Opfer-Konstellation bei Geschlecht und Alter aus? Handelte es sich um Alltagssituationen? Erhielten Moscheen Hassbriefe? Wenn ja, welche Inhalte weisen diese auf? Wurden Scheiben eingeschlagen? Wurden muslimische Passanten, beispielsweise beim Aussteigen aus ­einem Bus, durch Anrempeln oder feindliche Bemerkungen angegangen?

Meine Firma steht für die Beratung des Forschungsdesigns eines solchen Projektes gerne pro bono zur Verfügung.

Islamische Zeitung: Lieber Herr von Denkowski, wir bedanken uns für das Gespräch.

Aufklären und mobilisieren! Umweltschutz und fairer Handel in Moscheen und „Kulturzentren“

(iz). Green Up My Local Community!“, so lautet der Slogan einer europaweiten Kampagne, die von der FEMYSO (Forum of European Muslim Youth and Students Orga­nization) und MADE in Europe ­initiiert […]

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Gedanken eines Schweizer Muslims über das Warum und Wie einer echten Einladung zum Islam

(iz). Seit dem Jahr 1970 hat sich die Demographie Europas drastisch geändert. Als ich 1972 Muslim wurde, gab es in der deutschen Schweiz relativ ­wenig Muslime. Die Mehrheit stammte aus […]

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Eine deutsche Tradition: Muslime laden zum „Tag der offenen Moschee“. Von Christoph Schmidt

(KNA). Für Ali Kizilkaya geben sich unerfreuliche Themen derzeit die Klinke in die Hand. Die Beschneidungsdebatte, die Krawalle um ein provozierendes, antimuslimisches Video oder die Plakataktion des Bundesinnenministers gegen „Islamismus“ erzeugen täglich Schlagzeilen, die der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland (KRM) lieber nicht lesen würde.
„Der Islam wird immer noch von zu vielen Menschen als Problem wahrgenommen, nicht als Teil dieser Gesellschaft“, meint er. Wenigstens am „Tag der offenen Moschee“ (TOM) an diesem Mittwoch soll das anders sein. Mehr als 600 Moscheegemeinden der vier im KRM zusammengeschlossenen Verbände öffnen ihre Pforten, um mit nichtmuslimischen Nachbarn ins Gespräch zu kommen. „Wir wollen informieren und diskutieren“, sagt Kizilkaya.
Schon zum 16. Mal laden die Muslime in ihre Gebetshäuser ein – stets hochsymbolisch am Tag der deutschen Einheit. Darin stecken wohl zwei Botschaften: Wir identifizieren uns mit diesem Land, ist die eine. Wir fordern einen gleichberechtigten Platz in dieser Gesellschaft, die andere. Die Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft vergleichbar den Kirchen scheiterte bisher an formalen Kriterien des deutschen Religionsverfassungsrechts.
Mehr als 2.800 Moscheen stehen in Deutschland, oft kaum als solche erkennbar in Wohn- oder Lagerhäusern gelegen. Doch schon beinahe jede zehnte trägt ein klassisch-islamisches Antlitz, häufig in osmanischer Bauweise mit Kuppel und einem oder mehreren – in der Regel gestutzten – Minaretten. Seit die Bauwelle in den 1990er Jahren begann, erzeugen die repräsentativen Gotteshäuser wie die Religion, für die sie stehen, bei vielen Ängste und Widerstand. Daran konnte „TOM“ als „Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit“ offenbar nur wenig ändern. Umfragen zeigen: Über die Hälfte der Deutschen empfindet Vorbehalte oder gar Abneigung gegen den Islam. „Wir befinden uns in einem sehr langsamen Prozess hin zu einem echten Miteinander“, so Kizilkaya.
Moscheen als Brücken zwischen den Kulturen, der Koran als ewig gültiges Buch und Mohammed als barmherziger Prophet waren Mottos der vergangenen „TOMs“. In diesem Jahr geht es um „Islamische Kunst und Kultur“. Ihr Reichtum sei den wenigsten Nichtmuslimen bekannt, sagt der KRM-Sprecher. Vorträge über arabische Literatur und Wissenschaft, türkische und arabische Musikvorführungen und Ausstellungen zu islamischer Kalligraphie und Ornamentik stehen bundesweit auf dem Programm. Dabei geht es den Veranstaltern um mehr als unpolitische Folklore.
Die Fülle und Lebensbejahung islamischer Kultur soll das Klischee vom strengen, weltabgewandten Islam widerlegen. Gleichzeitig betonen die Veranstalter, dass der Koran und das Leben des Propheten Mohammed die Inspirationsquellen der islamischen Kunst und Wissenschaft sind. Wer nur „Tausendundeine Nacht“ sucht, wird also nicht viel verstehen, denn ohne ein bisschen theologisches Interesse bleibt einem die „Welt des Orient“ verschlossen. Diskussionen über die Freiheit der Kunst seien aber willkommen, verspricht Ali Kizilkaya.
Die Gemeinden erwarten auch in diesem Jahr wieder rund 100.000 Besucher. Bei Führungen erklären sie die Grundlagen des Islam und die Funktion der einzelnen Moscheeelemente. Das ehrfürchtige Flüstern, wie man es aus Kirchen kennt, wird die Akustik dabei nicht erschweren: Moscheen sind keine sakralen Dunkelkammern, sondern waren immer auch Treffpunkte des sozialen Lebens, von dem Gebet und Gottesdienst nur ein Teil sind. „Unsere Gäste sollten nur geziemende Kleidung tragen und die Betenden nicht stören“, bitte Kizilkaya. „Ansonsten brauchen sie nichts zu beachten.“

Trotz Dialog: Kirchen sollen nicht in Moscheen umgewandelt werden dürfen. Von Ali Kocaman

Trotz vieler Beteuerungen im interreligiösen Dialog trägt dieser im Alltag nicht immer Früchte. Immer noch wehren sich Vertreter der großen Kirchen gegen den Verkauf ihrer Immobilien an ­muslimische Gemeinden.

(IZ/Agenturen). Der „interreligiöse Dialog“ gehört seit Langem zum Alltags­geschäft großer Kirchen. Anfänglich zwischen den dominanten christ­lichen Konfessionen und jüdischen Gemeinden geführt, wurde er bereits vor ge­raumer Zeit auch auf die deutschen Mus­lime ausgeweitet. Trotz diverser Großtref­fen und öffentlicher Beteuerungen ­fragen sich nicht wenige Muslime, welche konkrete Früchte er – jenseits medien­wirk­samer Auftritte – getragen hat. Werden Muslime öffentlich angegriffen oder sind Medienkampagnen ausgesetzt, sind es nur selten ihre Dialogpartner, die öffentlich für sie eintreten.

Am 21. Juni nahmen Spitzenvertreter des Koordinationsrates der Muslim (KRM) und der Evangelischen Kirche (EKD) einen erneuten Anlauf, ihr seit mehr als drei Jahren angespanntes Verhältnis wieder zu verbessern. Nach Angaben des turnusmäßigen KRM-Sprechers Kizilkaya habe das Treffen in einer „ausgesprochen herzlichen und offenen Atmosphäre stattgefunden“. Ganz wichtig sei, dass „wir heute konkret verabredet haben, eine verbindliche Arbeitsebene zu etablieren“. Zu erheblichen Differenzen zwischen EKD und KRM kam es ab 2006 nach dem EKD-Papier „Klarheit und gute Nachbarschaft“, das unter Ägide des damaligen EKD-Chefs Huber und mit Beteiligung evangelikaler Hardliner entstand.

Prüfstein der guten Absichten können offenkundig nicht die vollmundigen Erklärungen sein, sondern konkrete Handlungsweisen im Alltag. Eine der Stolperfallen ist die Frage, ob und wie ehemalige Kirchengebäude zu religiösen Zwecken an muslimische Gemeinden verkauft werden dürfen. Die Stimmung in dieser Frage – sowohl bei Kirchenbürokratie wie bei lokalen Gemeinden – ist stellenweise deutlich ablehnend. Ob diese Haltung allerdings angesichts des demographischen Niedergangs durchgehalten werden kann, ist noch unentschieden.

Trotz eindeutiger Stellungnahmen (wie beispielsweise in der EKD-Handreichung) oder bei aktuellen Fällen ist die Wirklichkeit durchaus ambivalent. So hat im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg die dortige Türkisch-Islamische Gemeinde das Gebäude der einstigen Neuapostolischen Kirche übernommen. Und in Berlin gibt es mindestens fünf muslimische Gemeinden, die ihre Moscheen nun in ehemaligen Kirchen haben.

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Hintergrund: Über das Verhältnis westeuropäischer Staaten zu den Moscheen. Von Jonathan Laurence

Die Beziehungen zwischen Staat und Moscheegemeinden in Westeuropa ­haben sich in den letzten 15 Jahren erkennbar weiter entwickelt.
(CGNews). Etwas mehr als ein Prozent aller weltweiten Muslime, rund 1,5 Mil­liarde Menschen, leben in Westeuropa. Ungeachtet dessen hat diese Minderheit eine überproportionale Wirkung auf Religion und Politik in ­ihrer neuen Heimat. In nur 50 Jahren wuchs die muslimische Bevölkerung von einigen zehntausend auf 16 oder 17 Millionen in 2010 an – schätzungsweise jeder 25. Westeuropäer.
Auf der einen Seite wächst die Vorstellung unter einheimischen Europäern, dass dem Islam – der einstmals ungehin­dert im Nachkriegseuropa wachsen durfte – Einhalt geboten werden müsse. ­Diese Weltsicht fordert von den Europäern, dass sie aus ihrem Schlaf aufwachen und „Eurabien“ besiegen. Als Gegenentwurf zu diesem Narrativ gibt es die Meinung, wie sie von einigen muslimischen Vertre­tern vertreten wird, wonach die europä­ischen Regierungen grundsätzlich repres­siv und intolerant gegenüber Vielfalt eingestellt seien.
Beide Sichtweisen sind unangemessen und – was noch wichtiger ist – verpassen den breiteren Trend, der vor Ort abläuft.
Europäer und Muslime haben in den letzten zehn Jahren erfolgreich ­verhandelt und sich aneinander angepasst. Dies wurde durch verschiedene, entscheidende Momente bestätigt. In dem, was alltägli­che, aber trotzdem entscheidende Bereiche für religiöse Integration zu sein scheinen, sprechen muslimische Gemeinschaf­ten und europäische Regierungen miteinander und handeln gemeinsam. Dazu zählen Moscheebauten, die Ausbildung von Imamen und Seelsorgern, die Verfügbarkeit von Halal-Lebensmitteln und die Vergabe von Hadschvisen.
Vergleichen wir dies mit der ­Situation vor 10 oder 15 Jahren, als der Islam in der Innenpolitik bei europäischen Politi­kern und der Bürokratie im Wesentlichen unbekannt war. Insofern religiöse Fragen tangiert wurden, war dies die Zo­ne der Einwanderungsbehörden und der Diplomatie – nicht von Parlamenten und Innenministerien. Die Organisationen der islamischen Gemeinschaften in den [west-]europäischen Städten ­reflektierten diesen Zustand. Weit entfernt davon, organisch in ihrer lokalen, europäischen Kultur und Politik verwurzelt zu sein, waren sie immer noch von ausländischen Regierung und internationalen NGOs dominiert.
Mittlerweile erwächst eine neue Landschaft, in der muslimischen Verantwort­liche in steigendem Maße ihren Platz in Gesellschaft und den Institutionen ­ihrer Aufnahmeländer finden. Ein ­neuer poli­tischer Konsens – und die ­entsprechende Verwaltungspraxis – fasst Fuß. Dies reflektiert die sich ausbreitende, pragmatis­che Anerkennung der ununkehrbaren muslimischen Präsenz in [West-]Europa.
Die Periode zwischen der Mitte der 1990er und der Mitte der 2000er Jahre war eine Phase des größten Wachstums in der Beziehung zwischen dem Islam und den europäischen Staaten. Das eindrücklichste Beispiel einer europaweiten Bewegung hin zu einer Integration des Islam kam mit der Entwicklung nationa­ler Beratungsgremien. Vorbei waren die adhoc getroffenen Entscheidungen bezüglich jener Fragen, die sich muslimischen Gemeinschaften stellten. Vorbei sind die Arbeitsgruppen der vorangegan­genen Jahrzehnte, die zwischen den Ministerien gebildet wurden. Ersetzt wurden sie durch den Aufbau kooperativer Institutionen und Einrichtungen von Stellen zur Klärung der staatlichen Beziehungen mit den Moscheen.
Quer durch Europa war einer der Höhepunkte die institutionelle Anerkennung und Heimischwerdung des Islam die Form zentraler Gremien. Führungsgremien wie der Französische Rat für den Muslimischen Glauben, der Spanische Islamrat, Deutschlands Islamkonferenz und das italienische Islamkomitee ­halfen bei der Lösung praktischer Fragen zur religiösen Infrastruktur mit. Diese reichen von der Einrichtung von Plätzen für Imame und Seelsorgern in öffentlichen Institutionen über die Regulierung von Moscheen, der religiösen Bildung bis zu Halal-Lebensmitteln und Visen für die Hadsch.
Während diese neue Realität anhält, entsteht eine neue Ordnung der Gemein­schaftsführung und der Imame. Eine, die sich stärker mit lokalen Gesellschaften mischt und besser vertraut ist mit den pluralistischen Systemen der Beziehungen von Staat und Islam, den ­kulturellen Normen Europas sowie den einheimischen Sprachen. Dazu gehören Muslime mit unterschiedlichen Hintergründen, aber auch Nichtmuslime. Während muslimische Organisationen sich ihren Weg durch die Institutionen bahnen, die die Religionsausübung bestimmen, können Behörden die Chancen zu Beratungen nutzen, aber auch strukturelle Anreize für den interreligiösen Dialog und die Sicherheitspartnerschaft mit lokalen Vertre­tern bereitstellen.
Organisationen und Führungsgremien, die zuvor ausschließlich jenseits der europäischen Grenzen auf der Suche nach islamischer Autorität und Authentizität waren, gewinnen langsam an einheimischen, institutionellen Bezügen.
Es gibt immer noch viel Raum für Verbesserungen, innerhalb neuer Zonen der Vermittlung. Aber dazu wird es nur kommen, wenn die Zugewinne des letzten Jahrzehnts nicht dem übersteigerten Pessimismus einer negativen Erzählung über die Zukunft der europäischen Muslime geopfert werden. Soll dieser Prozess andauern, müssen beide „Seiten“ nach oben schauen und im Geiste erkennen, dass ihnen der Himmel nicht auf den Kopf fällt.
Jonathan Laurence ist Außerordentlicher ­Professor für Politikwissenschaften am ­Boston College und Gastdozent am Brookings Insti­tute. Sein jüngstes Buch heißt ­“The ­Eman­cipation of Europe’s Muslims“.