Chinas Uiguren haben keine starken Freunde

(IPS//IZ/GfbV). Seit Jahren ist die Autonome Uigurische Provinz Xinkiang in Chinas trockenem Nordwesten die Arena für Zusammenstöße mit der Zentralregierung sowie zwischen Gewalt von Han-Chinesen gegen die muslimischen Uiguren. Kritiker […]

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Ein Kommentar von Sulaiman Wilms auf randalierende Jungmänner in Europas Vorstädten

(iz). Es scheint Normalität zu sein, dass es in hochentwickelten Staaten West- und Nordeuropas sporadische Gewaltausbrüche mehrheitlich migrantischer Jungmänner gibt. Jüngst traf es Vororte der Hauptstadt Schwedens. Eigentlich eines der sozialstaatlichen Musterländer Europas.

„Imren Hafif wohnt direkt gegenüber ihrer Montessorischule im Stockholmer Stadtteil Kista. ‘Meine Mama weckte mich letzte Nacht auf‘, sagt die 13-Jährige. ‘Sie schrie, dass die Schule gegenüber brennt.‘ (…) ‘Die Flammen waren sehr groß‘, berichtet das Mädchen“, begann die Wochenzeitung „Die ZEIT“ ihren Bericht. Warum nun gerade eine Schule, ein Mittel für Bildung, brennen musste, ließen die Reporter unbeantwortet.

Neben Eilmeldungen wird auch die sozialarbeiterische Erklärung mitgeliefert, die in den letzten Jahren fast gleichartig klang: Junge „Migranten“ werden diskriminiert, sind chancenlos und könnten nicht an den Segnungen des Sozialstaats (und das in Schweden!) „partizipieren“, wie es im Jargon heißt. Oft wird das vermeintliche Versagen des mütterlichen – oder strafenden – Gemeinwesens entweder mit Forderungen nach mehr Sozialstaat oder Repression beantwortet. Nach dem Motto: Wenn die bisherige Dosis nicht hilft, müssen wir sie steigern.

Dabei enthält diese Denkweise im Kern einen infamen Vorwurf: Wirtschaftliche oder soziale Probleme, die nicht gelöst sind, führen bei den Betroffenen zu Gewalt. Diese seien – ein wirklich simpler Gedankengang – gar nicht anders in der Lage, auf Widrigkeiten zu reagieren. Modelle der Selbsthilfe oder des gesellschaftlichen Engagements werden scheinbar nicht mehr in Betracht gezogen.

Wäre diese Logik wahr, dann stünden die ersten Generationen der Einwanderer, die jahrzehntelang knochenhart arbeiteten und keine „Partizipation“ hatten, im Zentrum solcher Krawalle. Dies ist aber nicht der Fall, ist doch diese Generation der muslimischen „Gastarbeiter“ rechtstreu und wirkt stabilisierend auf ein Gemeinwesen. Auch müsste es in viel ärmeren Gebieten wie Indonesien zu Daueraufständen kommen, was es aber nicht tut.

Der Zusammenbruch des sozialen Zusammenhalts und die Missachtung elementarer Verhaltensweisen steht im Widerspruch zum islamischen Ethos, in dem Arme nicht als Problemfall abgestempelt werden. Wirkliche Armut – nicht die stellenweise eingebildete mit Flachbildschirm – war in muslimischen Hochzivilisationen keine Schande und kein Ausschlussmerkmal. Sagte doch unser Prophet, dass er nur um der Armen willen entsandt wurde. Und in den spirituellen Traditionen des Islam ist der „Faqir“, der Arme, kein Schimpfwort, sondern ein Ehrentitel.

Vielleicht hilft auch ein Blick auf das Werk des heute wieder aktuellen Hans Fallada. In „Kleiner Mann – was nun?“ und vor dem Hintergrund der Depression schildert er den Kampf der Romanhelden, in Zeiten der Not ihre Würde zu bewahren. Steine schmeißen und Sachbeschädigung können wohl kaum ein Weg in eine hoffnungsvolle Richtung sein.

Zum Hintergrund der jüngsten Übergriffe auf Moscheen. Interview mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer

(iz). Vor Kurzem wurde bekannt, dass vier Moscheen an unterschiedlichen Orten zum Ziel anti-muslimischer Übergriffe wurden. Trotz muslimischer Stellungnahmen dazu erreichte das ­Thema entgegen der Schwere der Vorgänge nur die Seiten einiger Lokalblätter sowie von Muslimen betriebene Webseiten.

Die IZ sprach mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer über den Zusammenhang zwischen medialer Muslimfeindlichkeit und solchen Übergriffen. Wir fragten nach den Mechanismen der öffentlichen Islamkritik, wollten wissen, wie groß die Fähigkeit zur Selbstkritik unter Deutschlands Qualitätsmedien ist und reflektieren über die Möglich­keit, ob und wie anti-muslimische Webseiten einer stärkeren Kontrolle unterzogen werden. Dr. Schiffer sieht „Zitierzirkel“, die am Fortbestand und der Verfestigung von Vorurteilen beteiligt sind. Abschließend beleuchten wir mit der Expertin die Möglichkeit, ob und wie Muslime Gegenstrategien entwickeln können, solange sie – wie bisher – keine Diskurshoheit in den Mainstreammedien haben.

Islamische Zeitung: Frau Dr. Schiffer, in den letzten Tagen wurde bekannt, dass es Übergriffe auf vier unterschiedliche Moscheegemeinden gab. Viele Muslime sehen Zusammenhänge zwischen solchen Taten und einer medial präsenten „Islamkritik“ unterschiedlicher Färbung. Erkennen Sie als Medienwissenschaftlerin hier einen Zusammenhang?

Dr. Sabine Schiffer: Ja, wir sehen hier einen Zusammenhang und warnen davor bereits seit Langem.

Islamische Zeitung: Wie genau funktioniert dieser Zusammenhang zwischen den Segmenten der medialen Muslimfeindlichkeit und dieser ideologischen Kriminalität?

Dr. Sabine Schiffer: Die so genannte „Islamkritik“, die oft weit über Religionskritik hinausgeht, führt zu einer regelrechten Dämonisierung aller Muslime und schürt Ängste. Sie wird in Teilen der allgemeinen Medien seit Langem, extrem im Internet und jetzt auch auf der Straße in Form von ­Infoständen ausgefochten. Das ist gewissermaßen eine Dauerberieselung, die bei einigen verfängt und Ängste auslöst. Es ist immer wieder so wie das, was wir von den Anschlägen von vor 20 Jahren kennen [Solingen], sodass sich gerade junge Leute aufgefordert fühlen, endlich mal etwas zu tun, während die Alten nur reden. Der Ausgrenzungscharakter ­solcher diffamierenden Debatten wird sehr oft unterschätzt.

Islamische Zeitung: Gilt das für alle Erscheinungen, die unter „Islamkritik“ firmieren, oder gibt es eine Grenze zwischen legitimer Meinung und Diffamierung?

Dr. Sabine Schiffer: Natürlich gibt es solche Grenzen. Die Frage ist aber, ob noch zwischen beidem ­unterschieden wird. Geht es wirklich um Religionskritik? Das ist ja normalerweise kein Thema öffentlicher Debatten. Währenddessen gibt es Muster bei der Äuße­rung bestimmter Themen, deren ­Kritik oft berechtigt ist. Deren Fokus aber ist ein anderer. Sehr oft werden ­allgemeine Missstände wie Gewalt, Terror, Krieg, Frauenunterdrückung oder Antisemitismus, die auf der ganzen Welt zu beklagen sind, einfach Muslimen allein zugewiesen. Derart wird eine kleine Verschwörungstheorie konstruiert, so als müsse man gegen Islam und Muslime vorgehen, um diese Probleme zu beseiti­gen. Hier haben diese Kritik beziehungs­weise die allgemeine Religionsdiffamierung eine Funktion, die man in einem solchen Moment erkennen muss. ­Dabei werden immer wieder zu verallgemeinernde Klischees in den Raum gestellt und wiederholt, sodass ich glaube, dass die öffentliche Debatte ein bisschen kritischer betrachtet werden müsste.

Islamische Zeitung: Jüngst veröffentlichten Medienwissenschaftler Studien, in denen sie das Maß der Selbstkritik in der Medienarbeit untersuchten. Das Ergebnis sah nicht so gut aus… Gibt es Reflexion in Medien, was Veröffentlichungen über den ­Islam auslösen können?

Dr. Sabine Schiffer: So wenig, wie es „den Islam“ gibt, so wenig gibt es „den Journalisten“ oder „die Medien“. Viele stellen selbstkritische Fragen. Aber es gibt auch einige, die dadurch auffallen, dass sie eine ganz starke Tradition einer bestimmten Ausrichtung pflegen. Insofern herrscht ein bisschen der Ruch, dass ja nur über Fakten berichtet werde. Es wird aber nur selten überprüft, ob diese ­Fakten überhaupt relevant für den vorliegenden Sachverhalt sind. Wenn ich dies immer zusammen konstruiere, dann suggeriere ich natürlich Zusammenhänge, die vielleicht bei etwas umfassenderer Betrachtung gar nicht als etwas spezifisch musli­misches oder islamisches erkennbar wären. Hier gibt es Leute, die das reflektie­ren, und es gibt solche, die eine Reflektion verweigern. Sie halten sich für sehr gut informiert und entwickeln daher sowieso eine gewisse Barriere, die Dinge selbstkritisch zu betrachten. Studien belegen dies. Auch die Fähigkeit der Kolle­gen untereinander, in öffentlichen Debatten tatsächlich Dinge und Kollegen in Frage zu stellen, ist gerade in Deutschland eher selten ausgeprägt.

Islamische Zeitung: Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass Behauptungen, die ihren Ursprung in Meinungen haben (wie „der Islam unterdrückt Frauen“) gerade in letzter Zeit zu nicht hinterfragten Fakten geworden sind. Ist das ein Problem?

Dr. Sabine Schiffer: Ja, das ist wohl richtig. Aus Vorurteilen sind inzwischen feste Wissensstrukturen geworden, die dann auch gar nicht mehr hinterfragt werden. Gerade beim Thema Frauen herrscht bei sehr vielen Leuten eine ganz feste Vorstellung. Diese wurde in den letzten Jahren durch derlei Debatten noch weiter verfestigt. Da die Benachtei­ligung von Frauen ein allgemeines Phänomen ist, fehlt zwar die Spezifik, aber entsprechende Beispiele werden trotzdem traditionell Muslimen zugewiesen, weil Muslime im Fokus der Debatte stehen und nicht alle, die Frauen unterdrücken.

Das ist ein Phänomen der Feindbildkonstruktion. Man sollte ganz klar erken­nen, dass wir es hier mit einer tiefsitzen­den rassistischen Struktur zu tun haben, die eben Feindbildcharakter hat.

Islamische Zeitung: Welche Rolle spielen Aktivisten, die öffentlich als Experten oder objektiv schreibende Journalisten wahrgenommen werden?

Dr. Sabine Schiffer: Es gibt natürlich gewisse, zu beobachtende Zitierzirkel, in denen sich kolportierte Meinungen von einflussreichen Leuten ­verselbstständigen, wobei die Gegenstimmen schnell unter­gehen. Insofern haben wir keine gleichwertige Debatte zwischen einzelnen Meinungen, sondern ganz starke Kräfte, die bestimmte Dinge veröffentlichen können; und andere eben nicht.

Andererseits fehlt in Sachen Strafverfolgung von behördlicher und politischer Seite eine Gleichbetrachtung der Dinge. Man sollte alle bedrohten Menschen schützen und nicht nur bestimmte Opfergruppen als solche festlegen, wobei andere nach dem Motto ignoriert werden: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Hier wird ein Potential unterschätzt, dessen extremste Ausformungen sich in Norwegen beobachten ließen.

Islamische Zeitung: Ist es ein Fortschritt, dass bestimmte Landesverfassungsschutzämter anfingen, bestimmte muslimfeindliche Webseiten und Newsgroups zu beobachten?

Dr. Sabine Schiffer: Zunächst ja, aber wenn der oberste Dienstherr des „Verfassungsschutzes“ erklärt, dass man den wichtigsten Hetzblog nicht beobachtet, weil man den Islam nicht lieben müsse, dann ist das natürlich ein ganz starkes Signal. Es wird in den entsprechenden Kreisen wahrgenommen und auch gelobt. Da fühlt man sich bestätigt.

Wir hätten längst aus den Anschlägen vor 20 Jahren lernen müssen, dass solche Äuße­rungen aus der politischen Mitte den rechtsextremen Rand stärken, dass der Rassismus der Mitte die Ränder stärkt und die Extremisten irgendwie ermutigt, dann aktiv zu werden. Wir sehen das an den zunehmenden Anschlägen auf Einrichtungen, die ganz klar als ­muslimische erkennbar sind.

Islamische Zeitung: Sie haben eben vom rechten Rand gesprochen. Oft wird die kritisierte Islamkritik mit den Vokabeln rechts, rechtsextrem oder rechtspopulistisch in Verbindung gebracht. Dieses Phänomen findet sich – Stichwort Kritische Islamkonferenz oder Zentralrat der Ex-Muslime – auch bei Leuten, die gemeinhin als Linke wahrgenommen werden. Ist das nicht ein simples Beschreibungsmuster?

Dr. Sabine Schiffer: Da haben Sie Recht. Die Verlagerung an den rechten Rand suggeriert ein bisschen, dass die Gesellschaft an sich immun sei und funktioniere und dass es nur rechts ein Problem gäbe. Hier handelt es sich auch darum, eine Projektionsfläche zu haben. Wir haben es hier mit einem ganz breiten Phänomen zu tun und das ist genau das Problem, warum es politisch so anschlussfähig ist. Teilweise wird es auch von politischen Gruppierungen und Strömungen ausgenutzt.

Islamische Zeitung: Haben Sie Ratschläge, wie Muslime und/oder ihre Interessenvertretungen im Rahmen eigener Medienstrategien etwas tun können? Sehen Sie hier Potenziale?

Dr. Sabine Schiffer: Ehrlich gesagt sehe ich da kein großes Potenzial, weil sie nicht entscheiden, was in den Mainstreammedien erscheint. So erschien zu den Anschlägen auf die Moscheen nichts beim ZDF oder bei der Tagesschau.

Die Presseerklärung des KRM fand ein Echo bei Lokalzeitungen; ich nehme an, nicht auf deren Titelseiten. Insofern ­haben wir es hier mit einer Diskurshierarchie zu tun. Hier Einfluss zu nehmen, ist sehr, sehr schwierig.

Eine Strategie wären sicherlich, Bündnisse mit rassismuskritischen Organisationen und deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um eine ganz besondere Form von Rassismus handelt, sondern eine wie andere Rassismen auch. Über die Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen lassen sich Leute werben, die diese Problematik jetzt schon ernstnehmen. Ich denke, die Zielgruppe muss ganz klar die Zivilgesellschaft sein, denn von politischer Seite hätten sich bisher schon klare Akzente setzen lassen.

Islamische Zeitung: Angesichts des stellenweise phänomenalen Erfolges, den kleine Teams oder Einzelpersonen haben, auch ohne große Mittel Gegenöffentlichkeit herzustellen, sollte es möglich sein, koordiniert etwas auf die Beine zu stellen…

Dr. Sabine Schiffer: Es bleibt das Problem zu lösen, dass Betroffene sehr oft als unglaubwürdig wahrgenommen werden, da sie ja im eigenen Interesse sprechen. Zudem erkennt das Unterbewusstsein Verneinung nicht, das heißt, dass oftmals eine Wiederholung der Klischees stattfindet – mehr nicht. Hier könnten wir aus dem antisemitischen Diskurs Ende des 19. Jahrhunderts lernen, wie es nicht geht.

Was die neuen Medien anbelangt, gibt es da natürlich Potenziale, aber die nutzen auch andere – und die erreichen nur bestimmte, eingeschränkte Zielgruppen. Wie aber die Mainstreammedien zu gewinnen sind für eine menschenfreundlichere und repräsentativere Darstellung, das bleibt eine wichtige Frage, die wiederum auch andere Themen betrifft.

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Heilmittel gegen ein Übel der Zeit

„Er [Schaitan] sagte: ‘Ich bin besser als er. Mich hast Du aus Feuer erschaffen, wohingegen Du ihn aus Lehm erschaffen hast.’“ (As-Sad, 76) Von Wael Hamza Dies ist ein Satz […]

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Bundeswehr betreibt die Einbindung von Muslimen

Berlin/Koblenz (GFP.com). Die Bundeswehr forciert die Rekrutierung junger Muslime. Integraler Bestandteil der dazu in Gang gesetzten Propagandamaßnahmen ist es, die deutschen Streitkräfte als „bunte Truppe“ darzustellen, die rigoros gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung vorgeht. In einem offiziellen „Arbeitspapier“ der Bundeswehr findet sich zudem der „Hinweis an Vorgesetzte“, mit den Angehörigen islamischer Religionsgemeinschaften „angemessen“ umzugehen und etwa von ihnen vorgebrachte Wünsche nach Gebetsräumen soweit wie möglich zu erfüllen. Verwiesen wird hier auch darauf, dass ein muslimischer Soldat, der entgegen den militärischen Dienstvorschriften einen „längeren Bart“ trägt, „zu einem akzeptierten Gesprächspartner in Afghanistan werden kann“. Bereits seit längerem setzen die deutschen Streitkräfte Muslime als „Sprachmittler“ im Rahmen von Kriegsoperationen ein – am Hindukusch unter anderem bei der für Propaganda und Spionage zuständigen „Truppe für Operative Information“. Damit einher gehen Bemühungen der militärischen Führung, für die seelsorgerische Betreuung muslimischer Armeeangehöriger islamische Feldgeistliche, sogenannte Militärimame, in Dienst zu stellen.

Mit Allah im Flecktarn
Aktuelle Publikationen der Bundeswehr lassen den klaren Willen erkennen, verstärkt junge Muslime zu rekrutieren. So berichtet das Militärmagazin „Y“ unter der Überschrift „Mit Allah im Flecktarn“ über den Alltag des 21-jährigen Hauptgefreiten Usama Pervaiz, der im Unterstützungsbataillon des Kommandos „Operative Führung Eingreifkräfte“ freiwillig Wehrdienst leistet. Der Sohn pakistanischer Eltern ist voll des Lobes über die deutschen Streitkräfte. Während seine deutschstämmigen Kameraden „neugierig“ auf seine Kultur seien, komme die Bundeswehr seinen religiösen Vorstellungen weitgehend entgegen, erklärt Pervaiz: „Das Essen der Truppenverpflegung ist hier leider nur ansatzweise an muslimische Bedürfnisse angepasst. (…) Das ist aber kein großes Problem. Ich bin von der Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung befreit und bekomme das Geld dafür ausgezahlt.“

Freitagsgebet im Einsatz
Auch auf den Webseiten der Bundeswehr, die für eine Karriere bei der deutschen Armee werben, finden sich entsprechende Beiträge. Berichtet wird hier über muslimische Militärangehörige, die als Besatzungssoldaten in der serbischen Provinz Kosovo eingesetzt sind. Geradezu überschwänglich bedanken sie sich für die Möglichkeit zum Besuch eines islamischen Gotteshauses: „Im Einsatz, im Kosovo, zum Freitagsgebet in die Moschee zu dürfen, ist besonders schön.“ Organisiert wurde der Moscheebesuch vom katholischen Feldgeistlichen der Truppe, der mit folgenden Worten zitiert wird: „Als Seelsorger fühle ich mich auch für die muslimischen Soldaten in der Bundeswehr mitverantwortlich, und wenn es möglich ist, versuche ich sie in ihrer Glaubensauslebung in allen Belangen zu unterstützen.“ Dass die Muslime im Sold der deutschen Streitkräfte in Uniform an islamischen Gottesdiensten teilnähmen, störe im Kosovo „niemanden“, heißt es abschließend.[3]

Antirassismus à la Bundeswehr
Parallel dazu ließ der von migrantischen Bundeswehrangehörigen gegründete Verein „Deutscher Soldat“ jüngst mehrfach öffentlich verlauten, Rassismus sei „nicht symptomatisch“ für die deutschen Streitkräfte: „Im Gegenteil: Er ist dort weniger verbreitet als in der Gesellschaft insgesamt.“ Zwar bestünden insbesondere bei muslimischen Gemeinden „noch viele Vorurteile“ über die Truppe, jedoch habe sich diese mittlerweile „gewandelt“: „Sie ist heute bunt.“ Anlass der Statements war ein von Bundeswehrsoldaten verübter rassistischer Angriff: Am 15. Februar hatten vier Unteroffiziere auf dem im Libanon stationierten Schnellboot „Hermelin“ ihren asiatischstämmigen Vorgesetzten misshandelt und als „Mongo“ bezeichnet.

Militär als Integrationsinstanz
Das für die politisch-weltanschauliche Schulung der Truppe verantwortliche „Zentrum Innere Führung“ der Bundeswehr hat unterdessen sein „Arbeitspapier“ zum Umgang mit den deutschen Soldaten „muslimischen Glaubens“ neu aufgelegt. Das Militär wird hier als „wesentlicher Ort“ bezeichnet, „an dem die Integration muslimischer Staatsbürger gefordert und gefördert wird“ – verbunden mit entsprechenden „Hinweise(n) für die Vorgesetzten“. Diese werden explizit aufgefordert, sich ihren Untergebenen gegenüber „angemessen“ zu verhalten und gegebenenfalls auch „Freiräume“ für „Einzelfallentscheidungen“ zu nutzen. So liege es etwa „im klugen Ermessen eines Vorgesetzten, ob er einem Soldaten oder einer Soldatin mit Blick auf einen muslimischen Feiertag Erholungsurlaub oder Dienstausgleich gewährt“. Auch dürfte es „in der Praxis“ nur „geringere Schwierigkeiten“ bereiten, muslimischen Militärs den Wunsch nach einem Gebetsraum zu erfüllen, heißt es. Selbst der geltende „Bart- und Haarerlass“, dem zufolge Bärte und Koteletten „kurz geschnitten“ sein müssen, wird von den Autoren des „Arbeitspapiers“ in Bezug auf Muslime relativiert: „Es sind durchaus Situationen denkbar, in denen ein deutscher Soldat mit einem längeren Bart zu einem akzeptierten Gesprächspartner in Afghanistan werden kann.“ Die zuletzt genannte Aussage verweist auf die Funktion, die Muslime aufgrund der ihnen zugesprochenen „interkulturellen Kompetenz“ im Rahmen der Kriegsoperationen der Bundeswehr wahrnehmen: Insbesondere am Hindukusch werden sie als sogenannte Sprachmittler für den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung eingesetzt. Dabei arbeiten sie entweder für den jeweiligen Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents oder für die auf Propaganda- und Spionagetätigkeiten spezialisierte „Truppe für Operative Information“ (german-foreign-policy.com berichtete ).

Militärimame
Mit der von Seiten der Bundeswehr offensiv verfolgten Strategie der „Integration“ von Muslimen korrespondiert die erklärte Absicht, islamische Feldgeistliche, so genannte Militärimame, in Dienst zu stellen. Presseberichten zufolge sind sowohl der Leiter der „Zentralen Koordinierungsstelle Interkulturelle Kompetenz“ am „Zentrum Innere Führung“, Oberstleutnant Uwe Ulrich, als auch der Pastoralreferent des Katholischen Militärpfarramtes, Thomas R. Elßner, „von der Notwendigkeit der Beschäftigung eines Militärimams auf die gleiche Weise überzeugt“. Beide forderten erst unlängst die muslimischen Dachverbände in Deutschland auf, hierzu Stellung zu nehmen: „Diese Organisationen müssen festlegen, von wem und auf welche Weise die religiösen Dienstleistungen im Militär angeboten werden.“

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Alltag der Muslime: Wie gehen wir mit ethnischen Identitäten um?

„O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ (Al-Hudscharat, 13) […]

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„IZ-Begegnung“ mit dem Dr. Farid Hafez zur Islamfeindlichkeit

„Habermas’ Theorie der Öffentlichkeit, an der alle partizipieren können, ist nun einmal keine Realität.“ (iZ). Islamophobie, was ist das? Ironischerweise lehnen nicht nur die so genannten „Islamkritiker“ (sicherlich aus eigennützigen) […]

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„Die Debatte“: Unterscheidung, aber keine Diskriminierung

(iz). In den letzten Tagen schaute Freund Mukhtar ein paar Mal vorbei. Mukhtar ist ein junger Südafrikaner, Muslim und ziemlich hipp. Wer ihn nicht kennt, mag kaum glauben, wie tief […]

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Debatte und muslimische Hintergründe zur Doppelten Staatsbürgerschaft

„Es ist für die Gemeinschaft der in Deutschland lebenden Muslime wichtig, das die islamischen Grundlagen nicht von kultureller Romantik verdrängt werden.“ (iz). Der SPD-Vorsitzende Gabriel hat ein feines Gespür für […]

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„IZ-Begegnung“ mit UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt

(iz). Von deutschen Medien sollte man in Sachen Islam-Berichterstattung zumindest eine faire Haltung erwarten dürfen. Dies war einer der Schlüsse einer Fachtagung der Deutschen Islamkonferenz (DIK)Anfang Dezember 2012 zum Thema Muslimfeindlichkeit in Berlin. In den letzten Jahren haben sich im Verhältnis von Medien, Gesellschaft und Muslimen Fehlurteile und Missverständnisse verfestigt.

Neben einzelnen Diskus­sionen – wie die jüngste zum Thema Beschneidung – hat sich darüber hinaus eine tendenziell gruppenfeindliche Stimmung in die deutsche Debatte eingeschlichen. Zu ihren Vertretern gehören vermeintliche Tabubrecher wie der Ex-Banker Thilo Sarrazin, der seit Jahren auf der Welle des „das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ reitet.

Hierzu sprachen wir mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, der auf der DIK-Veranstaltung zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland sprach. Heiner Bielefeldt ist ein deutscher Theologe, Philosoph und Historiker. Er ist Inhaber des Lehr­stuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Juni 2010 ist Heiner Bielefeldt Sonderberichterstatter für Religi­ons- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Bielefeldt engagiert sich im Interreligiösen ­Dialog und ist Mitglied des Kuratoriums der Muslimischen Akademie in Deutschland sowie des Kuratoriums der Christ­lich-Islamischen Gesellschaft. Daneben ist er Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens (DGEPD) sowie im Beirat der Zeitschrift für Menschenrechte (zfmr).

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Dr. Bielefeldt, Sie sprachen im Rahmen einer Tagung der Deutschen Islamkonferenz über das ­Thema Muslimfeindlichkeit. Hat die Islam-Berichterstattung in unseren Massenmedien in den letzten Jahren Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber Muslimen? Lässt sich ein Verhältnis zwischen beiden Phänomenen ausmachen?

Heiner Bielefeldt: Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen stereotypen Darstellungen des Islams in den Medien und der Einstellung der Bevölkerung gegenüber Muslimen, die sich laut der jüngsten Allensbach-Umfrage (veröffentlicht im November 2012) zwar leicht verbessert hat, aber immer noch recht negativ ausfällt. Ein allgemeines Medien-Bashing wäre aber ganz falsch. Wenn man die Berichterstattung in journalistisch gestalteten Medien mit Positionierungen im Internet vergleicht, wo Menschen ganz ungefiltert ihre Ressentiments vom Stapel lassen, wird einmal mehr deutlich, wie wichtig professionelle journalistische Arbeit ist. Ohne sie kann gesellschaftliche Aufklärung nicht gelingen, und gerade auch für die Überwindung von Vorurteilen braucht man Verbündete in den Medien, die es ja in gar nicht so geringer Zahl gibt.

Islamische Zeitung: In einem Bericht über Ihr Referat in der DIK-Tagung schlussfolgerte ein Magazin, dass die Medien zumindest ein „faires Bild“ von den Muslimen in Deutschland zeichnen sollten. Ließe sich dergleichen überhaupt durch äußeren Druck bewerkstelligen? Bis in die höchsten europäischen Gerichte waren solche Versuche zumeist gescheitert. Oder setzen Sie auf die Einsicht der beteiligten Medien?

Heiner Bielefeldt: Zunächst braucht man ein Leitbild, zu dem meiner Meinung nach vor allem das Prinzip der Fairness gehört. Es kann nicht darum gehen, auf klischeehafte, negative Berichterstattung mit Image-Kampagnen zu reagieren, die letztlich doch nur Misstrauen schüren. Das Ziel muss vielmehr darin bestehen, Klischees durch die Bereit­schaft zur Differenzierung zu ersetzen. Es geht um Genauigkeit, komplexe Bilder und eine Berichterstattung, in der die betroffenen Menschen – hier also Muslime – in ihrer ganzen Vielschichtig­keit angemessen vorkommen. Dazu gehört auch, dass Muslime selbst stärker in den Medien aktiv werden.

All das ist anstrengend, dauert Zeit und fordert Frustrationstoleranz. Einen anderen Weg gibt es aber nicht. Niemand kann doch im Ernst wollen, dass die Gerichte ständig die Angemessenheit der Berichterstattung überprüfen; das wäre das Ende der freien Gesellschaft. Gericht­liche Klagen können nur in extremen und zugleich sehr eindeutigen Fällen in Frage kommen.

Islamische Zeitung: Sie verwiesen auf den Mechanismus, wonach führende Köpfe der Islamkritik sich „als letzte Heroen der Meinungsfreiheit“ aufgespielt hätten. Spielt dieser Mechanismus des vermeintlichen Tabubruches eine Rolle innerhalb der deutschen Islam-Debatte?

Heiner Bielefeldt: Das ist ganz offen­sichtlich der Fall. Der Gestus „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ ist allzu bekannt. Er richtet sich übrigens nicht nur gegen Muslime, sondern auch gegen andere Minderheiten. Im Namen der politischen Unkorrektheit arbeitet man sich an angeblichen Tabus ab, die bei Licht gesehen meistens gar nicht existieren. Sprachliche Gemeinheiten (wie die „Produktion kleiner Kopftuchmädchen“) lassen sich auf diese Weise als öffentliche Mutproben inszenieren. Mit echter Aufklärung hat das nichts zu tun. Der Ges­tus ist letztlich albern, und die beste Reak­tion besteht darin, mit Ironie und Satire zu antworten. Es gibt ja mittlerweile auch in Deutschland ein paar begnadete Kabarettisten aus dem islamischen Milieu. Die sollen da mal verstärkt rangehen.

Islamische Zeitung: Sie sprachen von einer ­verbreiteten Muslimfeindlichkeit, die teilweise zum Rassismus tendiere. ­Welchen Grad hat das Ressenti­ment gegen Muslime in unserem Land erreicht?

Heiner Bielefeldt: Mit dem Begriff Rassismus sollten wir vorsichtig umgehen. Aber es gibt zweifellos hierzulande auch rassistische Tendenzen, unter ­denen unterschiedliche Gruppen leiden: Juden, Muslime, Roma, Menschen afrikanischer Abstammung und andere. Das Schlimme am Rassismus ist, dass er die Menschen ent-individualisiert: Sie verschwin­den gleichsam in einem negativ konnotierten anonymen Kollektiv und kommen mit ihren persönlichen Gesichtern, Stimmen und Überzeugungen nicht mehr zum Zuge. Deshalb ist Rassismus Gift für die Demokratie, und es muss uns allen ein Anliegen sein, dage­gen vorzugehen.

Islamische Zeitung: Nach einer Entscheidung des Bundestages hat sich der Streit um das Thema Beschneidung vorerst beruhigt. Welchen Stellenwert hatte diese Debatte Ihrer Meinung nach und wie einflussreich sind die anti-religiösen Stimmen?

Heiner Bielefeldt: Dass das Thema kontrovers diskutiert worden ist, konnte nicht wirklich überraschen. Geschockt war ich aber über den ätzend-verächtlichen Tonfall, der in der öffentlichen Debatte immer wieder durchbrach. Da war von „barbarischen Akten“ und „Angriffen auf wehrlose Kinder“ die Rede. ­Viele jüdische und muslimische Eltern haben verständlicherweise mit Entsetzen darauf reagiert, dass man ihnen absprach, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Die Diskussion hat Wunden geschlagen und gezeigt, dass sich in Teilen der Gesellschaft ein geradezu aggressives Unverständnis für religiöse Bedürfnisse und Fragen breit gemacht hat. Das wird uns noch lange beschäftigen müssen.

Islamische Zeitung: Als Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrates haben Sie einen inter­nationalen Einblick. Wie nimmt man im Ausland die hiesigen Ansichten gegenüber Muslimen auf und können Sie einen Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder den Niederlanden ziehen? Amnesty International hielt sich mit Kritik an Deutschland in einem aktuellen Bericht zum Thema zurück.

Heiner Bielefeldt: In meiner UN-Funktion bin ich bislang eher selten auf Deutschland angesprochen worden. Insge­samt hat Deutschland ­international einen guten Ruf – auch hinsichtlich der Religionsfreiheit. Das Beschneidungsurteil aus Köln und die sich anschließen­de Debatte haben aber auch im Ausland Erstaunen ausgelöst.

Islamische Zeitung: Sie haben auf dem DIK-Treffen die Muslime dazu aufgerufen, sich mit Aufklärung und öffentlichem Widerspruch gegen „Hass­reden“ zu wehren. Hätten Sie konkrete Vorschläge?

Heiner Bielefeldt: Es gibt positive ­Beispiele. Bemerkenswerterweise hat ja die jüngste Provokation der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ gar nicht gegriffen. Muslimische Verbände hatten im Vorfeld dafür geworben, das Ganze zu ignorieren und den Provokateuren, die einmal wieder mit Mohammed-Karikaturen Aufmerksamkeit gewinnen wollten, gar keine Bühne zu ­verschaffen. Manchmal muss man aber auch öffentlich reagieren. Thilo Sarrazins Deka­denzphantasien konnte man natürlich nicht ignorieren. Die Debatte um sein Buch hat deutlich werden lassen, dass es nicht möglich ist, verschiedene Proble­me der Integrationspolitik in einen Topf zu rühren und dann schlicht das Etikett „Islam“ darauf zu kleben. An dieser Debatte haben sich bekanntlich auch Muslime beteiligt.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Prof. Dr. Bielefeldt, wir danken Ihnen für das Interview.